Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106963/12/Br/Bk

Linz, 31.05.2000

VwSen -106963/12/Br/Bk Linz, am 31. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 29. März 2000, Zl: VerkR96-4539-1999-OJ/HA, wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, nach der am 30. Mai 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

  1. Der Berufung wird im Punkt 1) keine Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Punkt mit der Maßgabe bestätigt, dass anstelle der Worte "9 Stunden" die Worte "zehn Stunden" zu treten haben und die Wortfolge "auf den 05.10.1999" zu entfallen hat.

Im Punkt 2) wird das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Z1 und Abs.3 Z1 und 3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Im Punkt 1) werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 400 S (entspricht  29,07 Euro) als Kosten für das Berufungsverfahren auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen zwei Übertretungen nach § 134 Abs.1 KFG iVm der VO (EWG) 3820/85 Geldstrafen von je 2.000 S und je 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, weil er als Lenker eines LKW mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t an einer bestimmten Örtlichkeit und Zeit gelenkt habe und dabei

1) die erlaubte Tageslenkzeit vom 4.10.1999 auf den 5.10.1999 anstatt 9 Stunden ca. 12 Stunden betragen habe,

2) die tatsächliche Ruhezeit am 4.10.1999 auf den 05.10.1999 statt 9 Stunden nur 5 Stunden und 54 Minuten betragen habe.

2. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die dienstliche Wahrnehmung des Meldungslegers. Sie erachtete die Übertretungen auf Grund der vorliegenden Schaublätter einwandfrei als erwiesen. Der Tatvorwurf sei vom Berufungswerber nicht bestritten worden.

Zur Begründung des Strafausmaßes wies die Behörde erster Instanz auf das Ausmaß der Fahrzeitüberschreitung hin. Sie erachtete diesen Umstand als straferschwerend und hielt mit Blick darauf die verhängten Geldstrafen als tat- und schuldangemessen.

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung. Inhaltlich werden die zur Last gelegten Übertretungen bestritten. Es wurde gerügt, dass die Behörde erster Instanz kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Das Straferkenntnis leide an Begründungsmängel und es sei die tatsächliche Tageslenkzeit nicht genau festgestellt worden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt in welchem letztlich auch die beiden Schaublätter vorgefunden werden konnten. Diese wurden einer visuellen Auswertung hinsichtlich Fahrzeiten und Zeiten des Stillstandes unterzogen.

Der Meldungsleger wurde um eine Stellungnahme dahingehend ersucht, wie er zur Feststellung der fraglichen Fahr- bzw. Ruhezeiten gelangte. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers wurde mit h. Schreiben vom 23. Mai 2000 noch aufgefordert, die Schaublätter, welche vorerst im Akt nicht vorgefunden werden konnten, vorzulegen. Bereits im Zuge der Ladung zur Berufungsverhandlung wurde der Hinweis über die persönliche Teilnahme an der Berufungsverhandlung aufgenommen.

4. Da keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine Berufungsverhandlung wurde angesichts der Bestreitung von Tatsachen in Wahrung der gemäß Art 6 EMRK intendierten Rechte anberaumt, obwohl jeweils keine 3.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

5. Aus der Anzeige lässt sich nicht nachvollziehen, in welchem Umfang die Tageslenkzeit konkret überschritten wurde. Es wurde darin insbesondere nicht dargelegt, ob während der betreffenden Woche bereits zweimal die erlaubte 10-stündige Lenkzeit konsumiert war. Damit setzte sich offenkundig auch nicht die Behörde erster Instanz auseinander.

In der als Textbausteinen gestalteten Anzeige ist zum ersten Übertretungspunkt lediglich eingefügt, "am 4.-5.10.1999 Lenkzeit 24/12 Std./Min.;" In der Stellungnahme vom 26. Mai 2000 führt der Meldungsleger hinsichtlich seiner Beurteilung der Stundenanzahl an, "dass zwischen den beiden Tageslenkzeiten (4.-5.10.) keine tägliche Ruhezeit (lt. Art. 8 EGVO 3820) eingehalten wurde und daher beide Tage zusammengezählt wurden (gemeint wohl hinsichtlich der Lenkzeit). Diesbezüglich handelt es sich offenkundig um eine individuelle Rechtsmeinung, welche dem Meldungsleger im Zuge des Ersuchens um Präzisierung seiner Anzeige gerade nicht abverlangt wurde.

