Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105741/7/Le/Km

Linz, 11.02.1999

VwSen-105741/7/Le/Km Linz, am 11. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Ing. P F, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 5.8.1998, GZ: III/S-7427/98-4, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung gegen den angefochtenen Bescheid wird insofern Folge gegeben, als die verhängten Strafen aufgehoben werden und statt dessen der Berufungswerber unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt wird.

Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entfällt ebenso wie ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 21, 24, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 5.8.1998 wurden über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretungen der §§ 52a Abs.2, 9 Abs.1 Satz 1, 11 Abs.2 und 97 Abs.4 Straßenverkehrsordnung 1960 vier Geldstrafen in Höhe von insgesamt 2.400 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt 94 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 28.2.1998 um 14.32 Uhr in L, Kreuzung mit der Z, in Fahrtrichtung stadteinwärts mit dem Kfz, Kennzeichen , 1. das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" mißachtet, 2. die Sperrlinie überfahren, 3. die Richtungsänderung nach rechts in die Ziegeleistraße nicht so rechtzeitig angezeigt, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten, obwohl dadurch deren Gefährdung oder Behinderung möglich gewesen wäre, 4. die Anordnung eines Straßenaufsichtsorganes nicht befolgt, da er entgegen der Weisung eines Sicherheitswachebeamten von Richtung L Straße kommend nach rechts in die Z eingebogen war.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 7.8.1998, mit der der Berufungswerber beantragte, seiner Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Zur Begründung brachte er vor, daß er zur Ausübung seines Berufes dringend zu seinem Betriebsgebäude in der S fahren mußte, um die zur Berufsausübung nötige Kameraausrüstung mit einem Gewicht von etwa 80 kg zu holen. Er wies darauf hin, daß das Betriebsgebäude über eigene Parkplätze verfügt und er als Besitzer des gültigen Presseausweises mit der Nummer 1285 ohnedies berechtigt gewesen wäre, zu den für die Presse reservierten Stadionparkplätzen zu fahren.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der unabhängige Verwaltungssenat am 10.2.1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Berufungswerber sowie ein Vertreter der Erstbehörde teilnahmen; der Meldungsleger Gr.Insp. E F wurde als Zeuge gehört. Daraus ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt:

3.2. Am Nachmittag des 28.2.1998 fand im Stadion der Stadt Linz ein Fußballspiel statt; zur selben Zeit gab es auch ein Tennisturnier in der daneben gelegenen Sporthalle. Der Berufungswerber kam von seinem Wohnhaus in L und fuhr auf der L Straße Richtung stadteinwärts. Bei der Kreuzung mit der R wollte er nach rechts einbiegen, um von dort in die S zu gelangen, wo sein Bürogebäude steht. Bei dieser Kreuzung stand jedoch ein Polizeibeamter, der ihm bedeutete, erst bei der nächsten Kreuzung, nämlich mit der Z, rechts einzubiegen, da es dort besser sei. Der Berufungswerber tat dies und kam zur besagten Kreuzung. Dort standen die Polizeibeamten Gr.Insp. F und Rev.Insp. W, die den Verkehr regelten. Sie hatten etwa 10 min zuvor per Funk die Weisung bekommen, den vorher vereinbarten "Sperrkreis" zu errichten, um eine Verkehrsüberlastung im Bereich des Stadions und der Sporthalle zu verhindern. Der "Sperrkreis" bedeutete das Verbot des Einfahrens in die Z, wobei davon lediglich Einsatzfahrzeuge und Linienbusse ausgenommen waren. Zu diesem Zweck war bei dieser Kreuzung die Einfahrt in die Z durch den Funkwagen der Polizei sowie ein Scherengitter abgesperrt. Es herrschte starkes Verkehrsaufkommen auf der L in beiden Fahrtrichtungen. Rev.Insp. W war damit beschäftigt, den Verkehr auf dem dort befindlichen Schutzweg zu regeln, während Gr.Insp. F den Fahrzeugverkehr regelte. Der Berufungswerber, der seit etwa 13 Jahren sein Büro in der S hat und auch über sieben eigene Parkplätze verfügt, brachte dem Polizeibeamten GI. F sein Anliegen vor, daß er nur in die S einfahren wolle, um dort eine Kameraausrüstung zu holen. Der Berufungswerber hatte etwa eine knappe halbe Stunde nach diesem Vorfall einen Drehtermin, zu dem er seine Kameraausrüstung, die ein Gewicht von ca. 80 kg hat, brauchte und die er aus dem Bürogebäude holen wollte. Der Polizeibeamte, der mit der Verkehrsregelung sehr beschäftigt war, verwehrte dem Berufungswerber die Einfahrt, worauf dieser kurzerhand auf dem Fahrstreifen der Z, der für die Linkseinbieger in die L Straße bestimmt war, also gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung und trotz des dort angebrachten Zeichens "Einfahrt verboten" in die Z einfuhr, die dort befindliche Sperrlinie überfuhr, um in weiterer Folge in die S zu gelangen. Als der Berufungswerber im Rückspiegel sah, daß der Polizeibeamte zum Notizblock griff, fuhr er zurück und verlangte dessen Dienstnummer, die er jedoch nicht bekam. Anschließend fuhr er zu seinem Bürogebäude, holte die benötigte Ausrüstung und war nach wenigen Minuten wieder unterwegs.

