Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107003/2/Br/Bk

Linz, 25.05.2000

VwSen-107003/2/Br/Bk

Linz, am 25. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 28. März 2000, Zl: VerkR96-70-2000 Sö, wegen einer Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht:

  1. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.
  2. Rechtsgrundlage:

    § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1995 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

  3. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 300 S (20% der verhängten Strafe [entspricht 21,80 Euro]) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen einer Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 1.500 S verhängt, weil er es als

Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen unterlassen habe, der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems, auf deren schriftliches Verlangen vom 5.1.2000 binnen zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 13.09.1999 um 03.23 Uhr in Österreich auf der A9 bei Strkm 40,986 in Richtung Kirchdorf an der Krems gelenkt habe.

2. Die Erstbehörde vertrat in ihrer Begründung im Kern die Rechtsauffassung, dass mit dem vom Berufungswerber gehaltenen Kraftfahrzeug in Österreich eine Verwaltungsübertretung (Geschwindigkeitsüberschreitung) begangen worden sei und damit die österreichische in Verfassungsrang stehende Rechtsvorschrift, eine derartige Aufforderung zu Recht auch gegen einen in Deutschland wohnhaften Zulassungsbesitzer gerichtet werden darf und dieser letztlich auf Grund dieser Rechtsvorschrift zur Auskunft verpflichtet sei. Die Behörde erster Instanz schätzte mangels konkreter Angaben des Berufungswerbers dessen Monatseinkommen auf 1.500 DM, sie ging von keinem Vermögen und der Sorgepflicht für zwei Kinder aus.

2.1. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit der von seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung.

Im Ergebnis wird darin auf das international anerkannte Recht auf Zeugnisverweigerung verwiesen, das auch in Österreich gelten müsse. Beim Lenker habe es sich um den Bruder des Beschuldigten gehandelt. Es wurde einerseits um Bekanntgabe der entsprechenden Rechtsvorschrift ersucht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Verfahrenseinstellung beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt, woraus sich in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen eine ausreichend klare Entscheidungsgrundlage ergibt.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt wurde, konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unterbleiben.

5. Folgender Sachverhalt ist auf Grund der unbestrittenen Aktenlage erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber ist laut Mitteilung des Kraftfahrbundesamtes (Flensburg) vom 23.12.1999 zum o.a. Zeitpunkt Halter des Pkw mit dem Kennzeichen Unbestritten war dieses Fahrzeug am 13.9.1999 um 03.23 Uhr auf der A9 in Österreich unterwegs. Dabei wurde vom Lenker dieses Fahrzeuges ein Verstoß gegen eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift (Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 38 km/h) begangen.

Im Zuge der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers, die dem Berufungswerber am 17. Jänner 2000 zugestellt wurde, war unter Anführung der spezifischen kraftfahrgesetzlichen Bestimmung der Hinweis enthalten, dass eine Verweigerung dieser Auskunft strafbar ist und mit einer Verwaltungsstrafe bis zu 30.000 S geahndet werde.

Bereits in Reaktion darauf berief sich der schon zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretene Berufungswerber auf das Zeugnisverweigerungsrecht und fügte diesem hinzu, dass zum fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug einem Familienangehörigen überlassen war.

5.1.1. Der Berufungswerber vermochte mit seinem schriftlichen Vorbringen nicht glaubhaft machen, dass ihn an der ungenügenden Namhaftmachung des Lenkers ein Verschulden nicht trifft. Seine Verantwortung basiert auf einer irrigen Rechtsansicht betreffend die h. einschlägige österreichische Rechtsvorschrift.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

6.1.1. Der Oö. Verwaltungssenat übersieht nicht, dass der deutschen Rechtsordnung eine hier vergleichbare Verpflichtung fremd ist und dort als grundrechtswidrig erachtet und dem entgegenstehende österreichische Strafaussprüche in Deutschland offenbar auch nicht vollstreckt werden. Hier gilt es jedoch aus nachfolgenden Gründen österreichisches Recht anzuwenden.

6.2. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art.6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des (österreichischen) Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch durchaus kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den dadurch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses [VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.]. Dem Berufungswerber ist daher durchaus zu folgen, wenn er hier das grundsätzlich geltende Zeugnisverweigerungsrecht hier potenziell durchbrochen erblickt.

Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers eine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren zumindest noch nicht unmittelbar erfolgt und jedenfalls damit ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen die namhaft gemachte Person nicht präjudiziert wird, scheinen mit dieser Verpflichtung zumindest vordergründig keine Gegensätze zu Grundsätzen der EMRK gegeben. Ein Widerspruch zur EMRK ist im Lichte des VfGH-Erk. v. 29.09.1988, Zl. G72/88 aus innerstaatlicher Sicht zumindest nicht unmittelbar zu erblicken. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191). Dieser Intention schließt sich auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner Rechtsprechung an, weil aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint. In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge (auch Bürger von Mitgliedsländer der EU und Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508).

Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen - hier ist keine Ausnahme gegeben - nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER - zum Tatbestand gehörende - ERFOLG IM INLAND EINGETRETEN IST. Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft gilt - anders als nach der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) - nicht der Ort, an welchem etwa eine solche Aufforderung dem "Verpflichteten" zugekommen ist, sondern - als Tatort gilt - der Sitz der anfragenden Behörde, als Ort der geschuldeten Handlung (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst. Senat] 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156). Die vom Berufungswerber geübte Verweigerung - auch die Mitteilung, die Auskunft nicht mit Sicherheit erteilen zu können, kommt einer Verweigerung gleich - ist sohin als im Inland begangen zu erachten. Im Lichte der auf den Tatort bezogenen geänderten Rechtsprechung liegt daher nunmehr die hier zum Vorwurf gemachte Tat nicht (mehr) außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des österreichischen Verwaltungsstrafrechtes, weil eben der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Es macht in diesem Zusammenhang keinen Unterschied, ob die geschuldete Handlung hier vom Ausland zu initialisieren gewesen wäre oder dies bei einem österreichischen Zulassungsbesitzer in aller Regel vom Inland aus geschieht.

Sollte sich darüber hinaus der Berufungswerber - was er in seiner Berufung nicht ausdrücklich dartut - an die spezifische Aufforderung einer österreichischen Behörde nicht gebunden erachten und sich auf "allgemein verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung außerhalb des Hoheitsgebietes von Österreich" und sich damit auf die Begrenzung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staatsgebietes (Territorialitätsprinzip) berufen wollen, müsste ihm auch mit derartigen rechtlichen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben. Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriss des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die offenkundig vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung dessen Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und den damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung erfordert - wie im Ergebnis schon dargelegt - einerseits die obzitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G72/88), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates, einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Ebenfalls könnte sich der Berufungswerber angesichts des Hinweises bezüglich der Strafbarkeit der Verweigerung der Lenkerbekanntgabe schon in der Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht entschuldigend auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als nicht rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr.23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist, wie oben schon dargetan, insofern gegeben, als das auf den Rechtsmittelwerber zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung - ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung - Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl. VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095 u.a.).

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass die von der Erstbehörde verhängte Strafe in der Höhe von 1.500 S durchaus noch gering bemessen wurde. Es liegt im öffentlichen Interesse, insbesondere im Interesse der Pflege der Verkehrssicherheit, dass ein Fahrzeuglenker, der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt, einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden kann. Angesichts des bis zu 30.000 S reichenden Strafrahmens kann hier keinesfalls eine Überschreitung des Ermessensspielraumes durch die Erstbehörde erblickt werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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