Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106875/14/Br/Bk

Linz, 05.04.2000

VwSen -106875/14/Br/Bk Linz, am 5. April 2000

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. Jänner 2000, AZ. VerkR96-16454-1999, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 5. April 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

  1. Der Berufung wird im Punkt 1. Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

Im Punkt 2. wird das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG, iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Zu Punkt 1. entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Im Punkt 2. werden der Berufungswerberin zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten als Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 60 S (20% der verhängten Geldstrafe [entspricht 4,36 €]) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 1 und § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem Straferkenntnis vom 17. Jänner 2000, AZ. VerkR96-16454-1999, über die Berufungswerberin wegen Übertretungen nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und wegen Übertretung nach § 42 Abs.1 iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 300 S und für den Nichteinbringungsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie 1.) am 16. Juni 1999 um ca. 07.30 Uhr mit dem Pkw, Kennzeichen auf dem Parkplatz bei der Hauptschule in F, beim Ausparken einen abgestellten Pkw erheblich beschädigt und hievon nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle verständigt habe, obwohl auch ein Identitätsnachweis unter den Betroffenen nicht stattgefunden habe;

2.) habe sie die Verlegung ihres ständigen Wohnsitzes mit 24. September 1999 von Z der Zulassungsbehörde nicht binnen Wochenfrist angezeigt.

1.1. In der Begründung folge die Erstbehörde der Angabe einer Zeugin, welche die Beschädigung eines abgestellten Pkws durch das Fahrzeug der Berufungswerberin beobachtet habe, wobei auch die Lenkereigenschaft der Fahrzeughalterin als erwiesen erachtet wurde. Die Berufungswerberin sei nach dem Anstoß aus ihrem Fahrzeug ausgestiegen, habe sich den Schaden angeschaut und habe sich schließlich wieder ins Fahrzeug gesetzt, ohne diesen Vorfall in der Folge bei der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wendet die Berufungswerberin durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellungen und letztlich auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung ein. Inhaltlich führte die Berufungswerberin im Ergebnis aus, dass ein ausreichender Tatbeweis für ihre Täterschaft nicht vorliege und letztlich auch keine Feststellungen getroffen wurden, ob die angeblich von ihr herbeigeführte Beschädigung überhaupt bemerkt werden hätte müssen.

Die Berufungswerberin beantragt abschließend die Einvernahme mehrerer Zeugen, die Durchführung einer Stellprobe der beteiligten Fahrzeuge, die Gegenüberstellung der Beschuldigten mit der angeblichen Augenzeugin und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck. Ferner wurde die erstbehördliche Aktenlage im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung einer Erörterung unterzogen und schließlich wurden auch noch anlässlich der vor Ort durchgeführten Berufungsverhandlung die Zeuginnen W und N, sowie die Berufungswerberin als Beschuldigte einvernommen.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Zeugin K machte am 16. September 1999 um ca. 7.30 Uhr auf dem Parkplatz vor der Hauptschule F als Radfahrerin die Beobachtung, dass ein rückwärts ausparkender grüner VW-Golf mit dem Kennzeichen gegen einen abgestellten Pkw stieß. Letzteres Fahrzeug wurde durch die Wucht des Anstoßes etwas versetzt und es war auch ein deutlicher Knall wahrnehmbar. Daraufhin fuhr das Schädigerfahrzeug wieder in die Parklücke zurück, es stieg eine jüngere Frau mit brünetten schulterlangen Haaren aus, die das abgestellte (und beschädigte) Fahrzeug sodann besichtigte. Die Zeugin schenkte diesem Vorgang vorerst keine weitere Bedeutung. Erst eine Woche später fand sie in der Hauptschule einen Zettel ausgehängt, auf dem hinsichtlich dieses Unfalles nach Zeugen gesucht wurde.

In der Folge trat sie mit der Geschädigten (der Zeugin F) telefonisch in Verbindung.

In der daraufhin von der Gendarmerie F in dieser Sache erstatteten Anzeige ist dieser Vorfall unter "Darstellung der Tat" mit dem Datum 16.06. vermerkt. Nur unter dem Absatz "Beweismittel" ist vom Abstellen des Pkws der Geschädigten an der o.a. Örtlichkeit am 16.9.1999 in der Zeit von 11.30 Uhr bis 11.45 Uhr und auch gegen 07.30 Uhr in der Früh die Rede.

Im letzten Absatz der offenbar am 5. Oktober 1999 verfassten Anzeige wird auf die Angabe der Zeugin W Bezug genommen und in diesem Zusammenhang wird abermals das Datum der Beobachtung mit 16. Juni 1999 gegen 07.30 Uhr verwiesen.

