Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107154/5/Br/Bk

Linz, 13.09.2000

VwSen - 107154/5/Br/Bk Linz, am 13. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, vom 20. Juli 2000, Zl.: VerkR96-11719-1999, wegen Übertretung der StVO 1960 und des KFG 1967, nach der am 13. September 2000 im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in beiden Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 26/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach §  52a Z10a StVO 1960 und § 102 Abs.10 KFG eine Geldstrafe von 1.) 500 S, 2.) 400 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 24 u. 2.) 12 Stunden verhängt, weil er am 11.10.1999 um ca. 07.50 Uhr den LKW mit dem pol. Kennzeichen auf der B 122 bei Strkm 58.272 von Kremsmünster kommend Richtung Bad-Hall gelenkt habe, wobei er

1. die Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung " missachtet habe, weil er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 17 km/h überschritten habe und

2. als Lenker eines mehrspurigen KFZ auf dieser Fahrt keine geeignete Warneinrichtung mitgeführt habe.

1.1. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die dienstliche Wahrnehmung zweier Gendarmeriebeamten. Eine Fehlmessung wurde mit Hinweis darauf ausgeschlossen, dass ein zweites Fahrzeug zum Zeitpunkt der Messung noch so weit von jenem des Berufungswerbers entfernt war, dass eine Verwechslung auszuschließen gewesen sei. Ebenfalls stützte die Behörde erster Instanz die Richtigkeit der Messung auf das von ihr eingeholte Gutachten eines technischen Amtssachverständigen und die glaubhaft eingehaltenen Verwendungsrichtlinien. Letztlich erachtete die Behörde erster Instanz die ordnungsgemäße Festsetzung und Kundmachung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h als gegeben.

Die Festsetzung der Strafe erfolgte mit Blick auf die Grundsätze nach § 19 VStG.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter erhobenen Berufung. Im Wesentlichen rügt er Verfahrensmängel der Behörde erster Instanz, welche er insbesondere darin zu erblicken glaubt, dass nicht hinreichend dargelegt wurde von welchen Sachverhaltsannahmen aus welchen Gründen ausgegangen wurde. Insbesondere habe die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems aus der Sicht des Berufungswerbers nicht hinreichend dargetan, warum sie der bestreitenden Verantwortung des Berufungswerbers nicht folgte. Auch seien fundamentale Verfahrensgrundsätze durch die Nichterledigung beantragter Beweise verletzt worden. So sei etwa der technische Sachverständige nicht auf die Verantwortung des Beschuldigten eingegangen, wonach auf Grund des knappen Abstandes zu einem vor ihm fahrenden Fahrzeug etwa nicht ausgeschlossen werden könne, dass dieses Gegenstand der Messung wurde. Dies hätte durch eine neuerliche Vernehmung des Meldungslegers und eine nachfolgende abermalige Befassung eines Sachverständigen einer ergänzenden Beurteilung bedurft. Zumindest sei nicht hinreichend dargelegt worden, warum es dieser ergänzenden Beweisführung aus der Sicht der Behörde nicht bedurfte.

Somit seien letztlich die entlastenden Beweismittel nicht gleichermaßen als die belastenden gewürdigt worden.

Vom Fehlen der Warnvorrichtung könne nicht die Rede sein, weil der Berufungswerber diese vorerst lediglich nur nicht finden habe können und anschließend die Amtshandlung wegen eines anderen Einsatzes jäh abgebrochen werden habe müssen.

Zuletzt wendet der Berufungswerber ein, dass das Verkehrszeichen "Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung" nicht dem Inhalt der bezughabenden Verordnung entspreche, keine Rechtsverbindlichkeit zu entfalten vermochte.

Er beantragt zuletzt die Aufhebung des Straferkenntnisses und die nachfolgende Verständigung von der Verfahrenseinstellung.

3. Die Erstbehörde hat den Akt ohne Anschluss der Berufung zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts der Bestreitung von Tatsachen und insbesondere in Wahrung der gem. Art. 6 EMRK intendierten Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, Zl.: VerkR96-11719-1999 und durch die zeugenschaftliche Vernehmung des die Messung durchführenden Beamten, RI M und der Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an der auch ein Vertreter der Erstbehörde teilnahm. Ebenfalls wurden durch den Oö. Verwaltungssenat sämtliche h. verfahrensrelevanten Distanzen vor Ort mittels Lasermessgerät (Bushnell) vermessen und in einem vom System "DORIS" (digitales orografisches Informationssystem) bezogenen Luftbild übertragen. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurden letztlich die Verhältnisse vor Ort, insbesondere aus dem Blickwinkel des die Messung durchführenden Gendarmeriebeamten, festgestellt.

5. Folgender Sachverhalt gilt aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erwiesen:

5.1. Zur Örtlichkeit:

Die B 122 verläuft in Fahrtrichtung des Berufungswerbers die letzten ~ 350 m vor dem Messpunkt nahezu geradlinig. Der Straßenzug weist zwei durch Leitlinien gekennzeichnete, ca. 3,20 m breite Fahrstreifen auf. Der Berufungswerber fuhr hinter einem großen Lastkraftwagen in einer Fahrzeugkolonne. Als Tiefenabstand vom Vorderfahrzeug ist vom Sicherheitsabstand auszugehen, welcher bei einer Fahrgeschwindigkeit im Bereich von 70 km/h bei 40 m angenommen werden kann. Der Meldungsleger befand sich bei Strkm 58.180 im Bereich der in Fahrtrichtung des Berufungswerbers (Rtg. Bad Hall) beginnenden Rechtskurve, wobei die Wegstrecke auf den anflutenden Verkehr gut einsehbar ist. Das Messgerät wurde von einer Position etwa zwei Meter über dem Fahrbahnniveau freihändig bedient, wobei vorher die erforderlichen Tests iSd Verwendungsbestimmungen ausgeführt wurden.

