Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106986/3/SR/Ri

Linz, 08.06.2000

VwSen-106986/3/SR/Ri Linz, am 8. Juni 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des J M, A A, W, als strafrechtlich Verantwortlicher der Firma Transport R Ges.m.b.H. gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von S vom 13. April 2000, VerkR96-6759-1999 wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG), zu Recht erkannt:

I.  Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2 und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben als das nach außen zur Vertretung berufene Organ der Firma Transport R Ges.m.b.H., A A, W, die Zulassungsbesitzer des Sattelkraftfahrzeuges mit dem Zugfahrzeugkennzeichen W und des Anhängers mit dem Kennzeichen W ist, nicht dafür gesorgt, dass der Sattelanhänger den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht, weil am 11. Oktober 1999 um 11.30 Uhr auf der A Iautobahn auf Höhe Kilometer (Einreisewaage - Autobahngrenzübergang S) festzustellen war, dass der linke Reifen der ersten Achse bis zum Gewebe aufgerissen bzw beschädigt und somit der Anhänger nicht verkehrs- und betriebssicher war.

 

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 4 Abs. 4 KDV 1967 i.d.g.F. letzter Satz in Verbindung mit § 4 Abs.1 und Abs.2 KFG und im Zusammenhang mit § 103 Abs.1 Ziff.1. KFG 1967 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie gem. § 134 Abs.1 KFG 1967 folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 1.000,--

Falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von: 1 Tag

Ferner haben Sie gem. § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) zu zahlen:

Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens: S 100,--

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher ATS 1.100,-- (79,94 Euro)."

2. Gegen dieses am 19. April 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 20. April 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz persönlich eingebrachte Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der Bw bei ausreichender Prüfung - vor Anritt der Fahrt - die Beschädigung bemerken hätte müssen, da ein derartiger Mangel nicht plötzlich auftreten würde.

2.2. Dagegen wendet der Bw unter anderem ein, dass er weder Zulassungsbesitzer noch Eigentümer des Aufliegers W wäre und der bzw die Reifen vor Antritt der Fahrt sehr wohl überprüft worden seien.

3. Auf Grund der Begründung des Straferkenntnisses und den Berufungsangaben wurde der technische Sachverständige Ing. S von der Oö Landesprüfstelle, der die Beschädigung begutachtet hatte, um eine ergänzende Stellungnahme ersucht.

Am 25. Mai 2000 teilte der Sachverständige telefonisch mit, dass eine Beschädigung des Reifens während der Fahrt nicht ausgeschlossen werden könne. Gegenständlicher Reifen hätte, ausgenommen des angeführten Einrisses, einen guten Zustand aufgewiesen. Hinweise auf eine länger zurückliegende Beschädigung (zB. angerostetes Drahtgewebe), die dem Bw vor Inbetriebnahme erkennbar gewesen wäre, hätten nicht festgestellt werden können.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, hatte die mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z1 VStG zu entfallen.

§ 103 Abs.1 Z1 KFG:

Der Zulassungsbesitzer hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen - den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;..

§ 4 Abs.4 KDV:

Die Tiefe der für die Ableitung des Wassers von der Lauffläche des Reifens erforderlichen Vertiefungen des Laufstreifens (Profiltiefe) muß im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa drei Viertel der Laufflächenbreite einnimmt, bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h, ausgenommen Motorfahrräder, und bei Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, am gesamten Umfang mindestens 1,6 mm, bei Kraftfahrzeugen und Anhängern mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3500 kg mindestens 2 mm, und bei Motorfahrrädern mindestens 1 mm betragen. Reifen, die für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen oder als Schnee-, Matsch- und Eisreifen bestimmt sind, müssen, sofern sie gemäß einer straßenpolizeilichen Anordnung verwendet werden, eine Profiltiefe von mindestens 5 mm bei Reifen in Diagonalbauart oder von mindestens 4 mm bei Reifen in Radialbauart aufweisen. Reifen von Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen müssen mit Indikatoren versehen sein. Diese müssen an mindestens vier gleichmäßig über den Umfang des Reifens verteilten Stellen so angeordnet sein, daß sie dauerhaft und deutlich erkennbar machen, ob die Mindesttiefe der Vertiefungen erreicht oder unterschritten ist. Die Reifen dürfen keine mit freiem Auge sichtbaren bis zum Unterbau des Reifens reichenden Risse oder Ablösungen des Laufbandes oder der Seitenbänder aufweisen.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