Die Besichtigung der unfallbeteiligten Fahrzeuge ergab laut Anzeige eine höhenmäßige und auch vom Farbabrieb her eine Übereinstimmung bzw. konnten die Beschädigungen einander zugeordnet werden.

Sowohl in der mit der Zeugin W und auch mit der Beschuldigten am 29. September 1999 beim Gendarmerieposten F aufgenommenen Niederschrift ist aus unerfindlichen Gründen jeweils als Vorfallszeitpunkt der 16. Juni 1999 gegen 07.30 Uhr genannt.

Insbesondere ist zu vermerken, dass die Berufungswerberin bereits vor der Gendarmerie angab, sie habe am 16. Juni 1999 zwischen 06.15 Uhr bis 06.30 Uhr ihren Ehemann zu seinem damaligen Arbeitsplatz bei der Firma T in V gebracht. Sie sei an diesem Tag keinesfalls mit dem Pkw an ein anderes Fahrzeug gestoßen. Am 28. September 1999 sei ihr Mann von der Firma gekündigt worden.

Aus diesen Umständen geht hervor, dass die Berufungswerberin offenbar nie mit der tatsächlichen Vorfallszeit, die erst wenige Tage vor der gegenständlichen Einvernahme (den 16. September 1999) zurückgelegen wäre, konfrontiert wurde. Somit konnte die Berufungswerberin sich nicht einmal veranlasst sehen, irgendwelche Recherchen anzustellen, wer allenfalls das Fahrzeug zehn Tage vor ihrer Befragung durch die Gendarmerie gelenkt haben mochte.

In weiterer Folge fand diese (offenbar falsche) Tatzeit auch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.10.1999 und letztlich auch in den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses Eingang.

Aus dem Akt der Behörde erster Instanz ist nicht ersichtlich, in welchem Umfang letztlich dem Rechtsvertreter die wahre Vorfallszeit zur Kenntnis gelangen konnte. Die tatsächliche Kenntnis der wahren Vorfallszeit seitens des Rechtsvertreters muss eher vielmehr bezweifelt werden, weil einerseits in der Berufung lediglich von einer zwei Seiten umfassenden Anzeige die Rede ist, andererseits der einzige Hinweis auf das (wahrscheinlich) richtige Vorfallsdatum im Text nur indirekt ableitbar ist, nämlich nicht unter Bezeichnung der Tat, sondern lediglich aus der Anführung der Beweismittel rückgeschlossen werden kann.

Somit ist im Zweifel davon auszugehen, dass weder der Berufungswerberin noch deren Rechtsvertreter die "wahre Tatzeit" binnen der offenen Verfolgungsverjährungsfrist zugänglich wurde. Darüber hinaus bezog sich keine spruchmäßige Tatumschreibung auf das Datum "16. September 1999."

Diese Annahme ist letztlich auch im Umstand begründet, dass weder der Gendarmerie ihr offenkundiges Versehen noch den einvernommenen Personen, die diese falsche Vorfallszeit letztlich mit ihrer eigenen Unterschrift bestätigten und letztlich auch nicht der Behörde aufgefallen war.

Es darf letztlich gegenüber dem Normunterworfenen kein strengerer Maßstab als der Behörde gegenüber angelegt werden.

4.1. Anlässlich der Berufungsverhandlung führte die Berufungswerberin aus, sich an einen Vorfall beim Ausparken auf diesem Parkplatz nicht erinnern zu können. Sie wies letztlich auch durchaus schlüssig darauf hin, dass der Schaden links hinten an ihrem Fahrzeug, welches ihr Mann im Juni 1999 erworben hatte, bereits zu diesem Zeitpunkt einen Schaden aufgewiesen hätte, wenngleich der Verkäufer einen solchen Vorschaden bestreite.

Die Zeugin W konnte ferner anlässlich der Berufungsverhandlung die Berufungswerberin als vermutliche Unfalllenkerin nicht identifizieren. Die Beobachtungsentfernung war jedoch anlässlich der Berufungsverhandlung - im Gegensatz zur Angabe der Zeugin vor der Gendarmerie - mit nur 35 m anzunehmen. Da Feststellungen darüber fehlen, ob nicht etwa eine andere Person das Fahrzeug der Berufungswerberin gelenkt haben könnte, wäre aus gegenwärtiger Sicht der Tatvorwurf wohl auch dem Grunde nach nicht mit einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit gegen die Berufungswerberin aufrecht zu erhalten.

