Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105879/7/Ur/Ri

Linz, 07.12.1999

VwSen-105879/7/Ur/Ri Linz, am 7. Dezember 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des Herrn B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2.10.1998, VerkR96-12378-1-1998-Ro, betreffend Übertretung des § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 22.9.1999 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 3.000,00 Schilling (entspricht  218,02 Euro) zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19 und 24 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 5 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.1 lit.b leg.cit. eine Geldstrafe von 15.000 S (EFS 15 Tage) verhängt, weil er am 19.7.1998 gegen 16.10 Uhr den PKW, VW Golf, Kennzeichen , auf der Mininger Landesstraße Nr.1097 in Mining, aus Richtung Bahnhof kommend in Richtung Ortszentrum und weiter in Richtung Mamling, Gemeinde Mining, gelenkt hat und sich am 19.7.1998 um 16.35 Uhr vor dem Haus M, gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert hat, die Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl auf Grund von Alkoholisierungsmerkmalen vermutet werden konnte, dass er sich bei angeführter Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die BH Braunau am Inn - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil im gegenständlichen Spruchpunkt eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer entscheidet (§ 51c letzter Satz VStG).

I.3. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren brachte der Bw unter Berufung auf diverse Erkenntnisse des VfGH vor, aus Art. 90 Abs.2 B-VG ergebe sich, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren das Verbot bestehe, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen bzw der Beschuldigte nicht zu einer aktiven Mitwirkung an der eigenen Überführung oder Sachverhaltsfeststellung gezwungen werden dürfe. Dieses Selbstbezichtigungsverbot ergebe sich ebenfalls aus den in Artikel 6 Abs.1 und 2 MRK verankerten Prinzipien der Unschuldsvermutung und eines fairen Verfahrens. Deswegen erachte sich der Bw in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Artikel 7 B-VG bzw Artikel 2 StGG) verletzt. Durch die Bedienung des Alkomaten sei er zu einer aktiven Mitwirkung aufgefordert worden, Beweise gegen sich selbst zu liefern. Dadurch sei er als Prozessobjekt und nicht als Prozesspartei behandelt worden. Seine freie Entscheidung darüber, ob er (als Verdächtiger) an der Sachverhaltsfeststellung (aktiv) mitwirken wolle, sei somit beeinträchtigt gewesen. Wäre daher ein gültiges Messergebnis zustande gekommen, hätte er sich selbst belastet und an seiner eigenen Überführung an einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO mitgewirkt. Deswegen habe auch der VfGH die damals einfachgesetzliche Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG bzw einen Passus daraus als verfassungswidrig erklärt. Dies habe sodann den Gesetzgeber veranlasst, den relevanten Teil dieser Bestimmung in Verfassungsrang zu heben. Zudem sei auch die Bestimmung des § 5 Abs.6 StVO samt der bezughabenden Strafbestimmung des § 99 Abs.1 lit.c StVO im Verfassungsrang. Er halte daher aus genannten Gründen den letzten Satz des § 5 Abs.2 und den Passus "seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder" im § 99 Abs.1 lit.b bzw die gesamte lit.b StVO als verfassungswidrig.

Er rege daher ein Vorgehen nach Artikel 140 Abs.1 B-VG an. Der Bw beantragte auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat am 22.9.1999 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgehalten. Der Vertreter des Bw hat darin auf seine bisherige Rechtsansicht verwiesen und einen ergänzenden Berufungsschriftsatz vorgelegt, der zum Akt genommen wurde. Insbesondere gab der Vertreter des Bw im Auftrag seines Mandanten bekannt, dass die Lenkereigenschaft des Bw nun nicht mehr bestritten werde. Dieses Geständnis möge als Strafmilderungsgrund gewertet und die Geldstrafe herabgesetzt werden. Zudem sei nach Art.6 MRK überdies eine persönliche Ladung an den Bw nötig gewesen (vgl. ÖJZ 1/1998), wobei ihm die gegenteilige Judikatur des VwGH bekannt sei.

Der Vertreter der belangten Behörde beantragte die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hinsichtlich Schuld und Strafe.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Unstrittig ist, dass der Bw am Tattag zur Tatzeit den näher bezeichneten Pkw gelenkt hat. Der Bw war ua. an einem Verkehrsunfall beteiligt. Aufgrund von festgestellten Alkoholisierungssymptomen (gerötete Bindehäute, Alkoholgeruch aus dem Mund) wurde der Bw am 19.7.1998 um 16.35 Uhr vor seinem Wohnhaus im Mining von RI S zum Alkomattest aufgefordert, den der Bw mit der Begründung, er habe das gegenständliche Kraftfahrzeug nicht gelenkt, verweigerte.

Den vom Bw aufgeworfenen Rechtsfragen wird folgendes entgegengehalten:

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes steht eine Gesetzesbestimmung mit dem Grundsatz des Anklageprinzips dann nicht im Einklang, wenn sie den (im Verwaltungsstrafverfahren oder in einem Stadium vor Einleitung eines Strafverfahrens) Beschuldigten unter Strafsanktion zwingt, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen.