Hinsichtlich des Punktes 2) der Anzeige wird die Ruhezeit "vom 4.10.1999 auf den 5.10.1999 mit 5 Stunden und 54 Minuten" festgestellt. Als Beginn des 24 Std. Zeitraumes wird 03.55 Uhr (gemeint wohl des 4. Oktober 1999) angenommen.

Die Behörde erster Instanz hat nach Erlassung der Strafverfügung im Rechtshilfeweg eine Beschuldigtenvernehmung veranlasst. Dieser leistete der Berufungswerber unentschuldigt keine Folge (die Ladung wurde von ihm offenkundig eigenhändig am 26.11.1999 übernommen).

Eine konkrete Dokumentation der Auswertung der Schaublätter erliegt im Akt nicht.

Die vom Oö. Verwaltungssenat anlässlich bzw vor der Berufungsverhandlung ohne optisches Gerät zeitlich chronologisch vorgenommene Auswertung der Schaublätter ergab einerseits, dass der Lenkbeginn am 4.10.1999 um 04.25 Uhr und nicht wie in der Anzeige dargetan, um 03.55 Uhr erfolgte. Die gesamte Tageslenkzeit konnte mit 13 Stunden und 10 Minuten festgestellt werden. Sie endete am 4.10.1999 um 22.00 Uhr und wurde am 5.10.1999 um 04.50 Uhr wieder aufgenommen.

Die nächtliche Ruhezeit betrug demnach 6 Stunden und 50 Minuten. Der Behörde erster Instanz unterlief hier offenbar auch ein lapidarer Rechenfehler. Somit erweist sich der Tatvorwurf im Spruchpunkt 2) als inhaltlich nicht haltbar.

Hinsichtlich des Spruchpunktes 1) blieben aber dennoch keine Zweifel an der nicht bloß unerheblichen Fahrzeitüberschreitung. Dies geht klar aus dem Schaublatt vom 4. Oktober 1999 hervor, wobei demnach die reine Lenkzeit ca. 13 Stunden und 30 Minuten betrug. Da jedoch von einer zulässigen Tageslenkzeit von 10 Stunden auszugehen war, bleibt letztlich die Zeitdauer der angelasteten Tageslenkzeitüberschreitung auch mit dem modifizierten Tatvorwurf im Ergebnis ident.

Der Berufungswerber vermochte mit seinem gänzlich inhaltsleeren Vorbringen diesem Tatvorwurf nichts entgegenzuhalten. Es muss letztlich als geradezu mutwillig bezeichnet werden, wenn einerseits der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung weder der Berufungswerber noch dessen Rechtsvertreter teilzunehmen bereit war, andererseits aber das Tatverhalten ohne jedes inhaltliche Argument und wohl auch in Kenntnis seiner damaligen Fahrzeiten selbst noch im ergänzenden Schriftsatz vom 22. Mai 2000 bestritten wurde.

Auch die Behörde erster Instanz reduzierte ihr Beweisverfahren auf den reinen Formalakt der Einräumung des Parteiengehörs und setzte sich offenbar mit dem einzigen Beweismittel der Schaublätter inhaltlich nicht wirklich auseinander. Diese Feststellung kann auch in der bloß hülsenhaften Begründung des Straferkenntnisses gestützt werden. Wenn nicht einmal die Aufzeichnung der sich aus den Schaublättern ergebenden Zeitetappen zur Anzeige beigeschafft oder nachgefordert wurden, ist es nur schwer nachvollziehbar, darin dennoch einen "einwandfreien Beweis für die Tatbegehung" erblicken zu können. Diesbezüglich kommt andererseits dem Einwand des Berufungswerbers durchaus Berechtigung zu.

Auch die Behörde erster Instanz nahm unbegründet an der Berufungsverhandlung nicht teil. Das Beweisverfahren war diesbezüglich von der Berufungsbehörde in der Substanz zu ergänzen.

