Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107022/11/Sch/Rd

Linz, 24.08.2000

VwSen-107022/11/Sch/Rd Linz, am 24. August 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 10. Kammer (Vorsitzender: Dr. Leitgeb; Berichter: Dr. Schön; Beisitzer: Mag. Gallnbrunner) über die Berufung des Ing. H vom 22. Mai 2000, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. Mai 2000, III/S-25.005/99 1, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 6. Juli 2000 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 16.000 S (entspricht 1.162,77 €) herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 1.600 S (entspricht 116,28 €). Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 8. Mai 2000, III/S-25.005/99 1, über Herrn Ing. H, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 18.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt, weil er am 6. Juli 1999 um 00.39 Uhr in Linz, Pfarrplatz Nr. 4, Fahrtrichtung Hauptplatz, von der Kollegiumgasse kommend ein Fahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, da eine Messung mittels Atemalkoholmessgerätes einen Messwert von 1,02 mg/l ergeben habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 1.800 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Strafbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass vom Berufungswerber das Ergebnis der Alkomatuntersuchung nicht in Frage gestellt wurde, sodass sich diesbezüglich Erörterungen von vornherein erübrigen.

Bestritten wurde allerdings, dass der Rechtsmittelwerber der Lenker des Fahrrades zum Vorfallszeitpunkt gewesen sei. Er habe vielmehr auf der Längsstange seines Fahrrades gesessen, dieses sei aber von einer anderen Person vom vorgesehenen Sitzplatz aus bedient und gelenkt worden. Bei Ansichtigwerden eines Polizeifahrzeuges hätten beide Personen ihre bislang eingenommenen Positionen aufgegeben und seien sofort abgestiegen.

Der vom Berufungswerber als Lenker benannte Ing. B wurde bereits von der Strafbehörde im Rahmen ihres Verfahrens, aber auch vom Oö. Verwaltungssenat im Zuge der eingangs erwähnten Berufungsverhandlung einvernommen. Er hat dabei eindeutig bestätigt, der Lenker gewesen zu sein, der Berufungswerber sei auf der Längsstange des - letzterem eigentümlichen - Fahrrades gesessen. Diese für den Rechtsmittelwerber entlastende Aussage musste aber insofern sehr relativiert werden, als im konkreten Fall noch mehrere Umstände zu berücksichtigen waren.

Zuerst zum Ablauf der Anhaltung bzw der anschließenden Amtshandlung:

Nach den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige bzw in der Folge bei der zweimaligen zeugenschaftlichen Einvernahme durch die Strafbehörde - zur Berufungsverhandlung war er aufgrund eines bei ihm gelegen gewesenen Terminirrtums nicht erschienen, weshalb die erwähnten Zeugeneinvernahmen mit Zustimmung beider bei der Verhandlung anwesend gewesenen Parteienvertreter verlesen wurde - war nicht der erwähnte Zeuge Lenker des Fahrrades gewesen, sondern der Berufungswerber. Dieser habe das Fahrrad gelenkt, während eine weitere Person, nach der Sachlage kann wohl nur der erwähnte Zeuge in Frage kommen, hinten auf dem Fahrrad gestanden sei. Ob dies auf einem Gepäckträger geschehen sei oder auf Teilen des Rahmens konnte er nicht angeben. Der Zeuge war sich aber sicher, dass ihm keine Verwechslung der beiden Personen unterlaufen sei.

