Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105618/11/Sch/Rd

Linz, 27.10.1998

VwSen-105618/11/Sch/Rd Linz, am 27. Oktober 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau Mag. Svetlana H vom 8. Juni 1998, vertreten durch die Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. Mai 1998, III/S 38696/96 V1S SE, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 16. Oktober 1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren eingestellt. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt.

II. Insoweit der Berufung Folge gegeben wurde (Faktum 1) entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge. Unbeschadet dessen ist bezüglich des abweisenden Teils der Berufungsentscheidung ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren in der Höhe von insgesamt 820 S (20 % der diesbezüglich verhängten Geldstrafen) zu leisten. Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 19 bzw 45 Abs.1 Z3 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 18. Mai 1998, III/S 38696/96 V1S SE, über Frau Mag. Svetlana H, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 19 Abs.4 iVm § 19 Abs.7 StVO 1960, 2) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 3) § 4 Abs.5 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.300 S, 2) 2.800 S und 3) 1.300 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 36 Stunden, 2) 120 Stunden und 3) 24 Stunden verhängt, weil sie am 5. November 1996 gegen 14.15 Uhr in Linz, Kreuzung Dinghoferstraße/Volksfeststraße, den PKW mit dem Kennzeichen gelenkt und 1. trotz des Vorschriftszeichens "HALT" den Vorrang eines Fahrzeuges verletzt habe, weil dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen seines Fahrzeuges genötigt worden sei, 2. es als Lenkerin dieses KFZ unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten, 3. es als Lenkerin dieses KFZ unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben sei. Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 540 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zum stattgebenden Teil der Berufung (Faktum 1): Die Berufungsbehörde hat über entsprechende Anfrage hin vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz die Mitteilung erhalten, daß das in Spruchpunkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Vorschriftszeichen "HALT" nicht verordnet sei. Die Mißachtung dieses Vorrangzeichens vermag daher mangels entsprechender Verordnung (vgl. §§ 43 Abs.1 lit.b bzw 44 Abs.1 zweiter Satz StVO 1960) keine verwaltungsstrafrechtlichen Folgen nach sich zu ziehen.

Im Zusammenhang mit den Übertretungen der §§ 4 Abs.1 lit.a und 4 Abs.5 StVO 1960 ist nachstehendes auszuführen:

Voraussetzung für die Anhaltepflicht nach § 4 Abs.1 lit.a und der Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO 1960 ist nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände (Anstoßgeräusch, ruckartige Anstoßerschütterung) zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (VwGH 6.7.1984, 82/02A/0072).

Der Lenker eines Fahrzeuges kommt seiner Anhaltepflicht nicht schon dadurch nach, daß er das Fahrzeug kurzfristig an der Unfallstelle zum Stillstand bringt, im übrigen aber - ohne auszusteigen und ohne zwingenden Grund - mit dem Fahrzeug die Unfallstelle wieder verläßt (VwGH 12.9.1984, 83/03/0365).

Wenn die Berufungswerberin bestreitet, von einem Verkehrsunfall etwas bemerkt zu haben, so müssen ihr die nach der Beweislage gegebenen Umstände des Falles entgegengehalten werden. Sie wollte zum Vorfallszeitpunkt die Kreuzung Volksfeststraße/Dinghoferstraße in gerader Richtung übersetzen. Es gelang ihr, vorerst in die Kreuzung etwa zur Hälfte einzufahren, da dies das Verkehrsaufkommen auf dem ersten Fahrstreifen der Dinghoferstraße zuließ. Am zweiten Fahrstreifen passierte in der Folge die Lenkerin eines PKW die Kreuzung im Sinne der Dinghoferstraße. Während wie bereits erwähnt die Rechtsmittelwerberin behauptet, von einem Anstoß an dieses Fahrzeug nichts bemerkt zu haben bzw daß ein solcher nicht stattgefunden habe, so hat die bei der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich einvernommene andere Fahrzeuglenkerin glaubwürdig angegeben, ein Anstoßgeräusch wahrgenommen zu haben. Auch der zweite einvernommene Zeuge, ein Fußgänger, der zum Vorfallszeitpunkt auf dem Gehsteig der Volksfeststraße unterwegs war, gab an, ein "metallisches Krachen" gehört zu haben. Er habe keinerlei Zweifel gehabt, daß dieses Geräusch nur vom Zusammenstoß der beiden erwähnten Fahrzeuge stammen konnte. Sowohl die erste erwähnte Zeugin als auch der genannte Fußgänger haben Schäden am Fahrzeug der Zeugin registiert und bei der Verhandlung geschildert. Die beiden Zeugenaussagen gehen zwar in einem Punkt auseinander, nämlich im Hinblick auf die Person des Lenkers des zweitbeteiligten Fahrzeuges. Während sich die Zeugin als Lenkerin bezeichnet hat, sei nach Angaben des Zeugen eine Person männlichen Geschlechts Lenker gewesen (er war tatsächlich der Beifahrer). Es ist allerdings nicht lebensfremd anzunehmen, daß aufgrund des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes beim Zeugen diesbezüglich das Erinnerungsvermögen nicht mehr gänzlich gegeben war. Alleine deshalb sind seine Angaben keinesfalls unschlüssig bzw ist seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.

