Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105492/2/Fra/Ka

Linz, 18.05.1998

VwSen-105492/2/Fra/Ka Linz, am 18. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn N, vertreten durch die Rechtsanwälte A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 17.3.1998, betreffend Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insofern bestätigt.

II. Der Berufung wird im Strafausspruch insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 1.000 S herabgesetzt wird. Für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden festgesetzt. III. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu zahlen. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafe. Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG. zu II.: §§ 16 und 19 VStG. zu III.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 gemäß § 134 Abs.1 leg.cit. eine Geldstrafe von 1.500 S (EFS 36 Stunden) verhängt, weil er mit Ablauf des 9.12.1997 bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. als Zulassungsbesitzer des PKW, Kz.: , trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr., Zl. VerkR96-11677-1997, vom 21.11.1997, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilte, wer dieses Fahrzeug zuletzt am 23.10.1997 um 00.18 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben. I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG). I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

I.3.1. Aufgrund des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO 1960, begangen durch den Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kz.: am 23.10.1997 um 00.18 Uhr auf der Pyhrnautobahn A 9, km 59,150, Bosrucktunnel, Gemeinde Spital/Pyhrn, Bezirk Kirchdorf/Kr., Oberösterreich, in Richtung Linz, richtete die belangte Behörde mit Schreiben vom 21.11.1997 gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 an den nunmehrigen Bw, der Zulassungsbesitzer des oa Kraftfahrzeuges ist, eine Lenkererhebung. Diese wurde laut Zustellnachweis am 25.11.1997 zugestellt und durch den ausgewiesenen Vertreter mit Schreiben vom 7.12.1997 dahingehend beantwortet, daß er (der Bw) als Halter des betreffenden Fahrzeuges nach hs. (deutschem) Prozeßrecht auch für den Fall, daß er als Zeuge in Betracht zu ziehen wäre, ein Zeugnisverweigerungsrecht nach der Strafprozeßordnung in Anspruch nehme, weil für den Fall, daß es sich nicht um eine Fehlerfassung handelt, der betreffende PKW lediglich von einem direkten Familienmitglied gefahren sein könne. Trotz dieser Weigerung bitte er namens und im Auftrag seines Mandanten um Mitteilung des konkreten Tatvorwurfes oder um Übermittlung derjenigen Aktenbestandteile, aus denen hervorgehe, welche Übertretung seinem Mandanten oder dem jeweiligen Fahrer zur Last gelegt wird. Daraufhin erließ die belangte Behörde die Strafverfügung vom 17.12.1997, mit der sie dem Bw denselben Tatbestand wie im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis zur Last legte. Aufgrund des dagegen rechtzeitig erhobenen Einspruches wurde das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und mit dem angefochtenen Straferkenntnis abgeschlossen. In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung bringt der Bw durch seinen ausgewiesenen Vertreter vor, daß sein Mandant das betreffende Fahrzeug zum Vorfallszeitpunkt nicht geführt habe und er die geforderte Lenkerauskunft nicht habe erteilen können, weil er bei wahrheitsgemäßer Beantwortung einen nächsten Angehörigen hätte belasten müssen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht alleine das deutsche Recht betreffe und deshalb nicht zur Anwendung kommen könne, weil es sich beim Tatort um österreichisches Hoheitsgebiet handelt, gehe fehl und mißachte, daß auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) der Grundsatz zu beachten sei, daß kein Beschuldigter sich selbst zu belasten brauche und daß dieser Schutz auch für die nächsten Angehörigen wie für ihn selbst gelte. Das österreichische Recht könne nicht einerseits die Erleichterungen der europäischen Rechtsvereinheitlichung in Anspruch nehmen, in dem Straferkenntnisse auch hier in einem anderen Hoheheitsgebiet zugestellt und vollstreckt werden dürfen (Erweiterung der Strafgewalt), aber andererseits die bürgerlichen Schutzrechte des einen Hoheitsgebietes bei der Beurteilung desselben Sachverhaltes derart mißachten, daß diese Schutzrechte, die hier höchsten Verfassungsrang genießen, nicht mehr zur Anwendung gelangen können. I.3.2. Der unter dem oa Punkt festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskunft darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. Es ist unbestritten, daß der Bw die geforderte Auskunft nicht erteilt hat. Zu den von ihm vorgebrachten rechtlichen Argumenten wird ausgeführt: Vorerst ist der belangten Behörde recht zu geben, wenn sie darauf hinweist, daß der Tatort der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung in Österreich gelegen ist (vgl. näher das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.1.1996, Zl.93/03/0156), sodaß auch insoweit österreichisches Recht anzuwenden ist. Der Bw bringt hiezu vor, die belangte Behörde mißachte, daß nach der EMRK der Grundsatz zu beachten ist, daß kein Beschuldigter sich selbst zu belasten brauche und daß dieser Schutz auch für die nächsten Angehörigen wie für ihn selbst gelte. Dazu ist festzustellen, daß hinsichtlich des Problemes des Zwanges zur Selbstbezichtigung zunächst darauf hinzuweisen ist, daß diese aufgezeigte verfassungsrechtliche Diskrepanz auch in Österreich bestanden hatte (Durchbrechung des Anklageprinzips gemäß Art.90 Abs.2 B-VG), weshalb die bezüglichen Passagen des § 103 Abs.2 KFG 1967 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden und anschließend durch die 10. KFG-Novelle in den Verfassungsrang erhoben werden mußten. Mit der Frage, ob die Lenkererhebung mit der EMRK vereinbar ist, hat sich die Europäische Kommission für Menschenrechte in ihrer Entscheidung vom 11.10.1989, Zl.15226/89, befaßt. Diese Entscheidung, die zum Wiener Parkometergesetz ergangen ist, läßt sich auch auf die Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 übertragen. Die Kommission stellte fest, daß die Pflicht des Kraftfahrzeugzulassungsbesitzers, der Kraftfahrbehörde auf Verlangen den Namen und die Adresse derjenigen Person bekanntzugeben, der er das Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat, nicht gegen die Bestimmungen der EMRK verstößt. Was den angesprochenen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.5.1988 betrifft, ist festzustellen, daß nach Art.4 dieses Vertrages Amts- und Rechtshilfe nicht geleistet wird, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Staates unzulässig ist oder wenn die Erledigung des Ersuchens geeignet wäre, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu beeinträchtigen. Die Behörden der Bundesrepublik Deutschland können sich daher unter Berufung auf diesen Artikel ihrer grundsätzlichen Verpflichtung, bei der Vollstreckung solcher Straferkenntnisse Rechtshilfe zu leisten, entschlagen, weil die österreichische Regelung, die - wie oben dargelegt - selbst einen schwerwiegenden und daher verfassungsrechtlich gesondert abgesicherten Eingriff in verfassungsrechtliche Grundsätze darstellt, den in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen zuwiderläuft und daher einen Eingriff in die öffentliche Ordnung des ersuchten Staates bedeuten würde. Dies allerdings mit der Einschränkung, daß es sich um ein bloßes Vollstreckungshindernis handelt, das die Rechtmäßigkeit eines gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 ergangenen Straferkenntnisses nicht berührt. Weil sich somit aus den angeführten Gründen die Argumente des Bw als nicht zielführend herausstellten, war spruchgemäß zu entscheiden. zu II.: Strafbemessung:

Die Strafe ist nach den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes und den subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Übertretung im Sinne des § 19 VStG zu bemessen. Nach § 19 Abs.2 leg.cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Diese Abwägung hat die belangte Behörde unterlassen. Die Regelung des § 103 Abs.2 KFG 1967 dient einer geordneten und wirksamen Kontrolle des Straßenverkehrs. Die Nichtbefolgung dieser Bestimmung hat zur Folge, daß sowohl bei Verwaltungsübertretungen durch Kraftfahrzeuglenker als auch im Zusammenhang mit der Ausforschung von Zeugen und Straftätern geordnete und zielführende Amtshandlungen nicht möglich sind. Dieses Interesse wurde mit der Erfüllung des ggstl. Tatbestandes zweifellos gefährdet, weil das Grunddelikt nicht geahndet werden konnte. Zu berücksichtigen ist, daß der Bw verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist. Dieser Umstand wird als mildernd gewertet. Erschwerende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Strafe war daher aufgrund dieser schuldmindernden Aspekte auf das nunmehrige Ausmaß herabzusetzen. Die belangte Behörde hat mangels Angaben des Bw dessen soziale und wirtschaftliche Situation geschätzt. Der Bw hat dieser Schätzung im Berufungsverfahren nicht widersprochen. Es legt daher der O.ö. Verwaltungssenat diese Verhältnisse der Strafbemessung zugrunde.

zu III. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. F r a g n e r

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