Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106912/2/SR/Ri

Linz, 28.03.2000

VwSen-106912/2/SR/Ri Linz, am 28. März 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung der E J, geb., Bstraße, A-P, vertreten durch RA Dr. H, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von V vom 24. Jänner 2000, Zahl VerkR96-16405-1998, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - AVG iVm § 45 Abs.1 Z1 und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 17.9.1998 um 23.09 Uhr den Pkw V auf der H S Straße in W in Richtung Westen gelenkt und haben auf Höhe des Hauses die in Ortsgebieten erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 42 km/h überschritten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 20 Abs.2 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

 

Geldstrafe von Schilling

Falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß §

 

4000,--

 

72 Stunden

 

99 Abs.3 lit.a StVO. 1960

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

400,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 4400,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

2. Gegen dieses der Bw am 1. Februar 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 15. Februar 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen begründend aus, dass der Zulassungsbesitzer bei der Lenkerauskunft die Bw als Lenkerin bekannt gegeben habe und diese sich nicht sicher sei, den Pkw zur angeführten Zeit gelenkt zu haben. Daher würde die Lenkereigenschaft zweifelsfrei bestehen und auf Grund der vorliegenden Beweismittel die Geschwindigkeitsüberschreitung erwiesen sein.

2.2. Die Bw wendet dagegen ein, dass sie bereits in der Stellungnahme vom 28. April 1999 ausgeführt habe, dass sie das Kfz nicht gelenkt hätte. Die Behörde sei vermutlich durch die Angaben des Gatten zu dieser Feststellung gelangt, hätte es jedoch unterlassen, ihr dieses Erhebungsergebnis im Verfahren vorzuhalten.

3. Die Bezirkshauptmannschaft V hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Bereits aus der Aktenlage war ersichtlich, dass der Bescheid aufzuheben ist, sodass eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z1 VStG nicht durchzuführen war.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. § 20 Abs. 2 StVO (auszugsweise):

.... darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren. ......

Unabdingbares Tatbestandselement ist die Lenkereigenschaft des Beschuldigten. Die Behörde erster Instanz hatte daher die grundsätzliche Verpflichtung festzustellen, wer den im angefochtenen Straferkenntnis bezeichneten Pkw zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat. Wie dem Verwaltungsakt entnommen werden kann, hat die Behörde den Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs. 2 KFG befragt und dieser hat fristgerecht die Bw als Lenkerin benannt.

Entgegen dieser Auskunft hat die Bw in den Stellungnahmen vom 4. Februar 1999 und 28. April 1999 ausgeführt, die Verwaltungsübertretung nicht begangen bzw. mit Sicherheit ausschließen zu können, den Pkw im inkriminierten Zeitpunkt gelenkt zu haben.

4.2. Gemäß § 45 Abs. 2 AVG (im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG anwendbar) hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Bei der Beurteilung darf die Behörde aber nur die gewonnenen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens heranziehen. Es ist ihr jedoch verwehrt, aktenwidrige Annahmen als Ermittlungsergebnis darzustellen und auf Grund derer eine Beurteilung vorzunehmen.

Die Bw hat in der Stellungnahme vom 28. April 1999 eindeutig mitgeteilt, dass sie "mit Sicherheit ausschließen kann, diesen Pkw im inkriminierten Zeitpunkt gelenkt zu haben." Dagegen ist die Behörde erster Instanz im angefochtenen Straferkenntnis auf den Seiten 2 (vierter Absatz) und 3 (dritter Absatz) davon ausgegangen, dass die Bw "sich nicht sicher sei, den bezeichneten Pkw gelenkt zu haben".

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet für die Behörde nicht eine Beweisbefreiung. Die Behörde darf nur, nachdem sie alles zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getan, ohne an irgendwelche Regeln gebunden zu sein, schlüssige Folgerungen ziehen. Dies setzt voraus, das der ermittelte Sachverhalt und nicht ein in der Folge willkürlich angenommener der Würdigung unterworfen wird.

Dem Akt sind widersprechende Aussagen des Zulassungsbesitzers und der Bw zu entnehmen. Da alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind, d.h. die gleiche abstrakte Beweiskraft haben, ist allein der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht (VwGH 20.12.1990, 90/10/0134).

Die Bw hat, wie bereits ausgeführt, während des gesamten Verfahrens bestritten, entsprechend der Anlastung gelenkt zu haben und es kann daher ohne weitere Begründung nicht davon ausgegangen werden, dass kein Zweifel an ihrer Lenkereigenschaft besteht.

Auch wenn sich die Bw im Gegensatz zu einem in Frage kommenden Zeugen (Zulassungsbesitzer) frei verantworten kann und nicht der Wahrheitspflicht unterliegt, hätte es einer entsprechenden Begründung durch die Behörde erster Instanz bedurft. Auf Grund der konsequenten und glaubwürdigen Verantwortung der Bw (wenn diese auch mit verfahrensverzögernden Anträgen versehen war) ist der Verwaltungssenat gehalten, diesem Vorbringen zu folgen.

Wäre im Gegensatz dazu die Behörde erster Instanz der Ansicht gewesen, dass durch die Verantwortung der Bw der Sachverhalt noch nicht zweifelsfrei feststeht, dann hätte sie Erhebungen einzuleiten gehabt, ob die Bw unberechtigterweise das ihr übergebene Kfz ohne Zustimmung des Zulassungsbesitzers an dritte Personen überlassen hat oder ob der Zulassungsbesitzer eine nicht zutreffende Lenkerauskunft erteilt hat.

Da der Bw die ihr nach der konkreten Tatumschreibung zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung:

Beweiswürdigung

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