Der Oö. Verwaltungssenat geht grundsätzlich einmal davon aus, dass einem Sicherheitswachebeamten zuverlässige Angaben über die Wahrnehmung von Vorgängen bzw die entsprechende Zuordnung der handelnden Personen möglich ist. Zum anderen werden seine Angaben auch durch das Verhalten des Zeugen gestützt. Dieser hat sich sowohl nach den Angaben des Meldungslegers als auch nach seinen eigenen bei der Amtshandlung passiv verhalten und sich nicht als Lenker deklariert. Ausgehend von der Tatsache, dass es sich bei den beiden Beteiligten immerhin um Arbeitskollegen handelte und der Zeuge - nach eigenen Angaben - zum Vorfallszeitpunkt nicht alkoholbeeinträchtigt war, so ist seine Zurückhaltung für einen objektiven Betrachter nicht schlüssig nachvollziehbar. Diesbezüglich hat der Zeuge erklärend einerseits angegeben, er habe sich nicht in die Amtshandlung einmischen wollen, um nicht allenfalls selbst beamtshandelt zu werden; andererseits ist er, als der Berufungswerber zum nächstgelegenen Wachzimmer zur Alkomatuntersuchung verbracht werden sollte, mit dem Verlangen an die Beamten herangetreten, er möchte im Polizeifahrzeug mitfahren. Als ihm dies verweigert wurde, hat er sich in der Folge selbst dorthin begeben und der Alkomatuntersuchung beigewohnt. Auch zu diesem Zeitpunkt hat er noch immer nichts davon verlauten lassen, dass nicht der Berufungswerber, sondern eben er der Lenker des Fahrrades gewesen wäre. Anlässlich der Berufungsverhandlung hat er als Erklärung für dieses Verhalten angegeben, er sei der Meinung, auch der Mitfahrer in einem Fahrzeug könne zur Alkomatuntersuchung herangezogen werden, weshalb er sich nicht einmischen wollte. Diese Erklärung ist aber nicht überzeugend, zumal dem Zeugen als Inhaber einer Lenkberechtigung schon bekannt sein musste, dass die Bestimmung des § 5 StVO 1960 eindeutig das Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verbietet und dort von Mitfahrern nicht die Rede ist.

Der Berufungswerber selbst ist zur Verhandlung nicht erschienen und hat somit die Möglichkeit nicht genutzt, den Vorgang selbst aus seiner Sicht zu schildern. Nach dem Akteninhalt hat er, was auch von seiner Rechtsvertretung nicht in Abrede gestellt wurde, weder bei der Anhaltung noch in der Folge bei der Alkomatuntersuchung auf seine angeblich nicht gegeben gewesene Lenkereigenschaft verwiesen, welcher Umstand allein mit einer möglichen Rücksichtnahme auf den Zeugen wohl nicht erklärlich ist. Somit hat also auch er sich bei der erstbesten sich bietenden und naheliegendsten Gelegenheit verschwiegen, um die Frage der Lenkereigenschaft zum Thema zu machen; vielmehr hat er laut Anzeigeinhalt als Rechtfertigung in etwa angegeben, Polizeibeamten hätten andere Sachen zu tun, als Radfahrer - gemeint wohl ihn selbst - auf ihre Beeinträchtigung durch Alkohol zu überprüfen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Aussagekraft von Beweismitteln entspricht es der Lebenserfahrung, dass die von einem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung gemachten Angaben (erfahrungsgemäß) der Wahrheit am nächsten kommen. Sohin weisen in zeitlich geringerem Abstand zur Tat gemachte Sachverhaltsangaben des Beschuldigten eine höhere Glaubwürdigkeit auf als spätere, sollten auch erstere belastend, letztere hingegen entlastend sein (VwGH 27.2.1992, 92/02/0084, 0085, VwGH 16.11.1988, 88/02/0145 ua).

Weder der Berufungswerber noch der Zeuge sind in der Folge zur Erörterung und zur Aufklärung dieser Frage aus ihrer Sicht ehestens initiativ geworden, vielmehr wurde erstmals vom Berufungswerber im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Eingabe vom 8. September 1999, also etwas mehr als zwei Monate nach dem Vorfall, auf den angeblichen Lenker Ing. B verwiesen. Diese Zurückhaltung spricht im Sinne der obigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wie dargelegt, gegen die vom Berufungswerber gewählte Verantwortung. Ausgehend davon, dass der Meldungsleger angegeben hat, schon einige Zeit lang beobachtet zu haben, wie das Fahrrad im Zick-Zack-Kurs gelenkt wurde, auf dem eine zweite Person hinten oben stand, kommt den Ausführungen des Berufungswerbers zur angeblichen technischen Unmöglichkeit eines solchen Vorganges durch die Bauart des verwendeten Fahrrades bzw dem geschilderten Absteigevorgang des angeblichen Lenkers keine Entscheidungsrelevanz zu. Auch hier muss wieder auf den zeitlichen Umstand hingewiesen werden, nämlich dass die angeblichen Eigenheiten des Fahrrades - es sei zum Vorfallszeitpunkt nicht mit einem Gepäckträger versehen gewesen - wiederum erst spät, hingewiesen wurde. Dass das Fahrrad angeblich über keinen Gepäckträger verfügt habe, welcher Umstand zum Bestreiten, dass eine zweite Person hinten draufstehend mitgefahren sein könnte, wohl der naheliegendste gewesen wäre, kommt erst in der Stellungnahme vom 27. März 2000 vor. Auch wurden Fotos des Fahrrades nicht schon im strafbehördlichen Verfahren vorgelegt, sondern erst bei der Berufungsverhandlung. Tatsächlich befindet sich auf dem auf den Fotos dargestellten Fahrrad kein Gepäckträger, welche Tatsache in Zusammenschau mit den obigen Erwägungen nicht überzeugend zu belegen vermag, dass das Fahrrad auch bereits zum Vorfallszeitpunkt nicht mit einem Gepäckträger ausgerüstet war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat, und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 13.11.1986, 85/16/0109). Nach § 45 Abs.2 AVG ist eine Tatsache nicht erst dann als erwiesen anzunehmen, wenn sie mit "absoluter Sicherheit" erweislich ist (VwGH 12.2.1982, 81/08/0135).

Für den Oö. Verwaltungssenat ergibt sich zusammenfassend unter Bedachtnahme auf diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Annahme, jemand anderer als der Berufungswerber selbst wäre der Lenker des Fahrrades zum relevanten Zeitpunkt gewesen, nicht überzeugend und schlüssig begründbar ist.

Die Angaben des Zeugen Ing. B müssen somit als unwahre Aussage, möglicherweise aus falsch verstandener Gefälligkeit, abgetan werden.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Beim Berufungswerber wurde eine Atemluftalkoholkonzentration beim Lenkzeitpunkt im Ausmaß von 1,02 mg/l festgestellt. Hiefür (ab 0,8 mg/l) sieht der Gesetzgeber eine gesetzliche Mindeststrafe von 16.000 S vor, demgegenüber hat die Strafbehörde eine Geldstrafe von 18.000 S verhängt. Nimmt man lebensnah an, dass in der Regel von alkoholbeeinträchtigten Fahrradlenkern nicht jenes Gefahrenpotenzial ausgeht wie etwa von einem Kraftfahrzeuglenker, so rechtfertigt dieser Umstand in Verbindung mit der beim Berufungswerber gegebenen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit die Herabsetzung der Strafe auf die gesetzliche Mindeststrafe. Diese kann im konkreten Fall als ausreichend angesehen werden, um ihn künftighin von solchen Übertretungen abzuhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 92/02/0280, die Kriterien für eine Anwendung des § 20 VStG bei Alkoholdelikten determiniert.

Neben Unbescholtenheit und keinen nachteiligen Folgen der Tat darf der gesetzliche "Grenzwert" nur geringfügig überschritten worden sein. Davon kann bei einem Wert von 1,02 mg/l in Relation zu 0,8 mg/l nicht mehr die Rede sein, sodass diese Bestimmung nicht Platz greifen konnte.

Da bereits die von der Strafbehörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe das gesetzliche Mindestmaß dargestellt hat, war diesbezüglich eine Abänderung entbehrlich.

Den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, wie im Straferkenntnis ausgeführt, wurde nicht entgegengetreten, sie spielen bei Verhängung einer gesetzlichen Mindeststrafe aber ohnehin keine Rolle.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Leitgeb

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