Nach der Beweislage ist die Berufungswerberin in der Folge von der Unfallstelle weggefahren, was sie auch nicht bestritten hat, wenngleich sie sich - nach ihren Angaben - nicht als Beteiligte an einem Verkehrsunfall gesehen hatte. Nachdem sich der oben erwähnte Zeuge das Fahrzeugkennzeichen der Berufungswerberin eingeprägt und der Zweitbeteiligten bekanntgegeben hat, wurde sie in der Folge ausgeforscht.

Sohin wurden von zwei Zeugen Wahrnehmungen in bezug auf ein Anstoßgeräusch gemacht, weshalb es für die Berufungsbehörde nicht glaubwürdig erscheint, daß nicht auch die Berufungswerberin selbst vom Anstoß etwas bemerkt hat. Aber selbst wenn man vom Gegenteil ausginge, etwa weil andere Geräusche ihre Wahrnehmungsmöglichkeiten beschränkt hatten, so kann nach den Umständen des Vorfalles dann nur ein minderes Maß an Aufmerksamkeit dazu geführt haben. Immerhin war sie mit dem Fahrzeug der Zweitbeteiligten in einem Winkel von 90 Grad und nur getrennt durch den Vorderbereich ihres Fahrzeuges, also in einem sehr geringen Abstand direkt vor ihr, konfrontiert. Es handelt sich dabei zweifelsfrei um den typischen naheliegenden Wahrnehmungsbereich eines Fahrzeuglenkers.

Die Berufungsbehörde ist daher ausgehend von der gegebenen Beweislage und der zitierten einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Ansicht gelangt, daß der Verkehrsunfall von der Berufungswerberin bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerkt werden müssen und daß ihr Anhaltevorgang im Kreuzungsbereich nicht als "Anhalten" im rechtlichen Sinne des § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 zu werten war. Weitere Beweisaufnahmen, insbesondere die Einholung eines Gutachtens eines technischen Sachverständigen, waren daher entbehrlich; abgesehen davon hat die Erstbehörde ein solches Gutachten eingeholt und ist der Sachverständige zu der Aussage gelangt, daß die Anstoßstellen der beiden Fahrzeuge entgegen der Behauptung der Berufungswerberin sehr wohl korrespondieren.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken: Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 ist ein mehrfacher. Insbesondere sollen hiedurch mögliche weitergehende Folgen eines Verkehrsunfalles hintangehalten, die Ursachen eines solchen möglichst umgehend ermittelt werden können, aber auch soll ein Unfallgeschädigter in die Lage versetzt werden, ohne unverhältnismäßigen Aufwand davon Kenntnis zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen haben wird. Der Unrechtsgehalt von Übertretungen des § 4 StVO 1960 muß daher als erheblich angesehen werden, worauf bei der Strafbemessung anhand der Kriterien des § 19 Abs.1 VStG Bedacht zu nehmen ist.

Die von der Erstbehörde verhängten Geldstrafen in der Höhe von 2.800 S bzw 1.300 S können anhand der obigen Erwägungen nicht als überhöht angesehen werden. Sie sind im unteren Bereich der jeweiligen Strafrahmen von 500 S bis 30.000 S (Faktum 2) bzw von bis zu 10.000 S (Faktum 3) angesetzt.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit wurde berücksichtigt, Erschwerungsgründe lagen nicht vor.

Von der Berufungswerberin wurde in Abrede gestellt, daß sie über das von der Erstbehörde angenommene monatliche Einkommen von 10.000 S verfüge. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß von jedermann, der als Fahrzeuglenker am Straßenverkehr teilnimmt, auch erwartet werden muß, daß er in der Lage ist, Verwaltungsstrafen, allenfalls im Ratenwege, zu bezahlen. Dem Gesetz ist eine Bestimmung fremd, wonach etwa über einkommenslose Hausfrauen nur "symbolische" Strafen verhängt werden dürften.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

S c h ö n

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