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des Landes Oberösterreich
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VwSen-107121/2/SR/Ri

Linz, 21.09.2000

VwSen-107121/2/SR/Ri Linz, am 21. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des F K, Sstraße , St. P, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von S vom 16. Juni 2000, Zl. 10043/ST/99, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung gegen das Straferkenntnis wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 2 VStG eingestellt.

II. Kosten waren keine vorzuschreiben.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Ziffer 2, § 51c und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 26/2000 - VStG.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 19.11.1999 um 07.30 Uhr in S, gegenüber dem Hause Straße Nr. in Fahrrichtung A als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem pol. Kennzeichen S mehreren Fußgängern, die sich auf einem Schutzweg befanden, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschift(en) verletzt:

§ 9 Abs.2 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie gemäß § 99 Abs.3 a STVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--(=72,67 Euro), falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991) S 100,--(=7,27 Euro) als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, zu zahlen.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher:

S 1.100,--(=79,94 Euro)."

2. Gegen dieses am 21. Juni 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 27. Juni 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz mündlich eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Spruch aus, dass der Bw mehreren Fußgängern, die sich auf einem Schutzweg befunden hätten, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht habe und begründen dies im Wesentlichen damit, dass ein Sicherheitswachebeamter den Sachverhalt (bei der Schulwegsicherung) festgestellt und angezeigt habe. Dagegen hätte der Bw ausgeführt, dass sich keine Fußgänger am Schutzweg befunden hätten, sondern sich eine Frau dem Schutzweg genähert hätte. Aufgrund dieser Angaben sei der Zeuge als Meldungsleger befragt worden und hätte ausgeführt, dass bereits mehrere Kinder beim Schutzweg gestanden seien und es offensichtlich gewesen sei, dass diese den Schutzweg benützen hätten wollen. In der Folge zitiert die Behörde erster Instanz § 9 Abs.2 StVO und erachtet den (angelasteten) Tatbestand mit folgender Begründung - Fußgängern (Kindern), die sich direkt beim Schutzweg befunden haben - als verwirklicht.

2.2. Dagegen bringt der Bw vor, dass sich keineswegs mehrere Personen beim bzw. auf dem Schutzweg befunden hätten und schon gar keine Kinder in der Nähe gewesen seien. Er hätte lediglich eine Frau, die sich in Richtung Schutzweg bewegt hätte, wahrgenommen.

3. Die Bundespolizeidirektion S hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis eine 3.000 Schilling nicht übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, keine Partei die Durchführung der Verhandlung beantragt hat, wurde von der Durchführung einer Berufungsverhandlung abgesehen.

3.2. Auf Grund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat am 19.11.1999 um 07.30 Uhr in S, gegenüber dem Hause Arbeiter Straße Nr. in Fahrtrichtung A als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem pol. Kennzeichen, mehreren Fußgängern (Kindern), die direkt beim Schutzweg gestanden sind, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht. Am Schutzweg haben sich zu diesem Zeitpunkt keine Fußgänger befunden.

3.3. Die Feststellungen sind durch die Anzeige, die Zeugeneinvernahme des Meldungslegers und teilweise durch die Angaben des Bw erwiesen. Entgegen der Spruchformulierung wurde sowohl in der Anzeige, als auch in der Zeugenaussage des Meldungslegers immer von Fußgängern (Kindern) beim Schutzweg gesprochen.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs.2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhalten, um einen Radfahrer oder Rollschuhfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

4.2. Grundsätzlich hat der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung vom 10.4.1991, Zl. 90/03/0283 erkannt:

"§ 44a lit. Ziffer 1 VStG 1950 bestimmt, dass in einem Straferkenntnis der 'Spruch' (§ 44 Abs. 1 Z. 6 leg.cit.) 'die als erwiesen angenommene Tat' zu enthalten hat. Das heißt, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Ziffer 1 VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes sein (siehe hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. NF Nr. 11894/A)."

§ 9 Abs. 2 StVO unterscheidet zwischen Fußgängern, die sich auf einem Schutzweg befinden und solchen, die sich noch nicht auf diesem befinden (argum. diesen erkennbar benützen wollen). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm den Schutzbereich des Fußgängers über die als Zebrastreifen markierte Fläche hinaus ausdehnen. Durch die geltende Bestimmung reicht der Schutzzweck unter bestimmten Umständen über die angesprochene Fläche hinaus. Für den Fahrzeuglenker besteht grundsätzlich ein Unterschied, ob sich ein Fußgänger auf dem Schutzweg oder beim Schutzweg befindet. Beim Fußgänger, der sich auf dem Schutzweg befindet, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob dieser den Schutzweg "erkennbar" benützen will, sondern es stellt sich nur eingeschränkt die Frage, ob trotz Weiterfahrt dessen ungehinderte und ungefährdete Überquerung möglich ist. Im Gegensatz dazu hat der Fahrzeuglenker beim Herannahen eines Fußgängers zum Schutzweg bzw. beim direkt beim Schutzweg befindlichen Fußgänger zu beurteilen, ob dieser den Schutzweg erkennbar benützen möchte oder ob dieser zu erkennen gibt, dass er auf den Vorrang verzichtet und ob allenfalls eine berechtigte Weiterfahrt zulässig ist.

Da § 9 Abs.2 StVO sowohl den Vorrang des auf dem Schutzweg befindlichen als auch des herannahenden Fußgängers regelt, ist von zwei unterschiedlichen Tatbeständen auszugehen.

Die Behörde erster Instanz hat dem Bw innerhalb der Verjährungsfrist vorgeworfen, dass er Fußgängern (Kindern), die sich auf dem Schutzweg befunden haben, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht hat. Das Ermittlungsverfahren hat jedoch hervorgebracht, dass Fußgänger direkt beim Schutzweg gestanden sind und sich nicht auf diesem befunden haben. Der erstmalige Versuch, trotz anderslautendem Spruch, in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses teilweise auf den tatsächlichen Sachverhalt einzugehen, ist weder geeignet, eine zeitgerechte Verfolgungshandlung zu begründen noch den Spruch umzudeuten.

Da der Bw die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat und der unabhängige Verwaltungssenat rechtlich gehindert ist, den Tatbestand zu korrigieren, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Ziffer 2 VStG einzustellen.

Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

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