Vor dem unabhängigen Verwaltungssenat gab Herr GI. F als Begründung für seine Anweisung an den Berufungswerber, nicht in die Z einzufahren, an, daß zu dieser Zeit ein "Sperrkreis" angeordnet war und Ausnahmen lediglich für Einsatzfahrzeuge und Fahrzeuge des Linienverkehrs vorgesehen waren. Überdies war er damit beschäftigt, den Verkehr zu regeln und darauf zu achten, daß kein Stau entsteht. Er gab an, aus Erfahrung zu wissen, daß dann, wenn er dem Berufungswerber die Einfahrt gestattet hätte, zehn weitere Fahrzeuglenker ebenfalls die Einfahrt begehrt hätten. Der Berufungswerber gab dagegen an, schon 13 Jahre sein Büro in der Schönbergstraße zu haben und daß er immer, auch bei solchen Sportveranstaltungen, trotz Absperrung zu seinem Büro zufahren hätte können, zumal er lediglich 25 m auf der Ziegeleistraße fahren müßte und dann rechts in die Schönbergstraße einbiegen könnte. Er hätte es überhaupt nicht eingesehen, daß er an diesem Tage nicht einfahren durfte. Auf die Idee, umzukehren und bei der Kreuzung mit der R in diese einzufahren und von dort in die S zu gelangen, sei er zum Vorfallszeitpunkt nicht gekommen; es hätte aber sehr starkes Verkehrsaufkommen geherrscht, sodaß er wohl bis zum F hätte fahren müssen, um umkehren zu können. Überdies hätte er sehen können, daß er die kurze Fahrtstrecke auf der Z ungehindert und ohne den übrigen Verkehr zu stören passieren könnte. 4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder. Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit Geldstrafen in Höhe von je nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Der Berufungswerber hat alle ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht bestritten, weshalb davon auszugehen ist, daß der objektive Tatbestand all dieser Verwaltungsübertretungen erwiesen ist.

4.3. Auf der subjektiven Tatseite, also dem Verschulden des Berufungswerbers an den angelasteten Verwaltungsübertretungen, ist folgendes zu berücksichtigen:

Nach § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Solche Verwaltungsübertretungen werden auch als "Ungehorsamsdelikte" bezeichnet, weil bereits die Nichtbefolgung eines Gebotes oder Verbotes ausreicht, das Delikt zu verwirklichen. Ein bestimmter schädlicher Erfolg muß nicht eingetreten sein. Auch die im Anlaßfall angelasteten Verwaltungsübertretungen sind solche Ungehorsamsdelikte. Diese rechtliche Qualifikation bewirkt, daß die vom Gesetzgeber angeordnete Verschuldensfiktion in Kraft tritt. Der Gesetzgeber fingiert hier das Vorliegen von Fahrlässigkeit.

Der Beschuldigte hat in solchen Fällen die Möglichkeit, sich der gesetzlichen Verschuldensfiktion dadurch zu entziehen, daß er glaubhaft macht, daß ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft.

Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber dies damit versucht, daß er vorbrachte, er hätte seit 13 Jahren auch bei Sportveranstaltungen immer wieder zu seinem Bürogebäude zufahren dürfen, weil er dort sieben eigene Parkplätze habe; außerdem sei er im Besitz eines gültigen Presseausweises gewesen, mit dem er seiner Ansicht nach berechtigt gewesen sei, zu den für die Presse reservierten Stadionparkplätzen zuzufahren. Tatsächlich war jedoch von der Verkehrseinsatzleitung der Bundespolizeidirektion Linz zur Sicherung des Straßenverkehrs bei diesen beiden sportlichen Großveranstaltungen ein "Sperrkreis" angeordnet worden, wobei Ausnahmen vom Einfahrtsverbot lediglich für Einsatzfahrzeuge und Linienbusse gewährt wurden. Nach der objektiven Rechtslage war daher der Berufungswerber nicht berechtigt, in die Z einzufahren und hat ihm der Polizeibeamte GI. F zu Recht das Scherengitter nicht geöffnet.

Der Berufungswerber fühlte sich dagegen subjektiv im Recht, diese Verwaltungsübertretungen begehen zu dürfen, weil er glaubte, als Anrainer und Inhaber eines Presseausweises einfahren zu dürfen und an dieser Rechtsausübung ausschließlich von diesem Polizeibeamten gehindert zu werden. Dazu kam, daß er von einem anderen Polizeibeamten, nämlich dem, der bei der vorigen Kreuzung (L Straße mit der R) Dienst versah, eben zur nunmehrigen Kreuzung verwiesen worden war und weiters, daß er einen dringenden Termin hatte, zu dem er die Kameraausrüstung aus seinem Büro holen mußte. Das Ansinnen des Polizeibeamten, er solle am Freinberg parken und zu Fuß die Ausrüstung holen, kam wegen des hohen Gewichtes dieser Ausrüstung von 80 kg für den Berufungswerber nicht in Frage.

Obwohl es - objektiv betrachtet - zumindest eine legale Zufahrtsmöglichkeit, nämlich über die Regerstraße gegeben hätte (welche bei dem auch vom Polizeibeamten bestätigten hohen Verkehrsaufkommen jedoch schwer zu verwirklichen gewesen wäre, weil der Berufungswerber dazu hätte umkehren müssen), gab es subjektiv für den Berufungswerber keine andere Möglichkeit als eben die (nunmehr vorgeworfenen und verfahrensgegenständlichen) Verwaltungsübertretungen zu begehen. Er handelte damit in einem "Putativnotstand", weil er - bei sich - glaubte, sein Verhalten und die begangenen Verwaltungsübertretungen seien deshalb entschuldigt, weil er ja im Recht wäre und ihm lediglich der Polizeibeamte ungerechtfertigterweise diese Rechtsausübung verweigere. Dieser eingebildete Notstand kann daher aufgrund der Besonderheiten des Anlaßfalles als Entschuldigung für das Verhalten des Berufungswerbers angesehen werden.

4.4. Da überdies durch die Tat keine nachteiligen Folgen konkret eingetreten sind, konnte daher in Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden. Allerdings war der Ausspruch einer Ermahnung erforderlich, um dem Berufungswerber die objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen und ihn darauf hinzuweisen, daß Anweisungen von Polizeibeamten grundsätzlich nachzukommen ist, weil diese aufgrund ihrer Aufgaben und ihres Informationsstandes über Zusammenhänge des Verkehrsgeschehens und Erfordernisse der Regelung des Straßenverkehrs besser Bescheid wissen. Dagegen ist dem einzelnen Autofahrer die aktuelle Situation oft verborgen, wobei noch dazu kommt, daß er das Problem nur aus seiner eingeschränkten Sicht sieht und ihm die Zusammenhänge und die übergeordneten Erfordernisse der Verkehrssicherheit unbekannt sind. Der Ausspruch einer Ermahnung scheint dafür ausreichend zu sein, zumal der Berufungswerber den Eindruck erweckt hat, daß ihm die Straßenverkehrsvorschriften bekannt sind und er auch ernsthaft gewillt ist, diese einzuhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe aufgehoben wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: Putatitivnotstand

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