Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106835/2/Br/Bk

Linz, 06.03.2000

VwSen -106835/2/Br/Bk Linz, am 6. März 2000

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn K gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, AZ. VerkR96-1224-1999, vom 3. Jänner 2000, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Z1 2. Fall Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.500 S und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden auferlegt und folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben am 23.02.1999 um ca. 19.10 Uhr auf der A 8 Innkreisautobahn bei km 59,580 als Lenker des PKW nach einem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, es unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil Sie die Unfallstelle verlassen haben."

    1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Das LGK für , VAAST Ried/I., erstattete am 01.03.1999 zur GZP 498/99 Anzeige, weil Sie am 23.02.1999 um ca. 19.10 Uhr auf der A 8 bei km 59,580 einen Verkehrsunfall verursachten. Dabei stießen Sie mit der Vorderseite des PKW gegen die Mittelleitschiene der Autobahn, sodass diese auf einer Länge von 15 m eingedrückt wurde. Weiters wurde eine Schneestange umgefahren. An Ihrem Fahrzeug wurde die vordere Stoßstange und das Kennzeichen weggerissen. Sie setzten die Fahrt fort, ohne den Verkehrsunfall dem Straßenerhalter oder der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu melden. Am 24.02.1999 um ca. 00.15 Uhr wollten Sie am Grenzübergang Spielfeld aus dem Bundesgebiet ausreisen. Dabei wurden Sie auf die offenbar frischen Beschädigungen an Ihrem Fahrzeug angesprochen, woraufhin Sie den gegenständlichen Unfall eingestanden haben.

Wegen der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen wurden gegen Sie eine Strafverfügung erlassen, gegen welche Sie rechtzeitig Einspruch erhoben. Diesen begründeten Sie nach Akteneinsicht dahingehend, dass Sie damals auf der schneeglatten Fahrbahn ins Schleudern gekommen seien. Am Verkehrsunfall sei kein weiteres Fahrzeug beteiligt gewesen, ihr eigenes Fahrzeug sei rechts vorne beschädigt worden. Eine Beschädigung der Mittelleitschiene auf eine Länge von 15 m könne nicht von ihrem Fahrzeug stammen. Sie hätten nach dem Verkehrsunfall ca. 1 Stunde an der Unfallstelle gewartet, es sei aber weder die Straßenmeisterei noch die Gendarmerie vorbei gekommen. Daher seien sie weitergefahren und hätten die Formalitäten bezüglich des Verkehrsunfalles beim Grenzübergang Spielfeld erledigt.

Es hätte keine Pflicht bestanden, an der Unfallstelle zu verbleiben, weil Ihr Verschulden ohnedies klar und auf Grund der Spuren der Unfallshergang ohne weiteres rekonstruierbar gewesen sei. Der Schaden könne nur von Ihnen verursacht worden sein und Sie hätten auch das Autokennzeichen an der Unfallstelle hinterlassen, weshalb eine Feststellung des Fahrzeuglenkers möglich gewesen sei. Weiters sei die Ihnen vorgeworfene Tatzeit falsch.

Hierüber hat die Behörde erwogen:

Gem. § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Sowohl bei der beschädigten Mittelleitschiene als auch bei der Schneestange handelt es sich um Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, weshalb nicht § 4 Abs.5 StVO 1960 sondern die Sonderregel des § 31 iVm. § 99 Abs. 2 lit.e StVO 1960 anzuwenden gewesen wäre. Da dies innerhalb der Verjährungsfrist nicht erfolgte, wird Punkt 2 der Strafverfügung eingestellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Mitwirkungspflicht im Sinne des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 dann, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Die Tatsache, dass der zur Verständigung Verpflichtete die Verständigung unterlässt, und die weitere Tatsache, dass er es verabsäumt, an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken, stellen zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen dar.

