Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107203/11/Br/Bk

Linz, 24.10.2000

VwSen-107203/11/Br/Bk

Linz, am 24. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer (Vorsitzender Dr. Langeder, Beisitzer Dr. Weiß, Berichter Dr. Bleier) über die Berufung des Herrn R, gegen den Punkt 3. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 24. August 2000, VerkR96-920-2000, nach der am 18. Oktober 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51e Abs.1 VStG.

Zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Punkt 3. des o.a. Straferkenntnisses über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 16.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe vierzehn Tage) verhängt.

Es wurde folgender Tatvorwurf erhoben:

"Sie lenkten am 09.02.2000 um 06.50 Uhr den PKW Audi 80 mit dem Kennzeichen im Stadtgebiet S auf der Schärdinger Straße und der B 136 Sauwald Straße aus Richtung Schardenberg kommend stadteinwärts, wobei ...

3. auf der B 136 Sauwald Straße kurz nach der Kreuzung mit der L 506 Schärdinger Straße im Bereich des Bahnviaduktes vom Lenker des vor Ihnen gelenkten PKW's, welcher Gendarmeriebeamter ist, auf der Fahrt zur Dienststelle war und sich aufgrund Ihrer Fahrweise in den Dienst stellte, angehalten, wurden anschließend beim Gespräch an Ihnen Alkoholisierungsmerkmale wie starker Alkoholgeruch aus dem Mund, gerötete Augenbindehäute wahrgenommen, um 06.52 Uhr an Ort und Stelle vom in Dienst gestellten, sachlich und örtlich zuständigen, besonders geschulten und von der Behörde ermächtigtem Organ der Straßenaufsicht aufgefordert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei Sie dieser Aufforderung insofern keine Folge leisteten, indem Sie um 06.55 Uhr in einem unbeobachteten Moment vom Kontrollort flüchteten und ist diese Flucht als Verweigerung der Durchführung der Atemluftalkoholuntersuchung anzusehen, ..."

Das angefochtene Straferkenntnis geht von einer von BI F gegenüber dem Berufungswerber ausgesprochenen Aufforderung zur Vornahme einer Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt aus. Die Entfernung des Berufungswerbers vom Ort der Anhaltung (noch vor dem Eintreffen einer vom anhaltenden und sich in den Dienst stellenden Organ [F] gerufenen Funkstreifenbesatzung mit dem Alkomat) qualifiziert das angefochtene Straferkenntnis als Verwirklichung des "Verweigerungstatbestands".

2. Der Berufungswerber bestreitet einerseits eine ihm gegenüber erfolgte Aufforderung zur Atemluftuntersuchung. Andererseits werden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Indienststellung des einschreitenden Beamten in Frage gestellt. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung.

3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige zweite Kammer zu entscheiden.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Oktober 2000. Anlässlich dieser Berufungsverhandlung wurden der Gendarmeriebeamte, BI K, und der Beifahrer im Fahrzeug des Berufungswerbers, G, als Zeugen einvernommen. Verlesen wurde auch die niederschriftliche Aussage des Meldungslegers auf seiner Dienststelle, sowie jene des S vor der Behörde erster Instanz. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, an welcher auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teilnahm, wurden die o.a. Zeugen abermals zeugenschaftlich und der Berufungswerber als Beschuldigter vernommen.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

4.1. Zum Sachverhalt:

Der Berufungswerber lenkte am 9.2.2000 um 06.50 Uhr den Pkw des Zeugen S auf der L 506 in Richtung Schärding. Im Zuge dieser Fahrt fuhr er kurz vor dem Ortsgebiet von Schärding mehrfach äußerst knapp und mit erheblicher Geschwindigkeitsdifferenz auf das Fahrzeug des Zeugen BI F auf. Dieser befand sich auf dem Weg zu seinem Dienstantritt auf dem GP Schärding. Der Berufungswerber fuhr auch mehrmals und offenbar aus Übermut in Schlangenlinien.

