Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107224/9/Fra/Ka

Linz, 16.11.2000

VwSen-107224/9/Fra/Ka Linz, am 16. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 1. Kammer (Vorsitzender: Dr. Guschlbauer, Berichter: Dr. Fragner, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die Berufung des Herrn B, gegen Punkt I.1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 24.8.2000, AZ: VerkR96-8832-2000-Ro, wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) unter Punkt I.1. wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.1a leg.cit. eine Geldstrafe von 12.000 S (EFS 10 Tage) verhängt, weil er am 2.3.2000 um ca. 23.50 Uhr den PKW der Marke Honda Civic mit dem behördlichen Kennzeichen , vom Gasthaus G auf der Frauscherecker Landesstraße bis ins Ortsgebiet von Feichta, Strkm.1,475, Gemeinde H, gelenkt hat, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von 1,56 Promille befunden hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil im angefochtenen Spruchpunkt eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer entscheidet (§ 51c 2. Satz VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Die Lenkereigenschaft des Bw ist unbestritten.

Der Lenker war bei der gegenständlichen Fahrt ursächlich an einem Verkehrsunfall beteiligt und beschädigte dabei Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Schneestange und Leitpflock). Er unterließ es, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder den Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe seiner Identität ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Der gegenständliche Verkehrsunfall wurde am 3.3.2000 um ca. 11.15 Uhr von Herrn W, Straßenmeisterei Altheim, beim Gendarmeriepostenkommando Aspach persönlich angezeigt. Er gab beim Gendarmerieposten eine bei der Unfallstelle aufgefundene Kennzeichentafel () ab. Darauf konnte der Bw als Lenker ausgeforscht werden. Am 3.3.2000 um 13.16 Uhr wurde beim Bw eine Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat (Siemens, Bauart Nr.: Alkotest 711A) durchgeführt. Die erste Messung erbrachte einen Wert von 0,52 mg/l AAG, die zweite Messung um 13.17 Uhr erbrachte einen Wert von 0,53 mg/l AAG. Der Bw gab zum Alkoholgenuss an, am 2.3.2000 zwischen 19.00 Uhr und 21.00 Uhr zwei bis drei Gespritzte Weißwein und zwei Halbe Märzenbier sowie zwischen 21.00 Uhr und 23.50 Uhr sieben bis acht Gespritzte Weißwein und zwei Halbe Märzenbier konsumiert zu haben. Ausgehend von diesen Alkoholangaben sowie von einer Körpergröße des Bw von 170 cm und eines Körpergewichtes von 75 kg stellte die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn Frau Dr. H am 28.4.2000 fest, dass eine Berechnung aufgrund der angeführten Trinkangaben nicht möglich ist, da der Tatzeitpunkt mit dem Trinkende zusammenfällt, dh, dass zum Tatzeitpunkt noch nicht die gesamte Alkoholmenge als resorbiert zu betrachten ist und ein nicht näher zu quantifizierender Alkoholanteil (nach Berechnung mittels Widmarkformel) vom errechneten Blutalkoholgehalt in Abzug zu bringen wäre. Eine seriöse Rückrechnung vom Zeitpunkt der Atemluftalkoholuntersuchung zum Tatzeitpunkt ist aufgrund des langen Zeitraumes ebenfalls nicht möglich. Dennoch hat die belangte Behörde neuerlich ein Gutachten unter den selben Prämissen wie oben eingeholt, worauf die Amtssachverständige Frau Dr. H in ihrem amtsärztlichen Gutachten vom 18.7.2000 zum Ergebnis gekommen ist, dass der Bw zu dem hier relevanten Tatzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 1,56 Promille aufgewiesen hat.

Im Hinblick auf die sich widersprechenden oa Gutachten hat der Oö. Verwaltungssenat das Ermittlungsverfahren ergänzt und ein weiteres medizinisches Amtssachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, welchen Blutalkoholgehalt der Bw zur Tatzeit unter Zugrundelegung seiner - unbestrittenen - Trinkangaben aufgewiesen hat. Die Amtssachverständige für alkoholmedizinische Fragen, Frau Dr. S H, erstattete das Aktengutachten vom 3.10.2000, AZ: San-231858/1-2000-2000-Has/Gin, welches nachstehend auszugsweise zitiert wurde:

"Aktengutachten

Nach Durchsicht der gesamten übermittelten Aktenunterlagen muss aus hs. amtsärztlicher Sicht festgestellt werden, dass es im vorliegenden Fall nicht möglich ist, eine exakte und zuverlässige Berechnung des Blutalkoholgehalts zum Tatzeitpunkt bzw eine exakte und zuverlässige Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt zu erstellen.

