Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107073/7/Br/Rd

Linz, 18.08.2000

VwSen - 107073/7/Br/Rd Linz, am 18. August 2000

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine zweite Kammer (Vorsitzender: Dr. Langeder, Beisitzer: Dr. Weiß und Berichter: Dr. Bleier) über die Berufung des Herrn D gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 16. Mai 2000, Zl. S 4197/00-V1S, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Gegen den Berufungswerber wurde im Anschluss an die bei der Bundespolizeidirektion Linz am 16. Mai 2000 durchgeführten Verhandlung ein Straferkenntnis erlassen, womit über ihn in Punkt 1. wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1a iVm § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 14.000 S und im Nichteinbringungsfall vierzehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde. Es wurde ihm in diesem Punkt zur Last gelegt, er habe am 24. Dezember 1999, um 02.15 Uhr, den Pkw mit dem Kennzeichen in Leonding auf der Ruflinger Landesstraße aus Richtung Linz kommend, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, da auf Grund des eingeholten amtsärztlichen Gutachtens der Alkoholgehalt seiner Atemluft zu diesem Zeitpunkt 0,69 mg/l betragen habe.

Die Behörde erster Instanz erachtete die Übertretung auf Grund des Geständnisses des Berufungswerbers als erwiesen.

Der Inhalt des angeblich abgelegten Geständnisses wurde in der Niederschrift jedoch nicht festgehalten. Der Entscheidung wurde ein Monatseinkommen in der Höhe von 13.000 S, kein Vermögen und keine Sorgepflichten grundgelegt.

Der Berufungswerber gab nach Verkündung dieser Entscheidung keine Erklärung ab. Es wurde ihm eine Gleichschrift des verkündeten Bescheides ausgefolgt.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung erklärt sich der Berufungswerber hinsichtlich der Punkte 2. bis 4. des Straferkenntnisses geständig und weist darauf hin, die diesbezüglich verhängte Geldstrafe im Ausmaß von 5.000 S zuzüglich 500 S an Verfahrenskosten bereits überwiesen zu haben.

Im Übrigen wendet er die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ein, indem die objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt worden wäre. In der Substanz führt der Berufungswerber aus, dass er keineswegs ein Tatsachengeständnis einer Alkoholisierung abgelegt habe.

3. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte im Lichte des ergänzenden Ermittlungsergebnisses gemäß § 51e Abs.1 VStG unterbleiben.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensaktes und durch Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigendienstes der Landessanitätsdirektion.

Das Beweisthema an den Sachverständigendienst wurde wie folgt gestellt:

"Ist aus fachlicher Sicht ein zweifelsfreier Rückschluss auf eine Alkoholisierung eines 34-jährigen, 67 kg schweren und 178 cm großen Lenkers zum Lenkzeitpunkt um 02.15 Uhr möglich, wenn von der Annahme ausgegangen wird, dass um etwa 10.00 Uhr ein Seidel Bier konsumiert wurde; wobei um 11.57 Uhr und 11.59 Uhr dieses Tages (also knappe 10 Stunden später) ein Atemluftalkoholgehalt von 0,16 mg/l (beide Messungen) festgestellt wurde. Ergänzend wurde die Frage gestellt, ob auch alleine der beginnende Konsum von einem Seidel Bier ca. zwei Stunden vor der Messung das Ergebnis von 0,16 mg/l plausibel erscheinen lässt."

Die auf diese Anfrage hin ergangene gutachterliche Stellungnahme wurde der Behörde erster Instanz mit der Einladung zu einer Äußerung binnen zwei Wochen mit h. per FAX übermittelten Schreiben vom 22.7.2000 zur Kenntnis gebracht.

Darauf reagierte die Erstbehörde nicht binnen der offenen Frist, sondern wurde abermals vom Amtsarzt eine neuerlich nicht hinreichend nachvollziehbare Stellungnahme erstattet.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber erwogen:

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 24.12.1999 um 02.15 Uhr einen Pkw, wobei er aus ungeklärter Ursache ins Schleudern geriet und in der Folge gegen die bauliche Einrichtung an einer Tankstelle stieß, die neben dem eigenen Fahrzeug beschädigt wurde.

Dieser Vorfall wurde vom Berufungswerber nicht unverzüglich, sondern erst um 11.45 Uhr des Vorfallstages beim GP Leonding angezeigt. Die im Zuge dieser Anzeige an seiner Person wegen festzustellender leichter Alkoholisierungssymptome (Geruch und gerötete Bindehäute) um 11.57 Uhr und 11.59 Uhr durchgeführte Atemluftuntersuchung erbrachte einen Alkoholgehalt in der Atemluft von je 0,16 mg/l.