Demgegenüber lassen die Beobachtungen der Zeugin W, die letztlich authentisch waren und im Hinblick auf die abgelesene Buchstabenkombination des Kennzeichens und den Umstand des ständigen Abstellens des Fahrzeuges der Berufungswerberin auf diesem Parkplatz, in Verbindung mit der mit der Realität übereinstimmend bezeichneten Fahrzeugfarbe und Type, einen Schluss auf die Unfallsbeteilung des Fahrzeuges der Berufungswerberin mit hoher Wahrscheinlichkeit zu.

4.2. Unbestritten ist letztlich, dass es von der Berufungswerberin unterlassen wurde, die Änderung ihres Wohnsitzes fristgerecht der Zulassungsbehörde anzuzeigen.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Wenn die Berufungswerberin schließlich in ihrer Eingabe vom 24. März 2000 eine unterbliebene Verfolgungshandlung einwandte, legte sie damit noch nicht zwingend dar, dass ihr durch den offenkundigen Textfehler der konkrete Tatvorwurf nicht dennoch bewusst geworden sein könnte. Daher konnte ihrem mit o.a. Schriftsatz erhobenen Einwand vorerst noch nicht gefolgt werden.

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Auch im Zurkenntnisbringen einer Anzeige, in der die Tat hinsichtlich aller der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben sind, verbunden mit der Aufforderung zur Rechtfertigung, kann eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG gründen (VwGH 7.9.1990, 85/18/0186 mit Hinweis auf Erk. verst. Senat 19.9.1984, 82/03/0112, VwSlg11525 A/1984, sowie VwGH 30.3.1992, 90/10/0080).

Schließlich ist im Einzelfall zu beurteilen, ob durch eine spezifische Verfolgungshandlung ein Beschuldigter in die Lage versetzt war, auf den Tatvorwurf hin sämtliche seiner Verteidigung dienenden Beweismittel zu beschaffen, ob die Tat in unverwechselbarer Weise festgestellt werden konnte und mit Blick darauf der Beschuldigte in die Lage versetzt ist, sich in jeder Richtung hin auf den Tatvorwurf zu verteidigen.

Dies war in diesem Verfahren nicht der Fall. Sämtliche Vorhalte und auch die Verteidigungsstrategie lief hier offenkundig auf den 16. Juni 1999 und nicht auf den 16. September 1999 hinaus.

Daher entbehrt es betreffend der hier zur Last gelegten Tat einer binnen offener Frist gesetzten tauglichen Verfolgungshandlung. Das Verwaltungsstrafverfahren war daher in diesem Punkt letztlich schon nach § 45 Abs.1 Z3 VStG zur Einstellung zu bringen.

Dahingestellt hat daher zu bleiben, ob darüber hinaus die Berufungswerberin an sich als die Lenkerin des Schädigerfahrzeuges in Betracht kommen könnte.

5.2. Hinsichtlich des Punktes 2. des Straferkenntnisses kann auf den klaren Wortlaut des Gesetzes bzw. die zutreffenden Ausführungen der Behörde erster Instanz hingewiesen werden.

Die Anwendung des § 21 VStG kann hier insbesondere deshalb nicht in Betracht kommen, als nicht davon ausgegangen werden kann, dass grundsätzlich im Unterlassen dieser Meldepflicht die Folgen bloß unbedeutend wären. Davon kann nicht die Rede sein, weil im Falle der offenkundig in diesem Verfahren erforderlich gewordenen Zulassungsanfrage unweigerlich zusätzliche behördliche Erhebungen (zumindest in Form einer Meldeanfrage) ausgelöst wurden, um dadurch die Zulassungsbesitzerin auszuforschen. Eben diesem Regelungsziel wurde mit der gegenständlichen Unterlassung entgegengewirkt, sodass - selbst bei tatsächlich bloß geringem Verschulden - in Ermangelung des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen für ein Absehen von einer Bestrafung diese Vorgangsweise nicht in Betracht zu ziehen war.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß §19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Selbst wenn die Berufungswerberin gegenwärtig über ein noch geringeres Monatseinkommen - als dieses von der Behörde erster Instanz mit 9.000 S angenommen wurde - verfügen sollte, könnte der verhängten Strafe in der Höhe von bloß 300 S (Ausschöpfung des gesetzlichen Strafrahmens im Ausmaß von nur einem Prozent objektiv nicht entgegengetreten werden. Die Berufungswerberin ist gegenwärtig noch nicht sorgepflichtig (ist jedoch im 5. Monat schwanger) und verfügt laut ihrer Angabe über kein nennenswertes Vermögen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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