Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230818/2/Gf/An

Linz, 26.08.2002

VwSen-230818/2/Gf/An Linz, am 26. August 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des H W, U, E, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 23. Juli 2002, Zl. Sich96-361-2002, wegen einer Übertretung des Passgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und stattdessen eine Ermahnung erteilt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es in dessen Überschrift anstelle von "Straferkenntnis" numehr "Ermahnung" zu heißen und an die Stelle der Passage "Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt: ..... Bei Verzug muss damit gerechnet werden, dass der Betrag - ohne vorhergehende Mahnung - zwangsweise eingetrieben und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird." die Wendung "Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird Ihnen gemäß § 21 Abs. 1 VStG eine Ermahnung erteilt." zu treten hat.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 23. Juli 2002, Zl. Sich96-361-2002, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt, weil er am 10. März 2002 anlässlich der Einreise in das Bundesgebiet an der Grenzkontrollstelle A kein gültiges Reisedokument mit sich geführt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 2 Abs. 1 des Passgesetzes, BGBl.Nr. 839/1992, i.d.F. BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: PassG), begangen, weshalb er nach § 24 Abs. 1 Z. 1 PassG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 26. Juli 2002 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4. August 2002 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass der Rechtsmittelwerber gar nicht bestreite, am Vorfallstag von der BRD aus kommend ohne Reisepass in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Seine Verantwortung, dass er den Grenzkontrollorganen ohnehin bekannt sei, könne jedoch ein derartiges Zuwiderhandeln nicht rechtfertigen.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige einschlägige Unbescholtenheit als mildernd zu berücksichtigen gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; infolge unterlassener Mitwirkung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse von Amts wegen zu schätzen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, dass er ca. 300 bis 500 Meter vor der österreichischen Grenze sein Fahrzeug gewechselt und im ersteren seinen Reisepass vergessen habe. Er konnte jedoch seinen Führerschein vorweisen. Dennoch sei ihm vom Grenzkontrollorgan untersagt worden, zurückzugehen und sich den Reisepass aus dem anderen Fahrzeug zu holen.

Mangels Verschulden wird daher - erschließbar - die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Schärding zu Zl. Sich96-361-2002; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt sowie von den Verfahrensparteien ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 PassG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen, der bei der Einreise in das Bundesgebiet keinen Reisepass mit sich führt.

4.2. Vorliegend steht allseits unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer am Vorfallstag bei seiner Einreise in das Bundesgebiet über keinen Reisepass verfügte und er damit tatbestandsmäßig im Sinne der vorzitierten Strafbestimmung gehandelt hat.

Fraglich könnte daher allenfalls sein, ob diese Vorschriften im Widerspruch zu Art. 62 Z. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EGV) stehen, wonach der Rat der EU innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam Maßnahmen zu beschließen hat, die sicherstellen, dass Personen beim Überschreiten der Binnengrenzen nicht kontrolliert werden.

Der Vertrag von Amsterdam ist am 1. Mai 1999 in Kraft getreten (vgl. BGBl. III 83/1999 und I 65/1999); die in Art. 62 Z. 1 EGV vorgesehenen Maßnahmen des Rates wurden bislang noch nicht gesetzt.

Unabhängig davon berührt aber nach allgemein herrschender Auffassung die Verpflichtung zur Beseitigung der Kontrollen und Formalitäten im Personenverkehr an den Binnengrenzen weder die Ausübung polizeilicher Befugnisse der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates noch die im jeweiligen nationalen Recht vorgesehenen Vorschriften über den Besitz und das Mitführen von Urkunden und Bescheinigungen (vgl. W. Brechmann, in: Callies - Ruffert [Hrsg.], Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Luchterhand 1999, RN 5 zu Art. 64 EGV, m.w.N.).

Wenn daher § 2 Abs. 1 PassG selbst für Grenzübertritte zwischen EU-Staaten nach wie vor eine Passpflicht vorsieht, steht diese Bestimmung sohin im Widerspruch zu Art. 62 Z. 1 EGV.

Der Beschwerdeführer hat daher im Ergebnis tatbestandsmäßig gehandelt.

4.3.1. Auf der Ebene des Verschuldens ist zunächst darauf hinzuweisen, dass jedenfalls seit dem 22. März 1998 (vgl. T. Schindler - P. Widermann - U. Wimmer-Heller - B. Körner, Fremdenrecht, Loseblattausgabe seit 1995, Bd. 2, Teil II, Abschnitt 1, vor Sch 1.1) tatsächlich keine Kontrolle an den Binnengrenzen mehr stattfindet; dies gilt nicht nur für den Straßen- und Schienen-, sondern sogar für den (Binnen-)Luftverkehr.

Stellt damit aber § 2 Abs. 1 PassG seit geraumer Zeit (41/2 Jahre) infolge Nichtanwendung faktisch "totes Recht" dar, kommt damit das Nichtwissen um die Strafbarkeit eines Binnen-Grenzübertrittes ohne Reisepass einem unverschuldeten Rechtsirrtum i.S.d. § 5 Abs. 2 VStG gleich; dies insbesondere auch deshalb, weil ein Sinn dieser auch in Bezug auf EU-Staaten weiterhin aufrecht erhaltenen Vorschrift für den Durchschnittsbürger nicht ohne weiteres einsichtig ist.

Anderes könnte zwar für Personen gelten, die im Grenzgebiet leben und die Binnengrenze - wie hier ("Ich fahre jeden Tag von Österreich nach Deutschland") - "gewohnheitsmäßig" überschreiten, wenn und soweit diese bereits dezidiert auf ihr unrechtmäßiges Verhalten hingewiesen wurden. Derartiges kann jedoch dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt nicht entnommen werden, im Gegenteil: Daraus ergeben sich lediglich einige Bestrafungen wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes in geringfügiger Höhe.

Das Verschulden des Rechtsmittelwerbers ist daher insgesamt besehen als geringfügig zu qualifizieren.

4.3.2. Im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass der Rechtsmittelwerber seinen Führerschein bei sich hatte und diesen dem einschreitenden Sicherheitsorgan auch vorwies (die belangte Behörde ist dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen im Zuge der Aktenvorlage nicht entgegengetreten).

Ein derartiges Dokument kommt aber einem "Personalausweis" (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Personenverkehr, BGBl.Nr. 329/1969) bzw. einer "Grenzkarte" (vgl. Art. 2 des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Kleinen Grenzverkehr, BGBl.Nr. 167/1988) oder ähnlichen Ausweispapieren, die auf Grund der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 2 PassG in gleicher Weise wie ein Reisepass ein rechtmäßiges Überschreiten der Binnengrenze zur BRD ermöglichen, ohnehin schon sehr nahe.

Die Folgen der Übertretung sind daher offenkundig unbedeutend.

4.4. Gesamthaft betrachtet liegen damit aber die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 Abs. 1 VStG vor, wobei der Beschuldigte auf ein derartiges Vorgehen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen Rechtsanspruch hat.

4.5. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als von der Verhängung einer Strafe abzusehen und stattdessen bloß eine Ermahnung zu erteilen war; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es in dessen Überschrift anstelle von "Straferkenntnis" numehr "Ermahnung" zu heißen und an die Stelle der Passage "Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt: ..... Bei Verzug muss damit gerechnet werden, dass der Betrag - ohne vorhergehende Mahnung - zwangsweise eingetrieben und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird." die Wendung "Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird Ihnen gemäß § 21 Abs. 1 VStG eine Ermahnung erteilt" zu treten hat.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

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