Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105464/2/BI/FB

Linz, 18.01.1999

VwSen-105464/2/BI/FB Linz, am 18. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Dr. H S, A, R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E A, S, V, vom 2. März 1998 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. Dezember 1997, VerkR96-12221-1997, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zugestellt am 17. Februar 1998, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruchs mit der Maßgabe bestätigt wird, daß die Worte "handelsrechtlicher" und "Firma" sowie die Wortfolge "auf der A (W) in Fahrtrichtung W" zu entfallen haben, die Geldstrafe jedoch auf 700 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt wird.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 70 S; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967). Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 1.000 S (48 Stunden EFS) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG 1991 nach außen hin zur Vertretung berufene Organ der Firma Dr. S GesmbH, R, A, welche Zulassungsbesitzerin des PKW (D) ist, der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über Aufforderung (zugestellt am 21. August 1997) nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Auskunft darüber gegeben habe, wer den obgenannten PKW am 18. Juni 1997 um 10.44 Uhr auf der A (W) in Fahrtrichtung W gelenkt habe. Er habe auch die Person nicht benannt, die die gewünschte Auskunft erteilen könne. Er habe am 28. August 1997 lediglich mitgeteilt, daß sich die Personen, die als Lenker in Frage kommen würden, derzeit auf Urlaub befänden und daher eine Fristerstreckung erforderlich sei. Am 16. September 1997 sei "anher" mitgeteilt worden, daß nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden könne, wer am 18. Juni 1997 um 10.44 Uhr der Lenker des Fahrzeuges gewesen sei. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Vorwurf erfolge ihm gegenüber zu Unrecht, weil er pflichtgemäß mitgeteilt habe, daß er oder seine Gattin den PKW gelenkt hätten. Wäre ihm das beantragte Radarbild gezeigt worden, hätte er wegen der unterschiedlichen Körpergröße auch von hinten sagen können, wer der Lenker gewesen sei. In Deutschland bestehe keine geregelte Aufzeichnungspflicht und einem deutschen Staatsbürger könne nicht zugemutet werden, die österreichische oberstgerichtliche Judikatur zu kennen. Das Fahrzeug werde gemeinsam von den Eheleuten benützt, sodaß entweder er oder seine Gattin es damals gelenkt hätten. Die Unkenntnis der österreichischen gesetzlichen Bestimmung sei daher iSd § 5 VStG entschuldbar.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Laut Anzeige wurde am 18. Juni 1997 um 10.44 Uhr der deutsche PKW, Kz. , auf der W A bei km 237,900, Gemeinde S, in Richtung W fahrend mit einer Geschwindigkeit von 165 km/h gemessen, obwohl dort die auf österreichischen Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gilt. Nach Vornahme der in den Verwendungsbestimmungen für Radargeräte der Marke Multanova 6 F - im gegenständlichen Fall wurde jenes mit der Nr. 511 verwendet - vorgesehenen Toleranzabzüge wurde eine Geschwindigkeit von 157 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Laut Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg ist das Fahrzeug auf die Dr. S GesmbH, A, R, zugelassen.

An diese erging mit Schreiben der Erstinstanz vom 13. August 1997 das Ersuchen, als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens der anfragenden Behörde mitzuteilen, wer den PKW, Kz. , am 18. Juni 1997 um 10.44 Uhr gelenkt/verwendet habe. Mitgeteilt wurde auch die Geschwindigkeitsüberschreitung am oben angeführten Ort als Grund für die Anfrage und es wurde auch darauf hingewiesen, daß das Nichterteilen der Auskunft sowie das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei. Neben den möglichen vorgedruckten Antwortvarianten wurde der Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG 1967 zitiert und es wurde auch darauf hingewiesen, daß kein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe und österreichisches Recht zur Anwendung gelange. Laut Rückschein wurde das Schreiben am 21. August 1997 zugestellt. Mit Schreiben vom 28. August 1997 teilte Rechtsanwalt H W unter Berufung auf die Vollmacht der Dr. S GesmbH mit, die Personen, die als Fahrer in Betracht kämen, befänden sich derzeit auf Urlaub, sodaß eine Rücksprache nicht erfolgen könne und um Fristverlängerung bis 15. September 1997 ersucht werde. Mit Schreiben vom 16. September 1997 wurde mitgeteilt, der Wagen werde sowohl vom Geschäftsführer der Dr. S GesmbH, Dr. Hans S, als auch von seiner Gattin L S gefahren; es könne aber nicht mehr gesagt werden, wer zum angefragten Zeitpunkt das Fahrzeug geführt habe. Zwecks genauer Auskunft wurde um Überlassung des Radarfotos ersucht.

