Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240049/12/Gf/Km

Linz, 03.06.1996

VwSen-240049/12/Gf/Km Linz, am 3. Juni 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des J.

G., .............., .............., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E. S., Dr. P. B., Dr. W. L. und Dr. F. M., .............., ................, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 15. Oktober 1992, Zl.

101-6/3, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 15. Oktober 1992, Zl. 101-6/3, wurde über den Rechtsmit telwerber eine Geldstrafe von 2.500 S bzw. 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: insgesamt 3 Tage) verhängt, weil er am 21. März 1991 als außenvertretungsbefugtes Organ einer GmbH Wurstwaren einerseits mit zur Irreführung geeigneten Angaben über den Umstand der Haltbarkeit und andererseits ohne Angabe des Füllgewichtes in Verkehr gesetzt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 74 Abs. 1 iVm § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.

756/1992 (im folgenden: LMG), sowie des § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG iVm § 3 Z. 3 und § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl.Nr. 627/1973 (im folgenden:

LMKV), begangen, weshalb er zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 23. Oktober 1992 zugestellte Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben.

1.3. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 29.

November 1993, Zl. VwSen-240049/2/Gf/La, wurde der Berufung hinsichtlich des Ausmaßes der Ersatzfreiheitsstrafen stattgegeben, im übrigen diese hingegen abgewiesen.

1.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates im Zuge einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0006, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend führt der Verwaltungsgerichtshof darin im wesentlichen aus, daß aus den Verwaltungsakten nicht hervorgehe, aufgrund welcher Ermittlungs- und Beweisergebnisse der Beschwerdeführer von der Strafbehörde erster Instanz als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 Abs. 1 VStG in Anspruch genommen wurde. Daraus, daß er selbst vorgebracht habe, als Betriebsleiter für die ordnungsgemäße Herstellung und Inverkehrsetzung der Fleisch- und Wurstwaren verantwortlich zu sein, habe seitens der Behörde nicht der Schluß gezogen werden können, daß er Geschäftsführer der verfahrensgegenständlichen GmbH sei. Der Oö. Verwaltungssenat sei daher im Hinblick auf den Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens verpflichtet gewesen, die erforderlichen Ermittlungen zur Klärung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes anzustellen.

1.5. Das in der Gegenschrift vom Oö. Verwaltungssenat vorgebrachte Argument, daß der Beschwerdeführer seine Verantwortlichkeit während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens nicht nur nie in Abrede gestellt, sondern sogar ausdrücklich eingestanden, derartige Einwände also erstmals (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG - sog. "Neuerungsverbot") in seinem Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vorgebracht hat, hat dieser in seiner oben zitierten Entscheidung genauso "übersehen", wie er seit der Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate durch die B-VG-Novelle 1988 hartnäckig verkennt, daß letztere gerade nicht als "normale Berufungsbehörden nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen" eingerichtet wurden, im Gegenteil: Sie haben nach Art. 6 Abs. 1 MRK - insbesondere in Verwaltungsstrafsachen - ein faires Verfahren zu garantieren, wozu in erster Linie gehört, daß sich vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als unparteiischem Richter die Parteien, nämlich der Beschuldigte einerseits und die belangte als anklagende Behörde andererseits, gleichrangig gegenüberstehen. Davon und von Art. 129 bzw. Art. 129a B-VG, der die unabhängigen Verwaltungssenate als außerhalb des behördli chen Instanzenzuges stehende Organe der Rechtmäßigkeitskontrolle einrichtet, ausgehend ist zufolge der insoweit gebotenen teleologischen Reduktion die Bestimmung des § 66 Abs.4 AVG für das Verfahren der unabhängigen Verwaltungssenate nur sehr eingeschränkt anwendbar; sie kann jedenfalls - wie der Oö. Verwaltungssenat in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat - nie dazu führen, daß der unabhängige Verwaltungssenat neben seiner richterlichen Funktion gleichzeitig auch die Rolle des Anklägers wahrnimmt. Die im Ergebnis gegenteilige Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes beruht letztlich auf dem unzutreffenden und daher strikt abzulehnenden Interpretationsverständnis, daß nicht die einfachen Gesetze im Lichte der Verfassung, sondern vielmehr jene anhand der einfachen (Verfahrens-)Gesetze auszulegen sei.

1.6. Im Einzelfall - und damit auch gegenständlich - ist der Oö. Verwaltungssenat jedoch gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an diese irrige Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden.

Es war daher - obwohl der Beschwerdeführer diesen Einwand erst nach Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens vorgebracht hat - anstelle der ansonsten hiefür allein zuständigen Erstbehörde zu ermitteln, ob der Rechtsmittelwerber zum Tatzeitpunkt ein "zur Vertretung nach außen berufenes Organ" iSd Tatvorwurfes des angefochtenen Straferkenntnisses war.

2.1. Aus dem Firmenbuch des Landesgerichtes Linz ergibt sich, daß der Beschwerdführer erst mit Wirkung vom 23. März 1995 zum Geschäftsführer bestellt worden ist; zum Tatzeitpunkt, d.i. der 25. Jänner 1991, war er daher kein außenvertretungsbefugtes Organ der verfahrensgegenständlichen GmbH und er hatte sohin die dieser juristischen Person angelastete Tat auch nicht zu vertreten.

Das angefochtene Straferkenntnis war daher - weil es sich gegen einen falschen Beschuldigten richtet - gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

2.2. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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