§ 9 Abs.1 VStG:

Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftrage (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

4.2. Auf Grund der Aktenlage steht fest, dass der Bw strafrechtlich Verantwortlicher im Sinne des § 9 Abs.1 VStG ist.

4.3. Die Behörde erster Instanz ist verpflichtet, den objektiven Tatbestand von Amtswegen zu ermitteln. Daraus folgt, dass dem Bw eine Verletzung der Verwaltungsvorschrift erst dann angelastet werden kann, wenn der objektive Tatbestand - hier die Nichtbefolgung eines Gebotes - feststeht. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Bw auf Grund des Sachverständigengutachtens vorgeworfen, dass er seiner Verpflichtung als strafrechtlich Verantwortlicher des Zulassungsbesitzers nicht nachgekommen ist, da die Bereifung nicht den Vorschriften des KFG entsprochen hat und dieser schwere Mangel vor der Inbetriebnahme bestanden hat.

Dieser Vorwurf setzt aber voraus, dass die Bereifung tatsächlich nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat. Die Vermutung alleine wird dem nicht gerecht. Unstrittig ist, dass der Reifen zum Zeitpunkt der Beanstandung die bezeichnete Beschädigung aufgewiesen hat. Der Aktenlage lässt sich jedoch die Feststellung der Behörde erster Instanz - Mangel bereits vor der Inbetriebnahme vorgelegen - nicht entnehmen bzw findet keine Deckung im Gutachten.

Auch wenn § 103 Abs.1 Z1 KFG nicht dezidiert davon spricht, dass der Mangel bereits vor der Inbetriebnahme vorgelegen sein muss, ist diese Bestimmung beim gegenständlichen Vorwurf zusammen mit § 102 Abs.1 KFG zu sehen. Dem Bw kann hier nicht ein Schaden, der erst nach der Inbetriebnahme entstanden ist, vorgeworfen werden.

Das der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegte Gutachten führt aus, dass der linke Reifen der ersten Achse auf der Lauffläche bis auf das Gewebe aufgerissen war und durch diesen Mangel das Fahrzeug nicht verkehrs- und betriebssicher gewesen ist. Über die Art und den Zeitpunkt der Beschädigung ist dem Gutachten nichts zu entnehmen. Obwohl der Bw im Einspruch vom 4. Februar 2000 einen vorliegenden Mangel vor der Inbetriebnahme bestritten hat, wurde von der Behörde erster Instanz, ohne weitere Ermittlungen zu tätigen, das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Hätte die Behörde erster Instanz eine ergänzende Befragung des Sachverständigen durchgeführt, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass der Zeitpunkt der in Frage kommenden Beschädigung des Reifens nicht festgestellt werden kann.

Da durch die Ausführungen des Gutachters nicht feststeht, dass die Beschädigung des Reifens vor der Inbetriebnahme des Sattelfahrzeuges bestanden hat und auch dem Ermittlungsverfahren keine anderen Feststellungen (auffallende Sorgfaltswidrigkeit, fehlende Anweisungen betreffend der Vorgangsweise bei kurzfristig auftretenden Schäden) entnommen werden können, kann dem Bw die angelastete Verwaltungsübertretung nicht vorgeworfen werden.

§ 45 Abs.1 Z2 VStG (auszugsweise):

Die Behörde hat von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

......

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat ...

Da der Bw die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Feststellung des Sachverhaltes

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum