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des Landes Oberösterreich
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VwSen-107169/15/Fra/Ka

Linz, 26.03.2001

VwSen-107169/15/Fra/Ka Linz, am 26. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn OB, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 26.7.2000, AZ.VerkR96-6568-1999, wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z2 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.400 S (EFS 42 Stunden) verhängt, weil er am 16.9.1999 um 13.40 Uhr im Gemeindegebiet Pram, Oberösterreich, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, insbesondere der Innkreisautobahn A 8, in Fahrtrichtung Suben, den PKW mit dem Kz.: gelenkt und dabei auf Höhe von Strkm.45,910 die auf österr. Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h wesentlich (um 34 km/h) überschritten hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

2. Über die dagegen durch die ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens erwogen:

Aufgrund der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 4.10.1999 , wonach der Lenker des PKW, Kz. verdächtig ist, auf der Innkreisautobahn A8 bei Strkm.45,910 die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 34 km/h überschritten zu haben, erließ die belangte Behörde nach Einladung einer Halterauskunft an den nunmehrigen Bw, der zur Tatzeit Halter des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges war, die Strafverfügung vom 5.11.1999, VerkR96-6568-1999, und verhängte wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldstrafe von 1.400 S. Aufgrund des dagegen durch die ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig erhobenen Einspruches ermittelte die belangte Behörde im ordentlichen Verfahren ausschließlich über die Geschwindigkeitsüberschreitung als solche. Sie ging offenbar davon aus, dass der Bw als Halter des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges auch der Lenker dieses zur Tatzeit am Tatort war. Die Mitteilung des Bw in seiner Stellungnahme vom 5.6.2000, dass er zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung den PKW mit dem bundesdeutschen Kennzeichen GI-BA 306 nicht gelenkt habe, überging die belangte Behörde. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird ua ausgeführt, dass die im Ermittlungsverfahren getätigte Verantwortung des Bw gegenüber der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung als auch seine angeführte Argumentation hinsichtlich der Richtigkeit der Radarmessung unzweifelhaft den Schluss zulasse, dass er der Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges zum angeführten Tatzeitpunkt und am Tatort war. Seine letzte Verantwortung, dass er nicht der Lenker des gegenständlichen PKW´s war, könne aus seinen vorher getätigten Rechtfertigungsangaben nicht glaubhaft nachvollzogen werden. Der Bw habe trotz mehrfacher Gelegenheit keine Angaben darüber gemacht, dass er nicht der Lenker gewesen sei, sondern er habe nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist ohne weitere Bekanntgabe des wahren Lenkers seine Nichtlenkereigenschaft bekannt gegeben.

Mit der oa Vorgangsweise und der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses übersieht die Behörde, dass das Verwaltungsverfahren und auch das Verwaltungsstrafverfahren geprägt ist von den Grundsätzen der materiellen Wahrheit sowie von der Offizialmaxime (§§ 37 und 39 Abs.2 AVG). Es ist Pflicht der Behörde, den maßgebenden Sachverhalt (hier: ua den Lenker) festzustellen. Keineswegs ist ein Beschuldigter dazu verpflichtet, von sich aus der Behörde seine mangelnde Lenkereigenschaft bekannt zu geben. Aus seiner Sicht ist es durchaus legitim, sich auf einen technischen Aspekt der Tatseite (hier: Durchführung der Geschwindigkeitsmessung) zu beschränken. Wie immer auch die Verantwortung des Beschuldigten aussieht, auch wenn sie darauf hinausläuft, die Behörde auf eine "falsche Fährte" zu führen, ändert dies nichts an der Aufgabe der Behörde, von sich aus den maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten, dies würde gegen das verfassungsrechtlich normierte Verbot der Selbstbezichtigung (Art.90 Abs.2 - BVG) verstoßen. Er ist jedoch im Strafverfahren an eine gewisse Mitwirkungspflicht gebunden. Diese erfordert es, dass er seine Verantwortung nicht darauf beschränken darf, die ihm vorgehaltenen konkreten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. Der Bw hat gegen die Mitwirkungspflicht nicht verstoßen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) kann zwar die Verwaltungsstrafbehörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften aus dem Untätigbleiben des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung den Schluss ableiten, der Zulassungsbesitzer selbst sei der Täter gewesen, wobei es nicht relevant ist, ob es zu einer auf § 103 Abs.2 KFG 1967 gestützten Lenkeranfrage gekommen ist (VwGH vom 11.5.1990, Zl.90/18/0022). Dieses Judikat ist auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, weil der Bw zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens darüber befragt wurde, ob er auch der Lenker des gegenständlichen Kraftfahrzeuges zur Tatzeit am Tatort war. Wurde er darüber nicht befragt, kann ihm auch eine mangelnde Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung nicht vorgeworfen werden. Er hat noch im erstinstanzlichen Verfahren bekannt gegeben, dass er nicht der Lenker war. Dass er dies erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist getan hat, kann ihm unter den oa Prämissen nicht zur Last gelegt werden. Die belangte Behörde hat diese Mitteilung ignoriert. Aus diesem Grund kann es auch dahingestellt bleiben, ob der Bw nach entsprechender Anfrage durch die belangte Behörde den Lenker bekannt gegeben hätte. Jedenfalls hat der Bw in seinem Rechtsmittel bekannt gegeben, dass zum Zeitpunkt des Vorfalles Herr P, der Lenker des Fahrzeuges zum Vorfallszeitpunkt war. Er weist in seinem Rechtsmittel darauf hin, dass er im gegenständlichen Fall die Identität des Lenkers nicht bewusst verschwiegen habe, sondern ihm diese erst kürzlich bekannt geworden ist.

Im ergänzenden Ermittlungsverfahren durch den Oö. Verwaltungssenat hat Herr P, laut Protokoll der Polizeistation, W, eingeräumt, dass er nach Durchsicht seiner Reiseunterlagen das gegenständliche Kraftfahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat. Diese Aussage erfolgte, nachdem der Zeuge darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ihm wegen Verfolgungsverjährung keine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung mehr drohe. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob Herr H auch tatsächlich der Lenker war, da diesem gegenüber bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Jedenfalls kann aufgrund der oa Aussage nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen festgestellt werden, dass der Bw die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat, da die Lenkereigenschaft nicht feststeht.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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