5.2. Zur Messung:

Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit dem Laserentfernungsmesser LTI 20.20 TS/KM-E, Nr. 5622. Dieses Gerät ist laut Eichschein vom 12.5.1997 bis zum 31.12.2000 rechtswirksam geeicht. Über den Einsatz findet sich das Einsatzverzeichnis und Messprotokoll im Akt aus welchem die gegenständliche Messung in der zweiten Rubrik festgehalten ist. Daraus ergibt sich auch der nach den Verwendungsrichtlinie erforderliche Gerätefunktionstest um 06.55 Uhr. Diesbezüglich kann auf das gänzlich allgemein gehaltene und auf keine konkrete behördliche Vorgabe beruhende Amtssachverständigengutachten verwiesen werden.

Wenn als Begehungsort jedoch der Strkm 58.272 angeführt ist, so ergibt sich - entgegen der Darstellung in der Anzeige und dem Gutachten des Amtssachverständigen - als Messentfernung nur 92 m (und nicht 192 m).

Der Berufungswerber wurde nach dem Ablesen einer Fahrgeschwindigkeit von 87 km/h am Laserverkehrsgeschwindigkeitsmessgerät von einem ca. 500 m weiter in Richtung Bad Hall postierten Gendarmeriebeamten angehalten und einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle unterzogen. Die sofort in Abrede gestellte Tatbegehung begründete er, wie auch in der Anzeige ausgeführt, einerseits mit dem Hinweis hinter einem Lkw nachgefahren zu sein und das Pannendreieck nicht finden zu können. Beim Fahrzeug handelte es sich um einen neuen Opel Kleinlastwagen, dessen Pannendreieck und Warneinrichtung unter dem Sitz untergebracht ist. Dieses Fahrzeug wurde vom Berufungswerber zum Zeitpunkt des Vorfalls erstmals verwendet. Da jedoch die Amtshandlung wegen eines Einsatzes letztlich vorzeitig beendet wurde, konnte dieses - wie der Berufungswerber anlässlich der Berufungsverhandlung glaubwürdig darzutun vermochte - nach der Auffindung nicht mehr vorgewiesen werden.

5.3. Anlässlich der Berufungsverhandlung konnte festgestellt werden, dass auf Grund des hier exakt auf den Messpunkt zufließenden Verkehrs ein Lkw einen nachfahrenden Pkw geradezu gänzlich verdeckt. Angesichts dieses Umstandes kann dem Berufungswerber in seiner Verantwortung gefolgt werden, dass allenfalls doch der vor ihm fahrende Lkw vom Messgerät erfasst bzw. das Ergebnis der Messung diesem Fahrzeug zuzuordnen sein könnte. Auch wenn die Messung aus 92 m (und nicht aus 192 m) erfolgte, kann man nicht schlüssig zur Annahme gelangen, dass der Lkw bereits die Kurve erreicht haben könnte und damit der Blick auf den 92 m entfernten Pkw bereits frei gewesen sein könnte. Ein so großer Abstand zum Vorderfahrzeug lässt sich einerseits schon nicht aus der inhaltlich knapp gehaltenen Anzeige und auch nicht der Aussage des Meldungslegers und des Berufungswerbers anlässlich der Berufungsverhandlung ableiten. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die Nachfahrt hinter dem Lkw in eher knappem Abstand erfolgte.

Schließlich schloss im Lichte der Feststellungen vor Ort auch der Meldungsleger einen möglichen Irrtum in der Zuordnung des Messergebnisses nicht mehr aus.

Hinsichtlich der Problematik der Zuordnung eines Messergebnisses sei auf die Stellungnahme des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen, Zl: GZ E - 40 766/95, vom 5. Juli 1995 hingewiesen, wonach die Zuordnung einer Geschwindigkeitsanzeige betreffend ein gemessenes Fahrzeug dem Meldungsleger obliegt und somit letztlich eine Frage der Beweiswürdigung bleibt.

Am Schluss der Berufungsverhandlung erklärte auch der an der Berufungsverhandlung teilnehmende Behördenvertreter angesichts des Beweisergebnisses, dass hier von einem Tatnachweis in beiden Fällen, nämlich in einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit, nicht ausgegangen werden könne.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Folgendes erwogen:

6.1. Es hat hier angesichts des festgestellten Sachverhaltes dahingestellt zu bleiben, jedoch sei mit Blick auf das umfassende diesbezügliche Berufungsvorbringen an dieser Stelle dennoch angemerkt, dass im Sinne der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a. d. Krems, vom 3.9.1997, Zl. Verkr10-260-1997/WP, u.a. unter III.) 1.) auf der B 122, Strkm 57.336 bis 59,489 Richtung Kremsmünsterer-Landesstraße und 59,504 Richtung Sattledt und Rampe 0,070 eine "Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h" für beide Fahrtrichtungen verordnet wurde. Die Kundmachung dieser VO ist durch VZ nach § 52 lit.a (Verbots- und Beschränkungszeichen) Z10a StVO angeordnet.

Das Motiv für die Erlassung dieser Verordnung wurde von der Behörde auf das Ergebnis der nach § 96 Abs.2 StVO 1960 erfolgten Überprüfung gestützt. Die entsprechenden Verkehrszeichen sind - wie vor Ort augenfällig festgestellt werden konnte - in diesem Sinne auch ordnungsgemäß kundgemacht.

Somit würde das diesbezügliche Berufungsvorbringen einer substanziellen Grundlage entbehren.

6.2. Rechtlich folgt jedoch dem Beweisergebnis betreffend die Tatvorwürfe als solche, dass bereits bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Zuordnung v. Messergebnis