In dem vom Bw zitierten Erkenntnis VfSlg.9950 hat der VfGH den letzten Halbsatz der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG ua mit der Begründung aufgehoben, dass die wahrheitsgetreue Antwort des Zulassungsbesitzers, er selbst sei Lenker zur fraglichen Zeit gewesen, zwar nicht unmittelbar ein Geständnis darstellt, doch nicht zu übersehen ist, dass das Vorliegen des angelasteten objektiven Tatbestandes oftmals kaum zu widerlegen sein wird und die sodann platzgreifende Umkehr der Beweislast gemäß § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG den Beschuldigten zumindest in eine aussichtslose Situation bringt. Dadurch bewirkt der Zulassungsbesitzer durch seine Antwort, dass er zum Beschuldigten (Objekt) des Verfahrens wird.

Diese Judikatur ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Hierbei übersieht der Bw, dass die Aufforderung zur Alkomatuntersuchung gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 kein Geständnis der Alkoholisierung bzw eine Selbstbezichtigung der Alkoholisierung präsumiert. Eine derartige Argumentationslinie würde jedem Probanden automatisch eine Alkoholbeeinträchtigung unterstellen. Die Alkomatuntersuchung zwingt also den Beschuldigten keineswegs, ein Geständnis, das - wie der Bw meint - einer Überführung auf Grund eines positiven Messergebnisses gleichkommt - abzulegen. Vielmehr hätte auch eine Nicht- oder Minderalkoholisierung festgestellt werden können, womit der Proband sich eben nicht "selbst bezichtigt", nicht einer "strafgerichtlichen Verfolgung ausgesetzt hätte" und nicht als "Prozessobjekt" behandelt worden wäre. Zudem räumt der Gesetzgeber in § 5 Abs.8 StVO 1960 in der zum Tatzeitpunkt maßgebenden Fassung der 19. Novelle dem Probanden die Möglichkeit einer freiwilligen Blutuntersuchung ein, um so gegebenenfalls auch die vom Beschuldigten selbst beigebrachten Beweismittel im Rahmen der freien Beweiswürdigung zusätzlich im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigen zu können. Im Gegensatz zu oa. Judikatur des VfGH zu § 103 Abs.2 KFG wird der Beschuldigte - auch im Falle eines positiven Alkomattestes - daher keineswegs in eine aussichtslose Situation gebracht, sondern es steht dem Beschuldigten die Möglichkeit offen, ein gleichwertiges (zusätzliches) Beweismittel zu erbringen.

Auch dem unsubstantiierten Vorbringen, die Bestimmung des § 5 Abs.2 StVO 1960 widerspräche dem Gleichheitsgrundsatz, kann nicht gefolgt werden. Dieser setzt dem Gesetzgeber insoferne inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Dem (einfachen) Gesetzgeber ist es aber von Verfassung wegen - außer im Falle eines Exzesses (worin sollte dieser im gegebenen Fall liegen?) - durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen (diese dürften dem Bw hinlänglich bekannt sein; .... Verkehrssicherheit, strikte Bestrafung alkoholisierter Lenker, die erfahrungsgemäß die Ursache schwerster Verkehrsunfälle sind etc) auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl. ua. VfGH vom 26.2.1999, B 544/97).

Auf den Einwand, nach Artikel 6 MRK sei die Ladung an den Beschuldigten (vgl. ÖJZ 1/1998) nötig, wobei die gegenteilige Judikatur dem Bw ohnehin bekannt sei, war nicht näher einzugehen. Jedenfalls beinhaltet ÖJZ Nr.1/1998 keine diesbezügliche zur ständigen Rechtsprechung des VwGH konträre Entscheidung bzw Rechtsmeinung. Weiters stehen die im ergänzenden Schriftsatz vorgebrachten Überlegungen ua. zu § 5 Abs.8 idF der 19. und der 20. Novelle und zu §§ 5 Abs.4b StVO 1960 und zu 5 Abs.7 StVO idF vor der 19. StVO-Novelle in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Berufungsfall, der sich ausschließlich auf eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.2 StVO iVm der Bestrafung nach § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 bezieht.

Strafbemessung:

Die Strafe ist nach den Kriterien des § 19 VStG zu bemessen. Neben dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, den Erschwerungs- und Milderungsgründen sind die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.

Laut Aktenlage erhält der Bw eine Arbeitslosenunterstützung von 8.000 S, ist vermögenslos und hat keine Sorgepflichten. Als straferschwerend wirkt eine nicht getilgte einschlägige Vorstrafe gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 aus dem Jahr 1996. In der - nach anfänglichem Leugnen - im Berufungsverfahren nunmehr zugegebenen Lenkereigenschaft kann ein Geständnis nicht erblickt werden.

Bei einem Strafrahmen von 8.000 S bis 50.000 S (§ 99 Abs.1 lit.b StVO 1960) ist die verhängte Strafe unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse schuldangemessen und dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst. Aus spezialpräventiven Gründen kommt eine Herabsetzung nicht in Betracht.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. K l e m p t

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