Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230877/17/Ste/Eg/Be

Linz, 22.11.2004

VwSen-230877/17/Ste/Eg/Be Linz, am 22. November 2004

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des F J, vertreten durch Mag.Dr. H B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 2. Februar 2004, Zl. Sich96-199-2003, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungs-verfahrensgesetz 1991 - AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG;

Zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 2. Februar 2004, Zl. Sich96-199-2003, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden) verhängt, weil er sich zumindest seit dem 27. November 2003 als (vermutlich) nigerianischer Staatsangehöriger und somit als passpflichtiger Fremder im Bundesgebiet der Republik Österreich, und zwar an der Adresse in Bad Schallerbach, Schönauer Straße 13, aufgehalten habe, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein.

Dadurch habe er eine Übertretung des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 107 Abs. 1 Z. 3 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 134/2002 (im Folgenden: FrG), begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben nigerianischer Staatsbürger sei. Laut niederschriftlicher Angabe vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, sei er am 8. Oktober 2003 illegal über "Unbekannt" nach Österreich eingereist. Die Bestimmung des Art. 31 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention könne deshalb nicht zum Tragen kommen, weil der Fremde nicht direkt aus dem Gebiet komme, wo sein Leben oder seine Freiheit bedroht war. Konkret stelle die in Rede stehende Konventionsbestimmung nicht auf ein ohne Umwege und/oder Aufenthalte gestaltetes Durchreisen, sondern allein darauf ab, aus welchem Gebiet der Fremde "direkt" (unmittelbar) in einen Vertragsstaat (hier: Österreich) eingereist sei. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Außerdem erfolge die Bestrafung nicht wegen illegaler Einreise oder Anwesenheit, sondern auf Grund der Tatsache, dass der Bw am 8. Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereist sei und sich im Bundesgebiet ohne gültiges Reisedokument aufhalte.

Darüber hinaus habe er bei der Einvernahme beim Bundesasylamt am 8. Oktober 2003 behauptet, von der "O Gruppe" einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Frage, ob er je Probleme mit der Polizei oder den Behörden seines Heimatlandes hatte, habe er verneint.

Hinsichtlich der Strafbemessung seien keine Milderungs- und Erschwerungsgründe hervorgekommen. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse sei die Behörde davon ausgegangen, dass der Bw derzeit über kein eigenes Einkommen verfüge.

1.2. Gegen dieses dem Beschwerdeführer am 6. Februar 2004 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die am 19. Februar 2004 - und damit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingegangene Berufung.

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass § 2 FrG nicht auf Asylwerber anzuwenden sei. Die Behörde begründe das Straferkenntnis damit, dass der Bw über ein sicheres Drittland eingereist sei und es ihm daher zumutbar gewesen wäre, in einem anderen Land Asyl zu beantragen. In der Folge wäre es ihm daher auch zumutbar gewesen, die Verwirklichung des Delikts zu vermeiden. Die Behörde spreche in unzulässiger Weise über sein Asylverfahren ab, was eine Kompetenzüberschreitung bedeute. Die Entscheidung darüber obliege den für das Asylverfahren zuständigen Behörden.

Hinsichtlich Art. 31 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention müsse auf den Zweck der Regelung Rücksicht genommen werden und sei die Einreise bzw. der Aufenthalt ohne gültiges Reisedokument jedenfalls unter Art. 31 Z. 1 zu subsumieren. Ohne jegliche Begründung behaupte die Behörde die Voraussetzungen des Art. 31 Z. 1 seien im vorliegenden Fall nicht gegeben und liege deshalb eine mangelhafte Bescheidbegründung vor.

Eine weitere Begründung der Behörde laute, es wäre dem Bw in Nigeria sehr wohl möglich gewesen einen Reisepass zu beantragen und daher die Verwaltungsübertretung in Österreich zu vermeiden gewesen. Dazu gibt der Bw an, dass der, der sein Heimatland aufgrund von Gefahr gegen Leib und Leben fluchtartig verlassen müsse, nicht vorher darum kümmere in den Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu gelangen, nur um in dem Staat, in welchem er Asyl beantrage, keine Verwaltungsübertretung zu begehen. In Nigeria sei es nicht üblich, dass jeder Staatsbürger im Besitz eines Reisepasses sei.

Zur Widerlegung seines Verschuldens führt der Bw an, dass die Behörde nicht von der Richtigkeit, sondern von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache zu überzeugen sei. Schlüssig und nachvollziehbar habe er ausgeführt, was ihn an der Einhaltung der Vorschriften betreffend die Passpflicht gehindert habe.

Darüber hinaus könne sein Verschulden nicht als grob fahrlässig qualifiziert werden, da er kein tatbestandsmäßiges Verhalten gesetzt habe und ihn keinerlei Verschulden treffe. Die objektiv geforderte Sorgfalt sei ihm nicht zumutbar gewesen, da er aus begründeter Furcht vor Verfolgung geflohen sei. Hinsichtlich der Bemessung der Geldstrafe gibt der Bw an mittellos zu sein, weshalb es ihm auch nicht möglich sei die verhängte Geldstrafe zu bezahlen.

1.3. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 10. Mai 2004, Zl. VwSen-230877/5/STE/Eg, wurde die Berufung abgewiesen.

1.4. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Dieser hat mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2004, Zl. 2004/21/0131, unter Hinweis auf die do. Entscheidungen vom 13. Dezember 2002, Zl. 99/21/0163, und vom 19. Oktober 2004, Zl. 2004/21/0181, ausgeführt, dass das in Art. 31 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention normierte Verbot der Verhängung von Strafen wegen illegaler Einreise oder Anwesenheit ein Verbot der Bestrafung wegen eines Aufenthalts im Bundesgebiet ohne gültiges Reisedokument einschließt, wenn das Fehlen eines Einreisedokuments aus den Umständen der Flucht, der direkten Einreise und dem Aufenthalt des Flüchtlings erklärt werden kann. Das Vorliegen einer direkten Einreise kann dabei nicht allein deshalb, weil der Asylwerber zuvor andere Staaten als jene, in denen er Verfolgung zu fürchten behauptet, durchreist hat, verneint werden, ohne dass die Strafbehörde auch dementsprechende konkrete Feststellungen getroffen hat.

Diese Rechtsprechung läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass ein Asylwerber wegen Verletzung der Passpflicht nur dann bestraft werden kann, wenn ihm dezidiert nachzuweisen ist, dass er bereits in einem Drittstaat tatsächlich um Asyl hätte ansuchen können.

2. Da im gegenständlichen Fall entsprechende Feststellungen fehlen und solche im nunmehrigen Wissen um die neueste Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer auch im Zuge einer mündlichen Verhandlung offenkundig nicht zu erlangen sind, war der Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag.Dr. Wolfgang Steiner

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