Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230900/2/WEI/An

Linz, 21.10.2005

 

 

 

VwSen-230900/2/WEI/An Linz, am 21. Oktober 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des A P, geb, Staatsangehöriger von Serbien-Montenegro, S Nr., M, vertreten durch Dr. G M, Rechtsanwalt in S, W-D-Straße, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. November 2004, Zl. Sich 96-1139-2002-G, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 107 Abs 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl I Nr. 75/1997, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 134/2002) zu Recht erkannt:

 

 

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie hielten sich vom 5.7.2001 zumindest bis zum 23.10.2002 im österreichischen Bundesgebiet auf, obwohl Sie keinen von einer Behörde erteilten Aufenthaltstitel besaßen."

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 107 Abs 1 Z 4 iVm § 31 Abs 1 FrG 1997 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung "Gemäß § 107 Abs. 1 Schlusssatz Fremdengesetz 1997" eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 12. November 2004 zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich verfasste Berufung vom 24. November 2004, die am 26. November 2004 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingebracht worden ist und mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Nach den Feststellungen im Straferkenntnis reiste der Bw am 22. Februar 1997 illegal nach Österreich ein und stellte am 24. Februar 1997 einen Asylantrag beim Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt. Seit 5. Juli 2001 war das Asylverfahren in zweiter Instanz negativ abgeschlossen. Am 18. Dezember 2001 stellte er neuerlich einen Asylantrag, der gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde.

 

In der Zeit vom 5. Juli 2001 bis zumindest 23. Oktober 2002 habe sich der Bw unrechtmäßig in Österreich aufgehalten, da er weder einen Aufenthaltstitel noch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz besessen habe.

 

Der Bw habe den Tatvorwurf nicht bestritten, jedoch übergesetzlichen Notstand eingewendet. Dieses Argument erachtete die belangte Behörde gemessen an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als verfehlt.

 

2.2. In der Berufung wird der von der belangten Behörde zugrunde gelegte Sachverhalt nicht bestritten. Allerdings wird unrichtige rechtliche Beurteilung der Notlage des Bw geltend gemacht. Diesen erwartete im Fall der Rückkehr in den Kosovo, wo sich die wirtschaftliche Lage seit Sommer 2001 massiv verschlechtert hätte, extreme Armut. Die Hoffnungen auf Wiederaufbau und Wirtschaftswachstum hätten sich nicht erfüllt. Die Arbeitslosigkeit läge bei 80 % und darüber. Bei seinen Angehörigen könnte der Bw nicht wohnen. Er hätte keine Aussichten auf Arbeit und wäre zu 100 % auf fremde Hilfe angewiesen. Die Hilfsprogramme wären aber zum erliegen gekommen, weshalb auch Ernährungshilfe durch Lebensmittelpakete ausgeschlossen wären. Auch einen Zugang zu ärztlicher Heilbehandlung hätte der Bw nicht. All diese Ausführungen zeigten, dass ein übergesetzlicher Notstand bis in die Gegenwart anhielte. Wenn die Behörde schon einen unberechtigten Aufenthalt feststellt, hätte sie zumindest nach § 21 Abs 1 VStG vorgehen müssen.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Durchsicht der vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen.

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 FrG 1997 idFd Art 12 BGBl I Nr. 98/2001 (Euroumstellung) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu in den Fällen der Z 1 und Z 2 mit Geldstrafe bis 726 Euro oder Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wer

 

  1. nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder
  2. einem Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder
  3. sich als passpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, im Bundesgebiet aufhält, oder
  4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31).

 

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthalts, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist (Fassung gem. Art I Z 85 des BGBl I Nr. 126/2002).

 

§ 31 Abs 1 FrG 1997 regelt den rechtmäßigen Aufenthalt. Danach halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

 

  1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
  2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
  3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
  4. solange ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

 

Gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 richtet sich die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden im Bundesgebiet nach

 

  1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
  2. der Befristung des Einreise- oder Aufenthaltstitels.

 

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zum vergleichbaren Straftatbestand des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 Abs 1 des Fremdengesetzes 1992 im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG, der die eindeutige Umschreibung als erwiesen angenommene Tat im Spruch fordert, ausgesprochen, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtens nur dann in Betracht kommt, wenn keine der in den Ziffern des § 15 Abs 1 FrG 1992 (nunmehr § 31 Abs 1 FrG 1997) angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs 1 FrG 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl etwa VwGH 18.1.2000, Zl. 94/18/0396; VwGH 24.3.2000, 96/21/0919; VwGH 5.10.2000, 96/21/0861; VwGH 8.11.2000, 97/21/0223; VwGH 23.1.2001, 97/21/0056).

 

Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gilt sinngemäß für die inhaltlich gleichgelagerte Strafbarkeit des unrechtmäßigen Aufenthalts nach §§ 107 Abs 1 Z 4, 31 Abs 1 FrG 1997 (vgl VwGH 30.5.2001, 2000/21/0009). Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nur in Betracht, wenn keine der im § 31 Abs 1 FrG 1997 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist - um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen - die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller im § 31 Abs 1 FrG 1997 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts oder - im Fall des § 31 Abs 3 FrG 1997 - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu umschreiben (vgl VwGH 13.12.2002, 2000/21/0052; VwGH 17.6.2003, 2000/21/0191; VwGH 17.6.2003, 2002/21/0205, VwGH 18.5.2004, 2001/21/0103; VwGH 23.11.2004, 2003/21/0142)

 

 

Die belangte Behörde hat dem Bw lediglich zur Last gelegt, keinen von einer Behörde erteilten Aufenthaltstitel zu besitzen. Damit wird aber der Spruch den beschriebenen Anforderungen nicht gerecht. Er wurde nämlich nicht unter Berücksichtigung bzw Verneinung der alternativen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach dem § 31 Abs 1 FrG 1997 oder durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Fall des § 31 Abs 3 FrG 1997 umschrieben. Die strafbehördliche Anlastung verstößt somit gegen das Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG. Auch eine taugliche Verfolgungshandlung ist dem Akt nicht zu entnehmen.

 

5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels ausreichender Tatumschreibung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen, ohne dass auf die Berufung inhaltlich weiter eingegangen werden musste.

 

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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