Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106772/9/Le/La

Linz, 22.05.2000

VwSen-106772/9/Le/La Linz, am 22. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung der E F, 5A, T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. November 1999, Zl. VerkR96-11702-1999-Hu, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. November 1999 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin wegen Übertretung des § 52 lit.a Z1 und § 99 Abs.3 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 400 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihr vorgeworfen, sie habe am 26.5.1999 um 15.20 Uhr in P, auf der S, in Richtung S Straße, den Kombi, Kz. LL, entgegen dem Verbotszeichen "Fahrverbot in beiden Richtungen" mit der Zusatztafel "Ausgenommen Anliegeverkehr und Radfahrer" gelenkt, obwohl diese Ausnahme für sie nicht in Betracht kam.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16.12.1999, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte die Berufungswerberin aus, dass sie ihren Kombi auf der S gelenkt habe, um ihre Bekannte, Frau C B, wohnhaft W 7, P, zu besuchen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 27.4.2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt. Die belangte Behörde sowie die Berufungswerberin selbst sind dazu nicht erschienen, wobei die Berufungswerberin die hiezu ergangene Ladung vom 28. März 2000 nicht behoben hat.

Frau C B, wohnhaft, P, wurde als Zeugin unter ausdrücklichem Hinweis auf ihre Wahrheitspflicht befragt.

3.2. Daraus ergibt sich im Wesentlichen folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Frau B ist seit Juni 1999 als Küchenhilfe bei der Firma T in der P tätig, deren Filialleiterin Frau F ist. Frau F war Ende Mai 1999 1 bis 2 mal bei ihr zu Hause, um ihr Rezepte für ihre zukünftige Tätigkeit zu bringen, damit sie sich besser auf die bevorstehende Arbeit vorbereiten könne und es keine Anlaufschwierigkeiten gäbe. Ob diese Besuche am 26.5.1999 stattfanden, konnte Frau B jedoch nicht mehr genau sagen.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die Unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren die Berufungswerberin mit einer Geldstrafe in Höhe von 400 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Der Berufungswerberin wurde vorgeworfen, sie habe am 26.5.1999 zu einer näher bezeichneten Uhrzeit in P auf der S in Richtung Sr Straße ihren Kombi entgegen dem Verbotszeichen "Fahrverbot in beiden Richtungen" mit der Zusatztafel "ausgenommen Anliegeverkehr und Radfahrer" gelenkt, obwohl diese Ausnahme für sie nicht in Betracht gekommen wäre.

Frau C B gab als Zeugin vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat an, dass die Berufungswerberin im Zeitraum Mitte bis Ende Mai 1999 ein oder zweimal bei ihr zu Hause gewesen sei, um ihr Rezepte für ihre künftige Tätigkeit zu bringen. An den genauen Tag konnte sie sich nicht erinnern.

Der Umstand, dass sich die Zeugin an den genauen Tag des Besuches (der Besuche) nicht mehr erinnern konnte, kann nicht zum Nachteil der Berufungswerberin ausgelegt werden, da es ganz natürlich ist, dass sich eine unbeteiligte Person eine so wenig auffällige Begebenheit nicht datumsmäßig über einen Zeitraum von einem Jahr merkt. Immerhin aber hat die Zeugin bestätigt, dass Frau F im fraglichen Zeitraum ein bis zweimal bei ihr gewesen sei. Sie hat auch einen Grund dafür genannt, nämlich die Überbringung von Rezepten für ihre künftige Tätigkeit bei der Firma T.

Somit kann es als ausreichend glaubhaft gemacht angesehen werden, dass die Berufungswerberin zur Tatzeit tatsächlich zur Zeugin unterwegs war.

4.3. Die Zusatztafel "ausgenommen Anliegeverkehr und Radfahrer" beim Verkehrszeichen "Fahrverbot in beiden Richtungen", wie es an der gegenständlichen Straßenstelle verwendet wurde, ist in der StVO nicht ausdrücklich geregelt. Die Verwendung von Zusatztafeln ist jedoch gemäß § 54 Abs.1 StVO zur Erläuterung, Erweiterung oder Einschränkung von Straßenverkehrszeichen zulässig.

Nach der Judikatur der Höchstgerichte (siehe etwa Urteil des OGH vom 27.9.1984, 6Ob815/83) wird der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer die Zusatztafel "ausgenommen Anrainer" zwanglos dahingehend verstehen, dass damit der Verkehr nicht nur für die Anrainer, sondern auch für deren Besucher, Gäste, Lieferanten, etc. gestattet wird. Zwischen den Zusätzen "Anlieger frei" oder "frei für Anlieger"

einerseits und "Anliegerverkehr frei" andererseits ist nicht zu unterscheiden. In beiden Fällen ist das Befahren der Straße nicht bloß durch Anlieger, sondern auch der Verkehr mit den Anliegern zulässig.

Die Berufungswerberin musste auf dem Weg zur Zeugin B, die am W 7 wohnt, die S durchfahren. Sie war dazu nach der (erweiternden) Zusatztafel zum Verkehrszeichen "Fahrverbot in beiden Richtungen" auch berechtigt, weil sie (aus beruflichen Gründen) mit der Zeugin B zu tun hatte und diese zu Hause besuchte.

Damit aber traf die durch die Zusatztafel gewährte Ausnahme für sie zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG der Berufungswerberin nicht aufzuerlegen, weil der Berufung (zumindest teilweise) Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum