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VwSen-105469/4/Ga/Fb

Linz, 28.06.1999

VwSen-105469/4/Ga/Fb Linz, am 28. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des G M, vertreten durch Dr. M L, Rechtsanwalt in F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. April 1998, VerkR96-3067-1997-OJ/KB, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis (Faktum 2.) wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit dem bezeichneten Straferkenntnis vom 20. April 1998 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden (Faktum 2.), er habe sich am 4. Juli 1997 bis 17.00 Uhr am GPK G geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er zufolge näher angegebener Alkoholisierungsmerkmale verdächtig gewesen sei, ein durch das Kennzeichen bestimmtes Motorfahrrad in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Dadurch habe er § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei über ihn gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO eine Geldstrafe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 240 Stunden) kostenpflichtig zu verhängen gewesen.

Bereits in seiner Rechtfertigung hatte der Berufungswerber darauf verwiesen, daß, obwohl er sich bemüht habe, es ihm aber aufgrund seiner Verletzungen, insbesondere der starken Gehirnerschütterung nicht möglich gewesen sei, den Alkotest abzulegen und er vielmehr gezwungen gewesen sei, nach einigen Versuchen den Alkotest abzubrechen. Es könne ihm daher daraus kein Vorwurf gemacht werden, zumal es unter den gegebenen Umständen auch gar nicht zulässig gewesen sei, ihn zur Ablegung des Alkotestes zu veranlassen; vielmehr hätte er aufgrund seiner Verletzungen sofort ins Krankenhaus gebracht werden müssen.

Die Vernehmung des Meldungslegers als Zeugen ergab im wesentlichen, daß der Beschuldigte noch an der Unfallstelle wegen seiner Armverletzung - nicht wegen anderer Verletzungen - versorgt wurde, daß er wegen wahrgenommener Alkoholisierungssymptome zum Alkotest aufgefordert wurde und diesem auch zugestimmt und zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einwand wegen seiner Verletzung gemacht hat, daß die Rettungsmänner gegen eine "kleine Verzögerung" auf dem Weg (mit dem Rettungsfahrzeug) ins Krankenhaus nichts einzuwenden gehabt hatten, daß der Beschuldigte im Zuge des dann im Rettungsauto, auf Höhe des Postengebäudes, vorgenommenen Alkotestes zuerst vier Fehlversuche getätigt hat und sich erst im fünften Versuch der Meßwert von 1,12 mg/l ergab, worauf der Beschuldigte die Fortführung des Alkotestes mit der Begründung, er wolle nun nicht mehr, verweigert hat, wobei er zu diesem Zeitpunkt jedoch keine gesundheitlichen Gründe für die Verweigerung geltend gemacht hat.

Ohne weitere Erhebungen in Richtung der oben wiedergegebenen Verantwortung des Berufungswerbers aber erging daraufhin das angefochtene Straferkenntnis, in dessen Begründung allerdings auf den, freilich einen Bestandteil der Aktenlage bildenden, ärztlichen Aufnahmebefund des Unfallkrankenhauses Linz nicht eingegangen wurde. Die belangte Behörde faßte ihre Erwägungen zur Beweiswürdigung vielmehr dahin zusammen, daß aufgrund "der Feststellungen sowie der Auskünfte der Rettungsleute und der Tatsache," daß ein gültiges Meßergebnis erzielt worden sei, zweifelsfrei nur der Schluß gezogen werden könne, daß der Berufungswerber sehr wohl in der Lage gewesen sei, den Alkotest mittels Alkomat ordnungsgemäß durchzuführen, weshalb in der Rechtsbeurteilung daher der Verweigerungstatbestand als "hinlänglich erwiesen" anzunehmen sei.

Ohne darauf ausdrücklich einzugehen, hat die belangte Behörde - offenbar konkludent im Grunde des § 5 Abs.1 VStG - weiters auch angenommen, daß der Berufungswerber für sein Verweigerungsverhalten persönlich zurechenbar einzustehen habe.

Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat, nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt und ergänzenden Erhebungen iSd § 66 Abs.1 VStG, erwogen:

Im Hinblick auf die Verantwortung des Berufungswerbers, die durch die Aufnahmediagnose des Unfallkrankenhauses vom 4. Juli 1997 eine vorläufige Stütze fand, sah sich der Oö. Verwaltungssenat veranlaßt, zur Frage: "Wie ist im Hinblick auf die objektiv vorgelegenen Verletzungen des Berufungswerbers (Oberarmverletzung und Gehirnerschütterung) die Befähigung des Berufungswerbers zu beurteilen, auf der Fahrt ins Krankenhaus einen Alkotest 'ordnungsgemäß' abzulegen?" ein (auch vom Berufungswerber beantragtes) Aktengutachten eines medizinischen Amtssachverständigen einzuholen. Dieses Gutachten wurde mit folgendem Inhalt erstattet:

"BEFUND (aus den übermittelten Aktenunterlagen):

1. Beurteilungsrelevante Zeiträume anhand der vorliegenden Aktenunterlagen: Verkehrsunfall gegen 16.00 Uhr des 4. Juli 1997; Aufforderung zur Alkomatuntersuchung um 16.59 Uhr des 4. Juli 1997; stationärer Behandlungsbeginn im UKH Linz 17.17 Uhr des 4. Juli 1997;

2. Einzige medizinische Beurteilungsgrundlage: Verletzungsanzeige Unfallkrankenhaus Linz: Unfallzeit gegen 16.00 Uhr, Behandlungsbeginn 17.17 Uhr des 4. Juli 1997, Stationär vom 4. Juli bis 8. Juli 1997; der Patient erlitt als Mopedlenker einen Sturz, Verletzung im Bereich des linken Oberarms, Helm wurde getragen, Diagnosen: 1. Commotio cerebri (Gehirnerschütterung); 2. Rißquetschwunde über der linken Ellenbogen bzw. Oberarmregion;

Ein genauerer Befund bzw. Ergebnisbericht der Aufnahmeuntersuchung ist in dieser Verletzungsanzeige nicht dokumentiert;

BEURTEILUNG:

Im vorliegenden Fall liegt der beurteilungsrelevante Zeitraum fast zwei Jahre zurück, der Verkehrsunfall hat sich am 4. Juli 1997 ereignet. Grundsätzlich ist es aus medizinischer Sicht nachträglich nicht möglich, den tatsächlichen geistigen und körperlichen Zustand von G M zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Alkomatuntersuchung, nämlich um 16.59 Uhr des 4. Juli 1997, zu beurteilen. Es erfolgte die Aufforderung zur Alkomatuntersuchung laut Aktenunterlagen noch im Rettungswagen und über diesen Zeitpunkt liegen keinerlei medizinische Befundberichte vor. Die erste ärztliche Untersuchung wurde vermutlich erst nach der Aufnahme im UKH Linz durchgeführt, über dieses Ergebnis der Aufnahmeuntersuchung ist allerdings kein genauerer Befund in der Verletzungsanzeige dokumentiert und eine nachträgliche Befunderhebung könnte am ehesten noch durch Aussagen des damals mit der Aufnahmeuntersuchung betrauten Arztes eingeholt werden. Da der beurteilungsrelevante Zeitraum im vorliegenden Fall aber vor der Aufnahme bzw dem Behandlungsbeginn (17.17 Uhr laut Verletzungsanzeige) liegt, wird sich allerdings auch daraus nicht mehr exakt der Gesundheitszustand vorher, zum Zeitpunkt der Aufforderung um 16.59 Uhr, ableiten lassen.

Aus der aktenkundigen Verletzungsanzeige des UKH kann nachträglich aus medizinischer Sicht nur die Diagnose "Gehirnerschütterung" sowie "Rißquetschwunden über der linken Oberarmregion" abgeleitet werden. Ob G M überhaupt und in welcher Form er gesundheitlich beeinträchtigt oder eingeschränkt war, kann aus dieser Verletzungsanzeige nicht abgeleitet werden. Zugunsten von Herrn M muß aus medizinischer Sicht aber insofern vermerkt werden, daß eine stationäre Behandlung von 3 Tagen notwendig war, wenn auch nicht aus der Verletzungsanzeige ersichtlich ist, aus welchen Gründen bzw. aufgrund welcher genauer Beschwerden dieser stationäre Aufenthalt für notwendig erachtet wurde.

Grundsätzlich kann im nachhinein aus medizinischer Sicht bei diesen Diagnosen nicht ausgeschlossen werden, daß G M durch die Kombination von Gehirnerschütterung und Schmerzen in Verbindung mit der Oberarmverletzung möglicherweise so schwer beeinträchtigt war, daß ein Beblasen des Alkomaten bzw. die psychischen Voraussetzungen dafür (Auffassungsvermögen, Kritikvermögen etc.) beeinträchtigt waren."

Für den Oö. Verwaltungssenat hat das Gutachten, das keinen Widerspruch zum maßgeblichen Akteninhalt erkennen läßt und auch sonst schlüssig ist, schon deshalb mehr Gewicht in der Beweiswürdigung als die Vernehmung des Meldungslegers, weil die aus dem Blickwinkel der Schuldseite hier wesentliche Frage, ob dem Berufungswerber der Alkotest unter den obwaltenden Umständen überhaupt - als im Vollbesitz seiner, auch die Konsequenzen aus einer Verweigerung erfassenden psychischen Kräfte befindlich - zugemutet werden durfte, kein ausdrückliches Thema des Zeugenbeweises vor der belangten Behörde gewesen ist.

Ausgehend davon aber, daß das Gutachten in der Schlußfolgerung nach den Umständen dieses Falles eine Beeinträchtigung der psychischen Voraussetzungen beim Berufungswerber für die Durchführung des Alkotestes nicht für ausgeschlossen hält, war im Zweifel zu seinen Gunsten anzunehmen, daß sein Verweigerungsverhalten ihm nicht persönlich vorwerfbar ist. Aus diesem Grund durfte, wie sich nun herausgestellt hat, von der Erfüllung auch der subjektiven Tatseite im Berufungsfall nicht ausgegangen werden, weshalb wie im Spruch, ohne daß es noch einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätte, zu entscheiden war.

Dieses Verfahrensergebnis entbindet den Berufungswerber aus seiner Kostenpflicht. Im Interesse der Rechtssicherheit ist noch festzustellen, daß - zufolge unmißverständlicher Berufungserklärung - die Spruchpunkte 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen sind.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

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