Die Nacht verbrachte er angeblich gemeinsam mit S in dessen Wohnung, wobei sie Videos betrachteten. Der Berufungswerber soll laut Angabe des Zeugen S die ganze Nacht über keinen Alkohol konsumiert haben. Dagegen spricht jedoch die vom anhaltenden Gendarmeriebeamten BI F glaubhaft gemachte Feststellung von Alkoholisierungssymptomen. Nach der Anhaltung im Bereich des Bahnviaduktes im Ortsgebiet von Schärding stellte sich BI F in den Dienst und forderte den Berufungswerber zuerst auf, das Fahrzeug zu einem in unmittelbarer Nähe liegenden Parkplatz zu lenken und die Fahrzeugpapiere auszuhändigen. Anschließend konfrontierte er ihn mit seiner gefährlichen Fahrweise und stellte dabei deutliche Alkoholisierungssymptome fest, woraufhin er sich entschloss, über sein Handy die Funkleitzentrale zu verständigen, um Kollegen mit einem Alkomaten anzufordern. Zwischenzeitig versuchte der Berufungswerber sein Fahrverhalten zu entschuldigen, was der Gendarmeriebeamte damit beantwortete, dass er Kollegen zwecks "Fortsetzung der Amtshandlung" rufen werde. Im Zuge dieser Interaktion konfrontierte der Beifahrer des Berufungswerbers BI F mit dem Vorhalt, ob er überhaupt berechtigt sei, diese Amtshandlung zu führen. Während des Wartens auf das Eintreffen der vom BI F gerufenen Funkstreifenbesatzung gab der Berufungswerber vor, sich Zigaretten vom Fahrzeug zu holen. Diese Gelegenheit nutzte er, um sich unbemerkt vom Ort des Geschehens zu entfernen. Beim Eintreffen der Funkstreifenbesatzung, der Zeuge BI F hatte kurz davor nochmals mit dem Handy die Funkleitzentrale angerufen, wurde schließlich das Verschwinden des Berufungswerbers entdeckt.

Wie BI F im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat darlegte, hatte er dem Berufungswerber die Herbeirufung von Kollegen zum Zweck der Durchführung eines Alkotests mitgeteilt. Die "weitere" (und wie nach der Situationsschilderung durch den Zeugen zu verstehen war: die eigentliche) Amtshandlung wollte er den Kollegen überlassen. Aus diesem Grund, so der Zeuge, sei die "nähere Formulierung der Aufforderung" unterblieben. Der - wenn auch damals alkoholisierte - Zeuge S bestätigte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung mit großer Gewissheit, dass eine Aufforderung zur Atemluftuntersuchung in der Zeit zwischen der Anhaltung und der Entfernung des Berufungswerbers nicht erfolgt sei. Überdies spricht die kurze zur Verfügung stehende Zeit von ca 3 Minuten, während der BI F auch noch zwei Telefonate führte, für ein Unterbleiben der Aufforderung, sich dem Alkotest zu unterziehen.

4.2. In rechtlicher Hinsicht:

Gemäß § 5 Abs.2 StVO hat sich der Untersuchung der Atemluft zu unterziehen, wer zu dieser aufgefordert wird. Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO ist strafbar, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Dem Zusammenhang dieser gesetzlichen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass der Vorwurf einer Verweigerung des Alkotests das Vorliegen einer Aufforderung zum Alkotest voraussetzt. Die Aufforderung wird nicht wörtlich geschehen, dh das Wort "Aufforderung" enthaltend, wohl aber hinreichend deutlich sein müssen (zum Deutlichkeitserfordernis vgl. zB VwGH 27.4.2000, Zl. 99/02/0292 uam). Der unabhängige Verwaltungssenat hält dafür, dass auch unter dem Blickwinkel des grundrechtlichen Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung (vgl. dazu allgemein zB Öhlinger, Verfassungsrecht, 3. Auflage, 1997, S 386 f, Lukasser, Art.90 Abs.2 BVG und der Milderungsgrund des "reumütigen Geständnisses", AnwBl 1993, S 393 ff, Thienel, Anklageprinzip und Verwertung erzwungener selbstbelastender Aussagen im Strafprozess, JBl 1992, S 484 ff) dem Deutlichkeitserfordernis hinsichtlich der Aufforderung, sich einem Alkotest zu unterziehen, Gewicht beizumessen ist. Im vorliegenden Fall ist keine Aufforderung, sich dem Alkotest zu unterziehen, gegenüber dem Berufungswerber ergangen. Dem Berufungswerber wurde vielmehr lediglich die Durchführung eines Alkotests durch andere Organe in Aussicht gestellt, wobei nach dem Verhalten des Meldungslegers vor Ort geschlossen werden konnte, dass nicht nur der Alkotest sondern auch die Aufforderung zum Alkotest erst bevorstand. Diese Situation kann nicht als hinreichend deutliche Aufforderung verstanden werden. Fehlt es sohin an der Aufforderung, kann auch der Weggang des Berufungswerbers nicht als schlüssige Weigerung, einer solchen Aufforderung Folge zu leisten, angesehen werden.

Sohin war der Berufung Folge zu geben und das gegenständliche Verwal-tungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Indienststellung des Meldungslegers kann im Lichte dieser Entscheidung auf sich bewenden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Langeder

Beschlagwortung:

Deutlichkeit, Aufforderung, strenge Auslegung

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