Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105645/2/BI/KM

Linz, 10.08.1998

VwSen-105645/2/BI/KM Linz, am 10. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Franz SONNLEITNER, 4582 Spital/Pyhrn Nr. 28, vom 3. Juli 1998 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 22. Juni 1998, VerkR96-7847-1997, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG, §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, §§ 100 2. Satz iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben genannten Straferkennntis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 100 2. Satz iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 3.000 S (3 Tage EFS) und 2) 500 S (1 Tag EFS) verhängt, weil er am 29. Juni 1997 um 23.25 Uhr den LKW, Kz., auf der B von Kirchdorf/Krems Richtung I, StrKm 29,830 bis 29,100, gelenkt habe, wobei er 1) als Lenker eines Fahrzeuges beim Fahren hinter dem nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre, weil er nicht den geforderten Sicherheitsabstand, mindestens den Reaktionsweg, eingehalten habe, und 2) vorschriftswidrig Blinkzeichen abgegeben habe. Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 350 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht - ein Rückschein liegt dem erstinstanzlichen Verfahrensakt nicht bei, sodaß im Zweifel von der Rechtzeitigkeit der Berufung auszugehen war - Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er könne nicht nachvollziehen, am angegebenen Tatort zu dieser Zeit einen vor ihm fahrenden Lenker mit Lichtzeichen attakiert und ihn durch ein so durchgeführtes Überholmanöver genötigt oder gefährdet zu haben. Die Angaben des Lenkers und der Beifahrerin seien widersprüchlich, weshalb er die Einstellung des Verfahrens beantrage.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, daß Erdmann Näther am 29. Juni 1997 gegen 23.50 Uhr dem Meldungsleger AI S, der sich zusammen mit einem weiteren Gendarmeriebeamten auf Streife befunden hat, angezeigt hat, daß der Lenker des Sattelzuges, Kz. , als er seinen PKW, Kz. (D), auf der B von K Richtung Autobahnzubringer I gelenkt habe, hinter ihm teilweise so dicht auffahrend gefahren sei, daß er eine Berührung der beiden Kraftfahrzeuge befürchtet habe. Der Lenker des Sattelzuges habe außerdem laufend die Lichthupe benutzt, als hätte er ihn von der Straße jagen wollen. Auf dem geraden Straßenstück vor der Autobahnauffahrt habe dieser dann seinen PKW überholt und dabei so geschnitten, daß er eine Vollbremsung einleiten und auf das Straßenbankett ausweichen habe müssen, da es sonst zu einem Auffahrunfall gekommen wäre. Die Beifahrerin im PKW N, C D, hat sich dieser Anzeige angeschlossen.

Als Zulassungsbesitzer des Sattelzuges wurde der Rechtsmittelwerber erhoben und hat dieser im Rahmen der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 sich selbst als Lenker zum damaligen Zeitpunkt bezeichnet, aber ausgeführt, so ein Vorfall sei ihm nicht bekannt, jedoch sei beim LKW, Renault AE, die Fahrerhauskabine und die Beleuchtung höher angesetzt und es könne deshalb der Eindruck des knappen Nachfahrens entstehen.

E N hat bei seiner Einvernahme beim Polizeiposten G angegeben, er habe sich an die dortige Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h gehalten und der LKW habe aufgeschlossen, müsse also demnach schneller als 60 km/h gefahren sein. Der Lenker habe sich durch mehrmalige Betätigung der Lichthupe bemerkbar gemacht und zwar über einen Zeitraum von mindestens 3 Minuten, wobei er einen Nachfahrabstand von ca. eineinhalb PKW-Längen, gemessen am PKW des Anzeigers, eingehalten habe. Dann habe er zum Überholen angesetzt, sei auf dem beinahe gerade verlaufenden Straßenstück auf die Überholspur gefahren und habe, als sich das Ende der Zugmaschine auf Höhe der PKW-Front befunden habe, auf den rechten Fahrstreifen ausgeschert. Dadurch habe er selbst den PKW bis zum Stillstand stark abbremsen und an den äußerst rechten Fahrbahnrand ausweichen müssen, allerdings ohne Vollbremsung mit Blockierspur. Er glaube, der LKW-Lenker habe ihn absichtlich geschnitten; er und seine mitfahrende Freundin hätten sich gefährdet gefühlt. Durch das dichte Auffahren wäre dem Lenker ein Bremsen nicht möglich gewesen, wenn er selbst bremsen hätte müssen. Der LKW sei dann an einer Straßengabelung links abgebogen. Er selbst habe die Autobahn bei der nächst möglichen Abfahrt verlassen und telefonisch die nächste Polizeidienststelle verständigt. Er habe das Verhalten des LKW-Lenkers als extreme Provokation und Gefährdung empfunden und wolle deshalb eine Ahndung erreichen. C D hat bei ihrer Aussage beim Polizeiposten A angegeben, sie sei damals mit ihrem Freund mitgefahren und könne sich an den Vorfall insofern erinnern, als sie von Kirchdorf kommend die nächste Autobahnauffahrt Richtung Salzburg erreichen wollten. Sie seien, weil sie die Strecke auf der Bundesstraße nicht gekannt hätten, lediglich 70 bis 80 km/h gefahren und dabei habe der LKW aufgeschlossen und mit Fernlicht Zeichen gegeben. Er sei dicht aufgefahren, sie schätze bis auf etwa 2 m. Dadurch hätten sie und ihr Freund sich genötigt und bedrängt gefühlt. In der darauf folgenden Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h, die N eingehalten habe, habe der LKW zum Überholen angesetzt, aber als er sich mit dem Führerhaus auf Höhe des PKW befunden habe, habe er begonnen, nach rechts einzuscheren. N sei auf den unbefestigten Seitenstreifen ausgewichen und habe den PKW fast bis zum Stillstand abgebremst, sonst wäre es zu einem Zusammenstoß gekommen. Sie hätten sich beide um Leib und Leben gefährdet gefühlt. Der LKW sei weitergefahren und sie hätte beim Nachfahren das hintere Kennzeichen notiert. Der LKW sei dann auf der Abzweigung Richtung Gmunden gefahren und sie rechts zur Autobahn. Der LKW-Fahrer habe sich möglicherweise so verhalten, weil er sich durch sie aufgehalten gefühlt habe. Er habe dabei sicher auch einen Unfall in Kauf genommen. Der Abstand zwischen LKW und PKW beim "Schneiden" habe höchstens 30 cm betragen.

Laut Gutachten des technischen Amtssachverständigen Ing. K vom 12. Mai 1998, BauME-0100000/3255-98/Kep, betrug auf der Grundlage der Aussage N bei einer Fahrzeuglänge des Renault 5 von 3,592 m der Nachfahrabstand des LKW zum PKW 5,4 m. Bei 60 km/h ergäbe sich ein technisch erforderlicher Nachfahrabstand von 1,5 sec, bei bremsbereitem Fahren 1 sec, dh mindestens 16,7 m. Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt in freier Beweiswürdigung zu der Ansicht, daß die Aussagen N und D insofern widersprüchlich sind, als bereits beim Vorwurf der Nichteinhaltung des Nachfahrabstandes nicht eindeutig eruierbar ist, ob sich dieser Vorfall im Bereich einer 60 km/h-Beschränkung (N) oder vorher bei einer Geschwindigkeit von 70 - 80 km/h (D) zugetragen hat. Laut D hat der LKW-Lenker in der 60 km/h-Beschränkung seinen Überholvorgang begonnen, während N diese Aussage lediglich auf ein "beinahe gerade verlaufendes Straßenstück" bezogen hat. Die in der Anzeige enthaltene und offenbar von den Gendarmeriebeamten stammende Kilometrierung der Wegstrecke StrKm 29,830 bis 29,100 ist diesbezüglich nicht eindeutig zuzuordnen, insbesondere auch nicht hinsichtlich der während einer Zeit von 3 Minuten (N) abgegebenen Lichtzeichen, zumal die Strecke von 730 m, die bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h in ca 45 sec, bei 75 km/h in 36 sec durchfahren wird, für eine so lange Fahrzeit nicht ausreicht. Abgesehen davon handelt es sich bei den Angaben zum Nachfahrabstand um Schätzungen von diesbezüglich ungeübten Privatpersonen, die mit entsprechender Vorsicht zu betrachten sind, wobei durchaus die vom Rechtsmittelwerber angeführte Höhe des Führerhauses und der Beleuchtung eine Rolle gespielt haben könnten, zumal zB bei einem unebenen Fahrbahnverlauf durch die wechselnde Höhe der Lichtquellen der Eindruck von "Lichtzeichen mit Fernlicht" zumindest denkbar ist. Anzeige an das Gericht wegen des Verdachtes der Nötigung gemäß § 105 StGB wurde nicht erstattet.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Gemäß § 100 KFG 1967 dürfen als optische Warnzeichen nur kurze Blinkzeichen mit den im § 22 Abs.2 angeführten Vorrichtungen abgegeben werden ... Blinkzeichen dürfen außer mit Alarmblinkanlagen nicht durch längere Zeit abgegeben werden.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorschrift des § 44a Z1 VStG dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, daß dieser in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Bestraften rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Weder aus dem Spruch des Straferkenntnisses noch aus dessen Begründung geht hervor, wessen Aussagen die Erstinstanz letztlich Glauben geschenkt hat bzw von welchen Geschwindigkeits- und Abstandsangaben sie letztlich ausgegangen ist. In der Anzeige ist von einem Sattelanhänger, Kz. , die Rede, wobei das Kennzeichen laut Aussage D von ihr beim Nachfahren notiert wurde. Im Straferkenntnis wird dem Rechtsmittelwerber - nicht nachvollziehbar - vorgeworfen, er habe den LKW, Kz. , gelenkt. Im Tatvorwurf ist auch kein konkret einzuhaltender Nachfahrabstand bezogen auf eine bestimmte Geschwindigkeit enthalten, sondern es wird lediglich pauschal auf einen einzuhaltenden Sicherheitsabstand, "mindestens den Reaktionsweg", hingewiesen. Eine Begründung zum Spruchpunkt 2 fehlt völlig und es geht auch nicht hervor, inwiefern diese Blinkzeichen "durch längere Zeit" abgegeben worden sein könnten.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Starfverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Bezugnehmend auf die obigen Ausführungen zur Beweiswürdigung gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall keine einer ausreichenden Umschreibung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale zugänglichen Beweise dafür bestehen, daß der Rechtsmittelwerber tatsächlich die ihm zur Last gelegten Übertretungen begangen haben könnte, auch wenn den Anzeigern eine gewisse Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist, weil sie sonst nicht die mit der Anzeigeerstattung verbundenen Unannehmlichkeiten auf sich genommen hätten. Die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers ist in diesem Licht eher zweifelhaft. Es war spruchgemäß zu entscheiden, wobei auch Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Privatanzeige, Angaben widersprüchlich und nicht eindeutig zuzuordnen, Konkretisierung nicht ausreichend --> Einstellung

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