Der Berufungswerber gab im Zuge dieser Amtshandlung als Nachtrunkquantum ein um ca. 10.00 Uhr konsumiertes Seidel Bier an. Gemäß der Aktenlage wiegt der 34-jährige Berufungswerber 67 kg. Er ist 178 cm groß. Über das Essverhalten wurden keine Feststellungen getroffen.

Die vom Polizeiamtsarzt im Auftrag der Behörde erster Instanz getätigte Rückrechenoperation ergab unter Berücksichtigung der genannten Nachtrunkmenge (ein Seidel Bier), eine Atemalkoholkonzentration von 0,694 mg/l zum Lenkzeitpunkt um 02.15 Uhr.

Der Amtsarzt ging dabei von einem stündlichen Abbauwert von 0,066 mg/l aus. Dabei wurde offenbar nicht in Erwägung gezogen, dass das Nachtrunkquantum für sich allein das Ergebnis der Atemluftuntersuchung erklären könnte.

4.2. Eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol kann so lange verlangt werden, als noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwartet werden können. Als großen Zeitraum zwischen der Beendigung des Lenkens und der Atemluftprobe ist die Behörde jedoch verpflichtet, näher zu begründen, warum trotz der verstrichenen langen Zeit noch verwertbare Ergebnisse der Atemluftprobe zu erwarten sind und diese als Tatbeweis verwertet werden dürfen (VwGH 11.5.1990 89/18/0184).

Unter einem großen Zeitabstand im obigen Sinn hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zeiträume von 3 Stunden 40 Minuten, von ca. 4 Stunden, von 4 1/2 Stunden und von 5 Stunden verstanden (vgl. VwGH vom 19. März 1987, Zl. 86/02/0130 und die darin zitierte weitere Judikatur). Bei einem zeitlichen Abstand bis zu 3 Stunden ist aber eine solche besondere Begründung nicht erforderlich (VwGH 4. November 1981, Zl. 03/3855/80 und die darin zitierte weitere Rechtsprechung). Da hier der Berufungswerber die Nachtrunkverantwortung des Konsums eines Seidels Bier vom Anfang an tätigte, vermochte ihm darin auch gefolgt werden (VwGH 26.4.1991, 91/18/0005). Der hier festgestellte Sachverhalt lässt daher nach einer Zeitspanne von fast zehn Stunden einen Tatbeweis einer Alkoholisierung nicht mehr erblicken (vgl. hiezu VwGH 14.11.1997, 97/02/0431).

4.3. In der Strafverhandlungsschrift wurde nicht dokumentiert, welchen Inhaltes sein Geständnis gewesen sein soll. Dem Berufungswerber ist jedenfalls darin zu folgen, dass ein Zurkenntnisnehmen der Schlussfolgerung eines amtsärztlichen Gutachtens nicht als Tatsachengeständnis gewertet werden kann. Seine Trinkverantwortung lässt selbst aus der Sicht eines Laien keinen zwingenden Rückschluss auf die vorgeworfene Alkoholisierung zum Lenkzeitpunkt zu. Im Gegenteil lässt der Konsum eines Seidel Biers, worauf der Berufungswerber von Anfang an hingewiesen hat und was aus der Lebenserfahrung durchaus nachvollziehbar ist, für sich alleine schon einen ähnlichen Wert, wie er anlässlich der Atemluftmessung festgestellt wurde, erwarten. Somit ist der aus der Rückrechnung gezogene Schluss, im Hinblick auf eine mehr als neun Stunden vorher vorliegende Alkoholisierung, nicht in einer für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zulässig.

Die diesbezüglich im Wege der Sanitätsdirektion des Amtes der Oö. Landesregierung eingeholte gutachterliche Stellungnahme bestätigt diese Sichtweise, indem im Ergebnis ausgeführt wird, dass "dieses Messergebnis alleine aus dem Konsum des Seidel Biers erklärbar ist". Abschließend wird in dieser gutachterlichen Stellungnahme - im Gegensatz zur Rechenoperation des Amtsarztes der Behörde erster Instanz - noch sehr gut und auch für einen Laien nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich beim Alkoholabbau um komplexe physische Vorgänge handelt und es sich bei diesbezüglichen Berechnungen bloß um eine simplifizierte Darstellung derselben handeln kann.

Da der Konsum des Seidel Biers etwa zwei Stunden vor der Atemluftmessung nicht widerlegbar war, kann ein Beweis einer Alkoholisierung etwa zehn Stunden vor der Messung per Rückrechnung nicht als erbracht erachtet werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

 

 

Dr. L a n g e d e r

Beschlagwortung:

Rückrechnung, Schlüssigkeit, Alkoholisierung

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