Beim gegenständlichen Verkehrsunfall haben Sie Verkehrsleiteinrichtungen beschädigt und dies dem Straßenerhalter nicht ohne unnötigen Aufschub gemeldet. Sie wären daher verpflichtet gewesen, die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen, sodass es in weiterer Folge zur Unfallaufnahme gekommen wäre. Daher wären Sie auch verpflichtet gewesen, an der Unfallstelle zu verbleiben und so an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Mit dem bloßen Zuwarten an der Unfallstelle, ob vielleicht zufällig ein Fahrzeug der Straßenmeisterei oder Gendarmerie an der Unfallstelle vorbeikommt, sind Sie Ihren durch den Verkehrsunfall ausgelösten Pflichten jedenfalls nicht nachgekommen. Das bloße - wohl unbeabsichtigte - Zurücklassen der Kennzeichentafel an der Unfallstelle ändert ebenfalls nichts an der Verpflichtung zu Ihrer Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung. Dies insbesondere deswegen, weil allein auf Grund des Kennzeichens noch nicht zwingend feststeht, dass das Fahrzeug von Ihnen gelenkt worden ist.

Zu Ihren Einspruchsangaben, dass der Ihnen vorgeworfene Tatzeitpunkt falsch wäre, ist auf Ihre eigenen Angaben am Grenzübergang Spielfeld hinzuweisen. Selbst wenn der Verkehrsunfall tatsächlich etwas früher oder später gewesen sein sollte, ist diesbezüglich keineswegs Verfolgungsverjährung eingetreten. Es war Ihnen während des gesamten Verfahrens klar, dass es sich nur um diesen einen Verkehrsunfall handeln kann und die genaue Unfallzeit nur Ihnen selbst bekannt ist. Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit durch eine allenfalls geringfügig falsche Angabe der Unfallzeit Sie in Ihren Verteidigungsrechten eingeschränkt sein sollten.

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass gemäß § 5 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Umstände, welche Ihr Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift ausschließen würden, sind von Ihnen im Verfahren nicht vorgebracht worden.

Verletzungen des § 4 StVO 1960 stellen grundsätzlich schwerwiegende Verwaltungsübertretungen dar. Die Ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung hat besondere Bedeutung für die objektive Feststellung des Unfallherganges und damit für die Entscheidung über die jeweiligen Schadenersatzansprüche.

Strafmildernd ist jedoch zu berücksichtigen, dass Sie letztlich wenn auch erst auf eine diesbezügliche konkrete Anfrage des Grenzüberwachungsorganes - den Verkehrsunfall eingestanden haben. Ihre bisherige Straflosigkeit stellt einen weiteren erheblichen Strafmilderungsgrund dar. Sonstige Strafmilderungs- oder Erschwerungsgründe lagen hingegen nicht vor.

Im Hinblick auf den in § 99 Abs. 2 StVO 1960 Strafrahmen von S 500,-- bis S 30.000,-- bewegt sie die verhängte Geldstrafe ohnedies im untersten Bereich. Sie entspricht auch Ihren persönlichen Verhältnissen, wobei die hs. Behörde davon ausgeht, dass Sie über ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.000,-- bei keinem Vermögen und Sorgepflichten verfügen.

Der Kostenausspruch ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet."

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerber inhaltlich Folgendes aus:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Rechtsfreund gegen das da. Straferkenntnis VerkR 96-1224-1999 vom 03.01.2000 an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich das Rechtsmittel der

B E R U F U N G

und führe diese aus wie folgt:

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfange und Inhalte nach wegen Rechtswidrigkeit/Mangelhaftigkeit bekämpft und im einzelnen ausgeführt wie folgt:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird mir angelastet am 23.02.1999 um ca. 19.10 Uhr auf der A 8 Innkreisautobahn bei Km. 59,580 als Lenker des PKW nach einem Verkehrsunfall, mit dem mein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stehen soll, es unterlassen zu haben an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil ich die Unfallstelle verlassen hätte, und wurde deshalb über mich eine Geldstrafe von ATS 2.750,-- (inkl. Verfahrenskosten) verhängt.

Der Spruch des Straferkenntnisses ermangelt auch deshalb einer Konkretisierung, als nicht angegeben wurde, dass Tatort Autobahn A 8, Richtungsfahrbahn Wels war. Insoweit wurde daher dem Konkretisierungserfordernis im Sinne des § 44a VStG zur Tatörtlichkeit im Bescheidspruch nicht entsprochen.

Das Verfahren blieb deshalb mangelhaft, da sämtliche von mir bzw. meinem ausgewiesenen Rechtsfreund gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen wurde und wird daher nochmals ausgeführt wie folgt:

Am 23.02.1999 befuhr ich mit meinem PKW Marke Daimler Benz, behördl. Kennzeichen (D) von Deutschland kommend die A 8, Richtungsfahrbahn Wels. Die Witterung war äusserst schlecht. Es herrschte "Schneechaos". Die Fahrbahn wies Schneeglätte und teilweise Eisglätte auf und war nicht gestreut.

Wegen der eisigen Fahrbahn kam ich mit meinem Fahrzeug - welches sich zu diesem Zeitpunkt gänzlich alleine auf der Fahrbahn befand, trotz eingehaltener geringer Geschwindigkeit - unerwartet ins Schleudern und prallte gegen die Leitschiene, wobei das Fahrzeug zum Stillstand kam.

Wenn im Vorfallenheitsbericht des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Verkehrsabteilung, Aussenstelle Ried vom 26.02.1999, GZP. 498/99 darauf verwiesen wurde, die Mittelleitschiene sei auf eine Länge von 15 m erheblich beschädigt worden, so kann dies nicht von der von mir verursachten Kollision gegen die Leitschiene stammen. Das Fahrzeug wurde vorne rechts beschädigt.

Der Einschreiter hat sodann an der Unfallstelle 1 Stunde gewartet. Es ist aber seitens der Gendarmerie oder auch Straßenmeisterei niemand vorbeigekommen. Dies kann dem Einschreiter nicht als Verschulden angelastet werden. Er hat sodann seine Fahrt aufgenommen Richtung Slowenien, wo an der Grenze sodann die entsprechenden Formalitäten veranlasst wurden.

Wie dem Behördenakt zu entnehmen ist gab es lediglich Sachschäden. Personenschäden sind keine eingetreten.

Unter Faktum 1. der Strafverfügung vom 17.03.1999 wird vorgeworfen der Mitwirkungspflicht zur Feststellung des Sachverhaltes nicht entsprochen zu haben, weil die Unfallstelle verlassen wurde. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass trotz widrigster Witterungsbedingungen ohnedies 1 Stunde auf der Autobahn zugewartet wurde. Andererseits lag auch keine Verpflichtung zur Belassung des Fahrzeuges an der Unfallstelle vor, da das Verschulden klar war und aufgrund der vorhandenen Spuren ohne Schwierigkeiten rekonstruierbar ist.

Aufgrund der Tatsache, dass kein zweiter Fahrzeuglenker bei dem Sachschaden mit der Leitschiene befasst war, kann das Verschulden nur beim Einschreiter gelegen sein. Schutzzweck der Norm der Gesetzesbestimmung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO ist darin gelegen, eine entsprechende Spurensicherung für die Abklärung der Verschuldenskomponente zu sichern. Aufgrund des vorgefallenen Sachverhaltes war aber eindeutig klar, dass nur der Einschreiter selbst Haftender für die Vorkommnisse sein kann, da kein anderer Verkehrsteilnehmer in das Unfallsgeschehen involviert war (VWGH 06.12.1973, 1958/72). Gemäß Judikatur ist einem unverletzten Unfallbeteiligten ein Verbleiben am Unfallort für einen Zeitraum von 15 min. bis zum Eintreffen der Gendarmerie (auch zur Nachtzeit) zumutbar. Die vom Einschreiter veranlasste einstündige Wartezeit ist mehr als ausreichend und alles was darüber hinausgeht als unzumutbar anzusehen. Ebenso ist darauf zu verweisen, dass an der Unfallstelle das Autokennzeichen hinterlassen wurde und auch aus diesem Grunde die Identifizierung des Schadenverursachers möglich war (VWGH 12.10.1983, 83/03/0106).

Ist der Sachverhalt einschließlich des Verschuldens auch nach Wegschaffung des Fahrzeuges klar und ohne Schwierigkeiten zu rekonstruieren oder vermag die Belassung eines Fahrzeuges an der Unfallstelle eine Klärung nicht herbeizuführen (z.B. ob sich das Fahrzeug vor dem Verkehrsunfall in einem den Vorschriften entsprechenden Zustand befunden hat) besteht keine Verpflichtung das Fahrzeug an der Unfallstelle unverändert zu belassen (VwGH 09.05.1985, 85/18/0209).

Es wird sohin gestellt der

A N T R A G

auf Einvernahme der Meldungsleger zum Beweise der widrigen Verkehrsverhältnisse zum angeblichen Tatzeitpunkt, sowie der Tatsache, dass diese mehr als 1 Stunde nicht zum Unfallsort erschienen bzw. sich nicht dem Unfallsort bzw. in dessen Nahebereich aufhielten;

auf Vorlage der handschriftlichen Aufzeichnungen zu den vorgefallenen Sachverhalten zum Beweise dafür, dass ein unrichtiger Tatzeitpunkt angelastet wird; auf Einstellung des Strafverfahrens; in eventu Aussprache einer Ermahnung im Sinne des § 21 VStG, allenfalls nach Durchführung der bisher unerledigten Beweisanträge.

Über all diese Punkte liegen keinerlei Beweisergebnisse vor, weshalb das Verfahren noch nicht spruchreif war und die angefochtene Entscheidung sohin rechtswidrig.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe ist die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen. Im konkreten Fall liegen nachfolgende Milderungsgründe vor:

- der bisher ordentliche Lebenswandel und die Tatsache, dass die Tat mit dem sonstigen Verhalten in Widerspruch steht;

- die Tat lediglich aus Fahrlässigkeit begangen wurde;

- die Tat nur aus Unbesonnenheit (Unachtsamkeit) begangen wurde;

- die Tat mehr durch besonders verlockende Gelegenheit als mit vorgefaßter Absicht begangen wurde;

- die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen;

- es trotz Vollendung der Tat zu keinen weiteren Schäden Dritter gekommen ist;

- die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde und seither ein

Wohlverhalten vorliegt.

Abschließend werden gestellt nachfolgende

A N T R Ä G E :

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge das angefochtene Straferkenntnis der BH Ried, VerkR 96-1224-1999 vom 03.01.2000 ersatzlos beheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einstellen;

dies nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung; Abführung der bisher unerledigt gebliebenen Beweisanträge; in eventu Aussprache einer Ermahnung im Sinne des § 21 VStG; in eventu Herabsetzung der Strafe auf ein gesetzeskonformes mildes Maß im Sinne des § 20 VStG.

G, am 26.01.2000 K"

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche und in der Substanz gänzlich unbestritten gebliebene Sachverhalt.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur o.a. Zeit und Örtlichkeit seinen Pkw auf der A8; er gelangte dort offenbar infolge der schneeglatten Fahrbahnverhältnisse ins Schleudern, stieß gegen die Leitplanke und beschädigte diese angeblich auf einer Länge von ca. 15 Metern. Ohne hievon die nächste Gendarmeriedienststelle oder den Straßenerhalter verständigt zu haben, entfernte er sich nach angeblichem Zuwarten in der Dauer von einer Stunde von der Unfallstelle. Erst im Zuge seiner Ausreise beim Grenzübergang Spielfeld um 23.55 Uhr des Vorfallstages wurde dieser Verkehrsunfall mit Sachschaden amtsbekannt und gelangte zur Anzeige.

Die Behörde erster Instanz erließ folglich wider den Berufungswerber eine Strafverfügung, wobei sie neben dem h. verfahrensgegenständlichen Tatbestand unter weitgehender Umschreibung des Tatbildes zusätzlich auch wegen der Übertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO eine Geldstrafe im Ausmaß von 2.000 S verhängte (Unterlassen der Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub).

Dieser Punkt wurde anlässlich des im Anschluss an das Ermittlungsverfahren erlassenen Straferkenntnisses zur Einstellung gebracht, weil es sich bei der Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung um den Tatbestand des § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO handelt im Hinblick darauf jedoch keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde und somit in diesem Punkt Verjährung eingetreten sei.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Gemäß § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 ist mit 500 S bis zu 30.000 S zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden. Die Bekanntgabe der Identität dient u.a. der Regelung des Schadenersatzes. Eine "Leitschiene" ist im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung als eine "Verkehrsleiteinrichtung" anzusehen (VwGH 28.9.1988, Zl. 88/02/0133). Die Bestimmung des § 99 Abs.2 lit.e kommt somit iVm § 31 Abs.1 StVO 1960 gegenüber § 99 Abs.3 lit.b iVm § 4 Abs.5 StVO als lex spezialis zur Anwendung.

Hier ist selbst vom Berufungswerber unbestritten, dass er jedenfalls einen Schaden an einer Verkehrsleiteinrichtung verursachte, auch wenn er das Schadensausmaß in Frage stellt. Dies begründete die Meldepflicht, welcher im Gegensatz zu den Ausführungen des Berufungswerbers grundsätzlich auch nicht durch untätiges Verharren an der Unfallstelle bis zu einem zufälligen Vorbeikommen einer Gendarmeriestreife Rechnung getragen werden könnte (vgl. VwGH 23.2.1990, 85/18/0185 mit weiteren Judikaturhinweisen). Es mutet andererseits nicht gerade glaubwürdig an, dass jemand um Mitternacht eine Stunde an der Unfallstelle warten würde, ohne etwa den Versuch zu unternehmen, einen anderen Fahrzeuglenker anzuhalten und diesen zu ersuchen, die Gendarmerie zu verständigen und letztlich sich dann doch "quasi unverrichteter Dinge" wieder zu entfernen. Bezeichnend ist, dass sich der Berufungswerber erst nach Durchquerung des österreichischen Staatsgebietes und auch da erst über Befragung durch Grenzkontrollorgane zur "Meldung des Unfalles" bereit fand! Mit dem letztgenannten Erkenntnis wurde bereits eine nach einer halben Stunde erfolgte Unfallmeldung als "unnötiger Aufschub" qualifiziert. Es kommt dabei aber nicht vordergründig auf die objektive Dauer bis zur Meldung, sondern die Nutzung der Zeit bis zur Meldung an (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292).

5.2. Nach § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen,

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder

Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

5.2.1. Die Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz, dass es anlässlich dieses Verkehrsunfalls mit Sachschaden über die Meldepflicht hinaus auch zu einer Unfallaufnahme vor Ort zu kommen gehabt hätte und im Rahmen dieser eine Mitwirkungspflicht bestanden hätte, vermag nicht gefolgt werden (siehe auch Messiner, StVO-Kommentar, S107 ff, E94 u.v.a).

Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich nur auf ein Ausmaß als dies zur Feststellung von Sachverhaltselementen, insbesondere zur Sicherung von Spuren oder sonstiger konkreter Beweismittel für die 'Aufklärung des Unfallgeschehens' erforderlich sind (vgl. VwGH 27.10.1977, 2002/76, VwGH 13.3.1981, 02/2245/80 sowie VwGH 20.2.1991, 90/02/0152 mit Hinweis auf VwGH 15.5.1990, 89/02/0048). Gleich dem Fall eines bloßen sogenannten Parkschadens, war der Sachverhalt im Hinblick auf die Schadensregulierung auch in diesem Fall klar, sodass für das Schutzziel des § 4 Abs.1 lit.c StVO kein Raum mehr bleibt (vgl. auch h. Erk. vom 5.8.1999, VwSen-106532, 9.12.1999, VwSen-106717, sowie jüngst vom 10.2.2000, VwSen-106612). Die Mitwirkungspflicht besteht etwa dann, wenn einer der Unfallbeteiligten oder ein Organ der Straßenaufsicht diese verlangt. Im Ergebnis würde mit der von der Behörde erster Instanz zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht die Möglichkeit, die Meldepflicht (der hier nicht nachgekommen wurde) auch an einen Boten delegieren zu können, unterlaufen (wieder Messiner, StVO-Kommentar, S 128, E 228 u. VwGH 20.11.1991, 91/02/0094).

Letztlich ist hier der Tatvorwurf, der sich auf das Verlassen der Unfallstelle reduziert, an sich schon verfehlt, weil die Erfüllung der Meldepflicht im Falle der Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung (wie auch eines geparkten Fahrzeuges) geradezu zwingend ein Verlassen der Unfallstelle nach sich zieht. Ein generelles Verbleiben an der Unfallstelle bis zu einer sich dort (zufällig) ergebenden Möglichkeit einer Meldung und eine sich damit allenfalls auch zusätzlich einstellende Mitwirkungspflicht an der Sachverhaltsfeststellung ist schon dem Wortlaut des Gesetzes nicht abzuleiten. Insbesondere ist dort die rechtliche Schranke gezogen, als die Meldung die "ohne unnötigen Aufschub" zu erfolgen hat, durch ein untätiges Verharren an der Unfallstelle eben unnötig verzögert wird.

Der Meldepflicht wird jedoch - wie oben bereits dargelegt - nur dann entsprochen, wenn mit der Verständigung der Polizei- oder Gendarmeriebeamten oder hier auch des Straßenerhalters (wobei eine Verständigung einer Straßenmeisterei zur Nachtzeit in der Praxis nicht möglich sein dürfte) die Basis für die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten geschaffen wird, wobei - wie die Behörde erster Instanz zutreffend ausführte - im Falle der Beschädigung einer Verkehrsleiteinrichtung als lex spezialis § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.b StVO (anstatt der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO) anzuwenden ist.

Diese Voraussetzungen werden durch eine Meldung unter Angabe der Personalien des Beschädigers (des am Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Beteiligten), die genauen Angaben über Unfallort, Unfallzeit, des beschädigenden sowie beschädigten Objektes und der Unfallursache geschaffen.

Ob letztlich mit dem in der Strafverfügung der Behörde erster Instanz vom 17.3.1999 unter unzutreffender rechtlicher Subsumtion umschriebenen Tatverhalten eine die Verjährung unterbrechende taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 44a Z1 VStG gesetzt wurde und das hier im Punkt 2. der Strafverfügung umschriebene Tatverhalten im Straferkenntnis umsubsumiert werden hätte können, kann dahingestellt bleiben. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, dass hierbei eine jeweils auf den Einzelfall bezogene Beurteilung vorzunehmen ist. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob mit Blick auf den Tatvorwurf die Tatidentität so ausreichend bestimmt war, dass für den Beschuldigten die Verteidigungsmöglichkeit gewahrt und die Gefahr einer Doppelbestrafung ausgeschlossen werden kann (vgl. VwGH 20.10.1999, 99/03/0340, AW 99/03/0067-6). Zutreffend weist die Behörde erster Instanz im Vorlageschreiben in diesem Zusammenhang etwa darauf hin, dass es zur ausreichenden Umschreibung der Tatörtlichkeit nicht zwingend auch der Angabe der Fahrtrichtung bedarf.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum