Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105573/16/Br/Bk

Linz, 05.06.2000

VwSen - 105573/16/Br/Bk Linz, am 5. Juni 2000

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn F , vom 28. Mai 1998, Zl. III/S 4.110/98-1, nach der am 14. Juli 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und nach Entscheidung über h. Antrag v. 20. Juli 1998, gemäß Art. 129a Abs.3 iVm Art. 89 Abs.2 und Art. 140 Abs.1 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof, vom 15. März 2000, G 211/98-9, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird und als Ort der Verweigerung "die Wohnung N" zu gelten hat.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 10.000 S und im Nichteinbringungsfall zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 3.2.1998 um 20.01 Uhr in L auf der N vor dem Haus Nr. den LKW mit dem Kennzeichen gelenkt und am 3.2.1998 um 20.07 Uhr in L auf der N vor dem Haus Nr. , trotz begründeter Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung (Geruch der Atemluft nach Alkohol, veränderter Gang, veränderte Sprache, gerötete Bindehäute) und trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hierzu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomat verweigert habe.

1.1. Die Erstbehörde ging in ihrer Entscheidung von der Lenkeigenschaft aus, wobei das Kraftfahrzeug vom Berufungswerber zumindest "ein Stück" gelenkt wurde, was auch der Fahrer des ESG-Busses zu bestätigen vermochte. Dabei habe der Berufungswerber, wie von den Meldungslegern wahrgenommen werden habe können, deutliche Alkoholisierungssymptome aufgewiesen.

2. In der dagegen fristgerecht - noch durch den damals ag. Rechtsvertreter - erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber im Ergebnis die Richtigkeit der von der Behörde erster Instanz getroffenen Feststellungen und machte diesbezüglich Verfahrensmängel geltend. Abschließend wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung beantragt. Ebenfalls wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vor Ort beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Ferner durch Vernehmung der Zeugen Insp. W und Insp. K, sowie durch die Vernehmung des Berufungswerbers anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine Berufungsverhandlung war hier gesetzlich bedingt durchzuführen (§ 51 Abs.1 VStG).

Da der Oö. Verwaltungssenat angesichts des als erwiesen zu erachtenden Sachverhaltes Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Anwendungsaus-schlusses des § 21 VStG durch die Gesetzesbestimmung des § 100 Abs.5 StVO 1960 hegte, wurde ein Antrag auf Gesetzesprüfung gestellt, welcher mit dem o.a. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gefolgt wurde.

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

5.1. Auf Grund des in der am 14. Juli 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses stellt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt so dar, dass sich der Berufungswerber nachdem er in der Wohnung zu Abend gegessen und dabei auch Alkohol konsumiert hatte - zu seinem vor dem Haus abgestellten Fahrzeug begab, um aus diesem etwas zu holen. Dabei war er mit einem Pyjama bekleidet und hatte glaubhaft nicht die Absicht das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen oder zu lenken. Der Berufungswerber bestreitet nicht seine damalige Alkoholisierung. Beim Fahrzeug angekommen, wurde er mit dem Umstand konfrontiert, dass ein Linienbus, insbesondere wegen eines anderen nächst seinem Fahrzeug ungünstig abgestellten Fahrzeuges, die eingangs bezeichnete Straßenstelle nicht passieren konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Fahrer des Linienbusses bereits die Polizei verständigt gehabt. Der Berufungswerber erklärte sich nach einer kurzen und angeblich etwas emotional verlaufenen Interaktion mit dem Busfahrer bereit, mit seinem Fahrzeug einige Meter wegzufahren, um dem Bus die Vorbeifahrt zu ermöglichen. Dies tat er offenkundig aus Gefälligkeit, wobei er den Lkw einige Meter weit nach vorne bewegte. Anschließend verbrachte er noch einige Minuten beim Fahrzeug um danach zu suchen, was der Grund für den Gang zum Fahrzeug gewesen war.

Zwischenzeitig traf die vom Busfahrer offenbar bereits vorher verständigte Funkstreifenbesatzung ein. In der Folge kam es gegen den Berufungswerber angesichts der oben beschriebenen "Bewegung" des Kraftfahrzeuges zur Amtshandlung wegen des Verdachtes des alkoholisierten Lenkens des Kraftfahrzeuges. Im Zuge der Anwesenheit der Polizeibeamten bei seinem Fahrzeug, fuhr der Berufungswerber dann noch einige Meter weit, um das Fahrzeug in eine bessere Abstellposition zu bringen. Da der Berufungswerber seinen Führerschein in der Wohnung hatte, wurde er von den Polizeibeamten dorthin begleitet und dort (nicht auf der Straße) auch zur Ableistung der Atemluftuntersuchung auf der nächsten Polizeidienststelle aufgefordert. Dieser Aufforderung kam der Berufungswerber mit der glaubwürdig zu erachtenden Begründung nicht nach, dass er in seinem Verhalten (der "Bewegung" des KFZ) kein Lenken erblickte und er sich daher zur Befolgung der Aufforderung, sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen, nicht verpflichtet sah. Auf die Rechtsfolgen einer solchen Verhaltensweise (einer Verweigerung) wurde er von den einschreitenden Beamten hingewiesen. Mit diesem Verhalten erfüllte der Berufungswerber objektiv daher den Verweigerungstatbestand. Der 65-jährige Berufungswerber war zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung völlig unbescholten.

5.2. Der Berufungswerber machte im Rahmen der Berufungsverhandlung einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. Seine Ausführung hinsichtlich des Fehlens jeglicher Lenkabsicht in der Substanz sind zweifelsfrei nachvollziehbar. Dies ist insbesondere angesichts des Umstandes belegt, dass der Berufungswerber einen Pyjama trug und ihm nicht zuzusinnen ist, dass er in dieser Kleidung eine Fahrt hätte unternehmen wollen.

Dies führt zur Schlussfolgerung, dass die dem Berufungswerber nachgewiesene "Fahrt" im Tatunwert atypisch weit hinter jenem Ausmaß zurückbleibt, welcher mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand bzw der Vereitelung einer diesbezüglichen Beweisführung in aller Regel einhergeht. Dabei wird nicht übersehen, dass im Fall der Verweigerung die Umstände des Lenkens unbeachtlich bleiben, da selbst schon der Verdacht des Lenkens die Pflicht zur Atemluftuntersuchung auslöst. Selbst wenn sich der Verdacht des Lenkens nicht erhärtet hätte, wäre damit der Verweigerungstatbestand ebenso gesetzt worden (VwGH 23.2.1996, 95/02/0567).

Dennoch erblickt der Oö. Verwaltungssenat im Umstand der fehlenden Absicht mit dem Fahrzeug wegzufahren, das Verhalten des Berufungswerbers mit einer typischen Alkofahrt in derem objektiven Unwertgehalt selbst nicht annähernd vergleichbar. Dies trifft auch für die Verweigerung zu.

6. Rechtlich hat der Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Der § 5 Abs.2 StVO (i.d.F der 19. Novelle) lautet:

"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder ....."

Die Verpflichtung dieser Personen sich der Untersuchung zu unterziehen, ist im § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 normiert.

Die Untersuchung ist grundsätzlich mittels Alkomat vorzunehmen.

6.2. Selbst mit der Anwendung des § 20 VStG würde mit der Mindeststrafe von 4.000 S immer noch eine der Tatschuld unangemessen hohe Bestrafung erfolgen.

Durch § 100 Abs.5 StVO - in der vor VfGH v. 15.3.2000, G211/98-9 - anzuwendenden Fassung war bei Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs.1, 2 oder 2a die Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen.

Die Behörde kann (und hat) demnach ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Wie oben schon dargelegt und insbesondere auch im Antrag an den Verfassungsgerichtshof bereits ausgeführt, erachtet hier der Oö. Verwaltungssenat die Tatschuld an der Verweigerung insofern als geringfügig, als der Berufungswerber aus seiner subjektiven Sicht in nachvollziehbarer Weise von keiner Lenkeigenschaft ausging. Aus der Sicht des Betroffenen ist es daher durchaus nachvollziehbar, dass er angesichts einer nicht vordergründig einleuchtenden Grundlage für einen Alkotest nicht geneigt gewesen sein mag. Es konnten somit objektiv besehen mit der Verweigerung in Wahrheit auch keine nachteiligen Folgen verbunden gewesen sein. Da die Atemluftuntersuchung nicht als Selbstzweck, sondern letztlich im Kontext mit einem 'Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und was unter Lenken allgemein verstanden zu werden pflegt' in Beziehung zu setzen ist, fällt dieses Beziehungsgefüge im Falle des Nachweises des Bewegens eines Fahrzeuges im Ausmaß von einigen Metern in einer Parklücke in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand weg. Das Absehen von einer Bestrafung scheint hier im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit geboten. In dem im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellten geringen Verschulden und wegen der offenkundig fehlenden Alkoholisierung fehlenden nachteiligen Tatfolgen, besteht auf die Anwendung des § 21 VStG letztlich ein Rechtsanspruch der im Sinne der nunmehr anzuwendenden Rechtslage nicht vorenthalten werden durfte (VwGH 13.12.1990 90/09/0141 und VwGH 27.2.1992, 92/02/0033 mit Hinweis auf VfGH v. 15.3.2000, G 211/98-9).

Mit dem zuletzt zit. Erkenntnis hob der Verfassungsgerichthof diese Bestimmung als verfassungswidrig auf, sodass für den nunmehr verfahrensgegenständlichen Anlassfall der § 21 VStG zur Anwendung gelangen kann und auf Grund der antragsspezifischen Sachverhaltsbeurteilung auch anzuwenden ist.

Nach § 31 Abs.3 iVm § 51 Abs.7 VStG wurde während der Anhängigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens die h. Entscheidungsfrist unterbrochen und ist diese daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gewahrt.

Die Spruchänderung diente der genaueren Tatumschreibung iSd § 44a Z1 VStG. Dieses Beweisergebnis wurde dem Bw noch binnen der offenen Verfolgungsverjährungsfrist zugänglich und war demnach iSd Beweisergebnisses zu korrigieren. 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Tatfolgen, Verschulden, Absehen von Bestrafung

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