Daraufhin erging seitens der Erstinstanz die Strafverfügung wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 vom 7. Oktober 1997, VerkR96-12221-1-1997, die fristgerecht beeinsprucht wurde, und sodann ohne weiteres Verfahren das nunmehr angefochtene Straferkenntnis. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer... zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben der Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (vgl Erk v 31. Jänner 1996, 93/03/0156 ua). Daraus folgt, daß derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hat. Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr. 23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf die Dr. S GesmbH, deren zur Vertretung nach außen berufener Geschäftsführer der Rechtsmittelwerber ist, zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095 ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua). Dieser Rechtsprechung hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung - dh auch ausländischer KFZ - zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre.

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung der gewünschten Auskunft war unmißverständlich. Wenn der PKW von beiden Ehegatten im Zuge einer Urlaubsfahrt in Österreich gelenkt wurde, hätte sich der Rechtsmittelwerber, der als Geschäftsführer der Zulassungsbesitzerin Lenkerauskunft zu erteilen hat, vor Fahrtantritt über die von ihm im Ausland zu beachtenden Rechtsvorschriften informieren müssen, daß er, wenn er allein aus dem Gedächtnis heraus nicht imstande ist, Lenkerauskunft zu erteilen, zumindest in Österreich, wenn ihm in Deutschland solches nicht auferlegt ist, entsprechende Aufzeichnungen zu führen hat. Der Rechtsmittelwerber hat daher bei Nichterteilung der Auskunft schuldhaft gehandelt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Die Spruchkorrektur erfolgte, weil sich die Lenkeranfrage nicht auf den Ort des Lenkens, nämlich die A, Fahrtrichtung W, bezog und daher ein vorwerfbares Verhalten diesbezüglich nicht vorliegt. Im übrigen hat sich der Rechtsmittelwerber nie als "handelsrechtlicher" Geschäftsführer bezeichnet. Zum beantragten Radarbild ist zu sagen, daß dieses in Kopie der Berufungsentscheidung lediglich zur Information angeschlossen wird und den PKW aus einer Position zeigt, die ein Erkennen von Personen nicht ermöglicht. Das Vorbringen geht insofern ins Leere, als sich der Rechtsmittelwerber vor Fahrtantritt in Österreich über die hier für ihn maßgebenden Bestimmungen zu informieren hat, so auch über die Führung solcher Aufzeichnungen. Die rechtliche Aufklärung in der Lenkeranfrage war insofern rechtmäßig, als dem Rechtsmittelwerber dadurch noch vor Erteilung seiner letztlich als "Nicht-Auskunft" zu qualifizierenden Antwort die rechtlichen Konsequenzen einer solchen Vorgangsweise bewußt sein mußten. Auch über das Nichtbestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts im Hinblick auf ein eventuell bestehendes Verwandtschaftsverhältnis des Rechtsmittelwerbers zum möglichen Lenker wurde er vor Auskunftserteilung aufgeklärt. Aus diesem Grund wurde nämlich der letzte Satz der oben zitierten Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 in den Verfassungsrang - gemeint ist hier die österreichische Bundesverfassung - erhoben, wodurch ansonsten bestehenden Entschlagungsrechten derogiert wurde. Zur Strafbemessung ist auszuführen: Die Erstinstanz hat bei der Strafbemessung die finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers auf etwa 4.000 DM monatlich geschätzt, die Sorgepflicht für die Gattin und das Nichtbestehen von Vermögen angenommen. Dem wurde im Rechtsmittel nicht widersprochen, sodaß diese Schätzung auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt wird. Strafmildernd wurde zurecht die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Hingegen ist das "Vereiteln der Ahndung der Geschwindigkeitsüberschreitung" deshalb nicht als erschwerend anzusehen, weil dies als eine dem § 103 Abs.2 KFG immanente Konsequenz der Nichterteilung der Lenkerauskunft und vom Unrechtsgehalt miterfaßt ist. Der Wegfall dieses straferschwerenden Umstandes führte zur Herabsetzung der verhängten Strafe, wobei die Ersatzfreiheitsstrafe nach dem Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG (dieser sieht Geldstrafen bis zu 30.000 S bzw Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 6 Wochen vor) umzurechnen war.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers, liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und hält auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Selbst wenn diese Verwaltungsstrafe in Deutschland nicht vollstreckt werden sollte, rechtfertigt dies keineswegs eine Einstellung des Verfahrens allein aus dieser Überlegung heraus und ändert das auch nichts an ihrer Vollstreckbarkeit in Österreich. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung:

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