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Gemäß Art 6 Abs.1 der EG-Verordnung 3820/85 darf die Tageslenkzeit die genannte Gesamtanzahl zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit von 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.

Die hier verfahrensgegenständlichen Fahrten liegen innerhalb eines einzigen Tages, sodass mangels Feststellung der Konsumtion einer 10-stündigen Lenkzeit zweimal wöchentlich, jedenfalls von einer zulässigen Lenkzeit von zehn Stunden auszugehen gewesen ist. Dennoch ist hier von einer Lenkzeitüberschreitung im fraglichen Zeitraum von dreieinhalb Stunden auszugehen, wobei diesbezüglich mit einer Korrektur des Spruches im Sinne des § 44a Z1 VStG vorgegangen werden konnte. Der Berufungswerber wurde hiedurch weder in seinen Verteidigungsrechten verkürzt noch kann er hiedurch mangels jedweder Auswechslung eines Tatmerkmales der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt sein.

Der Tatvorwurf im Punkt 2) "die tatsächliche Ruhezeit habe am 4.10.1999 auf den 5.10.1999 statt 9 Stunden nur 5 Stunden 54 Minuten betragen", ist objektiv unrichtig, sowie in der Wendung "am 4.10.1999 auf den 5.10.1999" sprachlich unschlüssig formuliert und es wurde insbesondere die Alternativmöglichkeiten der Gestaltung der Ruhezeiten im Sinne des zweiten Absatzes des Art. 8 der VO 3820/85 nicht berücksichtigt. Diesbezüglich schien eine taugliche Verfolgungshandlung nicht gegeben, sodass diesbezüglich der Berufungsbehörde eine Möglichkeit zur Richtigstellung verwehrt ist. Es war daher in diesem Punkt gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG mit der Einstellung vorzugehen.

6.2. Es hat hier dahingestellt zu bleiben, inwieweit sich die Schutznormen hinsichtlich der Einhaltung der Ruhezeiten nach Art. 8 der VO 3820/85 mit der hier ohnedies bereits erfolgten Bestrafung wegen der Lenkzeitüberschreitung an sich überschneiden und einander gemäß dem Grundsatz "ne bis in idem" überhaupt ausschließen. Der Strafbedarf könnte hier mit Blick auf den inhaltlich weitgehend identen Schutzzweck durchaus bereits mit der Strafe wegen Überschreitung der Lenkzeit abgedeckt gesehen werden.

6.2.1. Gemäß § 134 Abs.1 erster Satz KFG 1967 ist derjenige, der diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieser Bundesgesetze erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Art.5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABlNr L 370 vom 31 12 1985, Seite 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, zuwiderhandelt (sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet [§ 134 Abs.2 Z2 KFG]) mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Zur Strafbemessung:

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Wie die Behörde erster Instanz diesbezüglich jedoch zutreffend ausführte, wurden durch die Überschreitung der Fahrzeit im hier verfahrensgegenständlichen Ausmaß rechtlich geschützte Interessen deren Zweck die Strafdrohung dient, nämlich die der Verkehrssicherheit, in nicht unerheblichem Ausmaß nachteilig betroffen.

Der objektive Unrechtsgehalt der Taten kann selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden. Es bedürfte wohl keiner näheren Ausführungen, dass von potenziellen Übermüdungen von Lenkern erhebliche Sicherheitsrisiken einhergehen, deren Folgen letztlich fatal sein können.

Dass die Einhaltung der hier von der Bestätigung umfassten Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund der obigen Feststellungen anzunehmen. Vielmehr konnte hier den Schaublättern entnommen werden, dass es sich offenbar um systematisch angelegte Tagestouren handelte, wobei den zulässigen Fahrzeiten nicht die hinreichende Bedeutung zugemessen wurde.

Selbst unter der Annahme von bloß durchschnittlichen Einkommensverhältnissen, keinem Vermögen und auch allfälliger Sorgepflichten, kann in der hier vorgenommenen Strafzumessung ein Ermessensfehler nicht erblickt werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Schutzzweck, ne bis in idem

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