Dies zusammenfassend aus folgenden Gründen:

1. Bei der vorgegebenen (ON 63 des erstinstanzlichen Aktes) Trinkverantwortung liegen Trinkende und Tatzeit de facto beieinander, die Resorption der genossenen Alkoholmenge war zur Tatzeit somit nicht abgeschlossen und eine exakte und zuverlässige Berechnung des Alkoholgehalts zum Tatzeitpunkt ist aus fachlicher Sicht daher nicht möglich. Voraussetzung einer Be- bzw. Rückrechnung wäre im vorliegenden Fall der Abschluss der Resorption.

2. Die Tatzeit war im vorliegenden Fall um 23.50 Uhr des 2. März 2000, die Alkomatuntersuchung wurde um 13.16 Uhr des nächsten Tages (3. März 2000) durchgeführt mit dem Ergebnis 0,52 mg pro Liter Atemalkoholgehalt (entspricht einer Blutalkoholkonzentration und 1,4 Promille). Zwischen Tatzeit und Alkomatuntersuchung sind demnach rund 13,5 Stunden vergangen. Eine Rückrechnung über derart lange Zeiträume ist nicht verwertbar, da sich aufgrund des Zugunstenprinzips (entweder Annahme eines minimalen stündlichen Abbaues von 0,1 Promille oder eines maximalen stündlichen Abbaues von 0,2 Promille) weit von einander divergierende und realitätsferne Rückrechnungswerte ergeben würden. Bei 13 Stunden wird demnach minimal 1,3 Promille und maximal 2,6 Promille abgebaut. Zuverlässige Rückrechnungen können in diesem Fall wegen der extremen langen Rückrechungszeiten nicht erstellt werden. Auch die beiden aktenkundigen amtsärztlichen Gutachten der Erstinstanz vom 28.4.2000 und vom 18.7.2000 kommen schlussendlich zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine zuverlässige Berechnung bzw. Rückrechnung nicht durchgeführt werden kann."

Unter Zugrundelegung der oa Beweisergebnisse kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die dem Bw zur Last gelegte Tat erwiesen ist. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren wurde ein medizinisches Amtssachverständigengutachten eingeholt. In diesem Gutachten vom 28.4.2000 führte die Amtssachverständige Frau Dr. H zum gegenständlichen Tatzeitpunkt aus, dass weder eine Rückrechnung noch eine Berechnung aufgrund der angegebenen Trinkmenge möglich ist. Begründet wird dieser Umstand mit dem erheblichen Zeitraum, welcher zwischen Lenkzeitpunkt und Zeitpunkt der Atemluftuntersuchung liegt und des Umstandes, dass der Tatzeitpunkt mit dem Trinkende zusammenfällt, was heißt, dass zum Tatzeitpunkt noch nicht die gesamte angegebene Alkoholmenge als resorbiert zu betrachten ist und ein nicht näher zu quantifizierender Anteil vom errechneten Blutalkoholgehalt (BAG) in Abzug zu bringen wäre. Auch das vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingeholte Gutachten kommt zum Ergebnis, dass es im vorliegenden Fall nicht möglich ist, eine exakte und zuverlässige Berechnung des BAG zum Tatzeitpunkt vorzunehmen. Trinkende und Tatzeit liegen beieinander. Voraussetzung für eine Be- bzw Rückrechnung wäre der Abschluss der Resorption. Zwischen Tatzeit und Tattestzeitpunkt sind 13,5 Stunden vergangen. Eine Rückrechnung über derart lange Zeiträume ist nicht verwertbar, weil stark divergierende und realitätsferne Rückrechnungswerte sich daraus ergeben würden. Der Abbau liegt zwischen 1,3 und 2,6 Promille.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. Guschlbauer

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