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des Landes Oberösterreich
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VwSen-105515/8/Ki/Shn

Linz, 29.10.1998

VwSen-105515/8/Ki/Shn Linz, am 29. Oktober 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Alfred Z, vom 8. Mai 1998 gegen das Straferkenntnis der BH Schärding vom 7. April 1998, VerkR96-7214-1996, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 22. Oktober 1998 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 2 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Schärding hat mit Straferkenntnis vom 7. April 1998, VerkR96-7214-1996, über den Berufungswerber (Bw) 1) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen in Höhe von 1) 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und 2) 200 S (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden) verhängt, weil er am 12.10.1996 um ca. 17.53 Uhr das Kraftrad Suzuki mit dem deutschen Kennzeichen auf der Riedlbacher Bezirksstraße im Ortschaftsbereich Schörgeneck, Gemeinde Esternberg, auf Höhe des Straßenkilometers 7,3, lenkte wobei 1) er als Lenker eines Fahrzeuges verbotenerweise überholt hat, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten und 2) er als Lenker den Zulassungsschein des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges auf der Fahrt nicht mitgeführt und einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Verlangen nicht zur Überprüfung ausgehändigt hat. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 120 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis am 8. Mai 1998 schriftlich Berufung und bestritt die ihm zur Last gelegten Vorwürfe. I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, verbunden mit einem Ortsaugenschein, am 22. Oktober 1998. An der Berufungsverhandlung haben der Bw im Beisein seines Rechtsvertreters sowie ein Vertreter der Erstbehörde teilgenommen. Als Zeuge wurde der Meldungsleger einvernommen.

Den gegen den Bw erhobenen Vorwürfen liegt eine Anzeige des Gendarmeriepostens Münzkirchen zugrunde. Danach habe er zur vorgeworfenen Tatzeit den Suzuki-Kleinkraftroller mit dem genannten Kennzeichen vom Sportplatz Esternberg kommend, auf der Riedlbacher Bezirksstraße im Ortschaftsbereich Schörgeneck, Gd. Esternberg, in Richtung Münzkirchen und anschließend weiter auf dem Güterweg Kiesling in Richtung Schardenberg gelenkt, wobei er etwa auf Höhe km 7,3 der Bezirksstraße den Dienstkraftwagen des Gendarmeriebeamten überholte, obgleich rechts und links der Bezirksstraße PKWs geparkt waren, sodaß nur mehr ein Fahrstreifen frei war, und außerdem links noch ein Fußgänger in dieselbe Richtung unterwegs war und somit gefährdet wurde bzw er den Fahrzeugschein nicht mitführte. Der Meldungsleger stellte in der Anzeige fest, daß, da ein Fußballspiel kurz vorher beendet war, eine größere Anzahl von Besuchern zu Fuß zu ihren Kfz unterwegs gewesen seien und er deshalb nur langsam entlang fahren konnte, um diese als auch bereits bei PKWs ankommende Personen nicht zu gefährden. Es mußte auch damit gerechnet werden, daß unverhofft PKW-Türen geöffnet werden, da in einigen PKWs bereits Personen warteten. Während dieser Fahrt habe der Beamte im Rückspiegel plötzlich das Licht eines einspurigen Kraftfahrzeuges bemerkt. Obgleich er eine Geschwindigkeit von ca 35 km/h (laut Tacho) gefahren sei, habe der Lenker dieses einspurigen Kfz plötzlich zum Überholen angesetzt und sei ganz knapp (nur wenige Zentimeter Abstand zum Meldungsleger) an diesem sowie einem links nahe den geparkten PKWs gehenden Fußgänger vorbeigefahren. Bei der anschließenden Kontrolle hätten sich auch noch die weiteren Sachverhalte ergeben. Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung rechtfertigte sich der Bw dahingehend, daß der Gendarmeriebeamte mit seinem Dienstfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von maximal 10 km/h, allenfalls 15 km/h, vor ihm gefahren sei. Er habe ihn daraufhin mit seinem Roller ganz normal mit etwa einer Geschwindigkeit von 30 km/h überholt. Sonstige Fahrzeuge seien zum Vorfallszeitpunkt nicht unterwegs gewesen. Das Gendarmeriedienstfahrzeug sei ganz normal ohne Blaulicht gefahren. Zum Zeitpunkt des Überholens sei zwischen dem Polizeidienstfahrzeug und den linksseitig geparkten Autos ein Platz von ca 2-3 Meter vorhanden gewesen. Er habe während des Überholmanövers auch niemanden behindert, zum Vorfallszeitpunkt sei es noch hell gewesen.

Beim verwendeten Kraftrad handle es sich um ein in Deutschland führerscheinpflichtiges Moped. Der Bw habe dem Meldungsleger erklärt, daß es für das gegenständliche Fahrzeug keinen Fahrzeugschein gebe. Der Gendarmeriebeamte habe den Fahrzeugschein verlangt, er selbst habe ihm das Büchlein betreffend allgemeine Betriebserlaubnis gezeigt. Der als Zeuge einvernommene Gendarmeriebeamte verwies auf die umfangreichen Ausführungen in der Anzeige. Er führte aus, daß zum Vorfallszeitpunkt beiderseits der Fahrbahn Fahrzeuge geparkt gewesen wären. Er selbst sei im Schrittempo gefahren. Dabei habe er bemerkt, wie von hinten ein einspuriges Fahrzeug nachgekommen sei. Im nächsten Moment habe, obwohl auf der anderen Seite ein Fahrzeug war und auch Fußgänger unterwegs waren, der Bw überholt. Befragt, was er unter Schrittgeschwindigkeit verstehe, erklärte der Zeuge, daß er das Fahrzeug glaublich mit dem ersten oder zweiten Gang rollen ließ. Konfrontiert mit den Angaben in der Anzeige, wonach er ausgeführt hat, er sei 35 km/h gefahren, erklärte der Zeuge, daß er zu dem Zeitpunkt, als der Bw überholt hat, auf das Tacho geschaut und festgestellt habe, er sei 35 km/h gefahren. Er habe sich natürlich bei der Fahrt darauf konzentrieren müssen, einen entsprechenden Abstand zu den seitlichen Fahrzeugen einzuhalten, zumal durchaus unvermutet jemand die Türe hätte öffnen können. Auf Befragen erklärte der Zeuge, daß der Bw nicht besonders schnell unterwegs gewesen sei. Der Zeuge erklärte weiters, er habe vom Bw den Fahrzeugschein verlangt, glaublich habe dieser keine Papiere mitgehabt. Befragt, ob es sein könnte, daß ihm der Bw die Ablichtung oder einen Abdruck einer allgemeinen Betriebserlaubnis gezeigt habe, erklärte der Zeuge letztlich, daß er sich nicht erinnern könne, ob ihm dies vorgewiesen wurde oder nicht. Im Rahmen des Ortsaugenscheines wurde festgestellt, daß die Fahrbahn im Bereich des vorgeworfenen Tatortes ca 5,5 Meter breit ist. In der Mitte sind die Fahrstreifen durch eine Leitlinie geteilt, beiderseits der Fahrbahn befinden sich Rasenflächen. Weiters konnte festgestellt werden, daß im Bereich des vorgeworfenen Tatortes eine entsprechende Überholsicht gegeben wäre. Wie die vorhin erwähnten seitlich abgestellten Fahrzeuge tatsächlich aufgestellt waren, so sind die Aussagen des Bw einerseits und die des Meldungslegers andererseits etwas widersprüchlich.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat der Oö. Verwaltungssenat rechtlich wie folgt erwogen:

I.5.1. Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Dazu wird zunächst festgestellt, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Nach diesem Grundsatz ist das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen. Wenn sohin nach Durchführung der Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen. Die im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erfolgte zeugenschaftliche Aussage des Meldungslegers hat ergeben, daß dieser möglicherweise doch nicht mit 35 km/h sondern lediglich mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs gewesen ist. Diese Aussage deckt sich auch mit der Rechtfertigung des Bw. Geht man nun von dieser möglichen Annahme aus, der Meldungsleger sei doch bloß Schrittgeschwindigkeit gefahren, so ergibt sich, daß unter den zum Vorfallszeitpunkt konkret am Tatort herrschenden Bedingungen durchaus ein Überholvorgang durchführbar gewesen wäre, ohne daß es möglicherweise zu einer Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer gekommen wäre. Die Frage einer möglichen Gefährdung beim Überholen eines Fahrzeuges mit Schrittgeschwindigkeit ist doch anders zu beurteilen, als wenn zB ein mit größerer Geschwindigkeit fahrendes Fahrzeug überholt wird.

Nachdem somit unter Zugrundelegung der Aussage des Meldungslegers die dem Bw vorgeworfene Tat nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit als erwiesen angesehen werden kann, war nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" hinsichtlich Faktum 1 der Berufung Folge zu geben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

I.5.2. Gemäß § 102 Abs.5 lit.b KFG 1967 hat der Lenker auf Fahrten den Zulassungsschein oder Heereszulassungsschein für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug und einen mit diesem gezogenen Anhänger mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

Einem Zulassungsschein iSd zitierten Rechtsvorschrift ist grundsätzlich auch ein Fahrzeugschein iSd deutschen Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gleichzuhalten, weshalb der Lenker eines in der BRD zugelassenen Fahrzeuges wohl verpflichtet ist, diesen Fahrzeugschein mitzuführen und auf Verlangen iSd obzitierten Bestimmung des KFG 1967 auszuhändigen.

Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch unbestritten um ein Kleinkraftrad iSd StVZO, welches von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren ausgenommen ist (§ 18 Abs.2). Wer ein derartiges Fahrzeug führt, muß lediglich entweder die Ablichtung oder den Abdruck einer allgemeinen Betriebserlaubnis, oder die vorgeschriebene Übereinstimmungsbescheinigung für eine EG-Typengenehmigung, oder eine Betriebserlaubnis im Einzelfall bei sich haben und zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung aushändigen. Dies bedeutet im konkreten Fall, daß der Meldungsleger nicht berechtigt gewesen wäre, das Vorweisen bzw die Aushändigung des Fahrzeugscheines zu verlangen. Ob der Bw gegen die Bestimmungen der StVZO betreffend Mitführen von sonstigen Unterlagen für betriebserlaubnispflichtige Fahrzeuge zuwidergehandelt hat, kann überdies nicht erwiesen werden, zumal sich der Meldungsleger nicht mehr erinnern kann, ob ihm der Bw eine Ablichtung oder einen Abdruck einer allgemeinen Betriebserlaubnis gezeigt hat.

Nachdem der Bw die ihm unter Faktum 2 zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war auch in diesem Punkt der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilagen Mag. K i s c h Beschlagwortung: Fahrzeugschein nach dt. StraßenverkehrsZulassungs-Ordnung ist Zulassungsschein gleichzuhalten - Ausnahme betr. Fahrzeugschein gm. Straßenverkehrs-Zulassungsordnung

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