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des Landes Oberösterreich
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VwSen-107226/2/Br/Bk

Linz, 03.10.2000

VwSen-107226/2/Br/Bk

Linz, am 3. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16. August 2000, Zl. VerkR96-5988-1998, wegen einer Übertretung nach § 7 Abs.2 StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51 e Abs.2 Z1 VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S (zuzüglich 100 S Verfahrenskosten) verhängt und folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie lenkten am 23.06.1998 gegen 12.25 Uhr das Motorrad Yamaha 1200 mit dem deutschen Kennzeichen auf der B 136 Sauwald Straße von Schärding kommend in Richtung Münzkirchen, wobei es bei Strkm ca. 6,8 in der Fahrbahnmitte zu einem Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden PKW BMW mit dem Kennzeichen , gelenkt von C, kam, Sie bei diesem Verkehrsunfall verletzt wurden, obwohl der Lenker eines Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand zu fahren hat, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, wie dies insbesondere in unübersichtlichen Kurven und bei Gegenverkehr verlangt wird."

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus wie folgt:

"Der strafbare Tatbestand ist aufgrund der Aktenlage sowie insbesondere den Ausführungen im Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung samt Sachverständigengutachten des Bezirksgerichtes Schärding zu AZ. 3U204/98w als erwiesen anzusehen.

Sie lenkten am 23.06.1998 gegen 12.25 Uhr das Motorrad Yamaha 1200 mit dem deutschen Kennzeichen auf der B 136 Sauwald Straße von Schärding kommend in Richtung Münzkirchen. Bei Strkm ca. 6,8 kam es im Bereich der Fahrbahnmitte zu einem Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden PKW BMW mit dem Kennzeichen , gelenkt von C. Bei diesem Verkehrsunfall erlitten Sie schwere Verletzungen.

Nach der Rechtslage laut § 7 Abs. 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand zu fahren, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholt werden und bei Gegenverkehr; er darf hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 bestimmt für eine diese Übertretung eine Geldstrafe bis S 10.000.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20.10.1998 wurde Ihnen die Übertretung nach § 7 Abs. 2 StVO 1960 zur Last gelegt. Ihr Rechtsvertreter gab mit Schriftsatz vom 10.11.1998 eine Rechtfertigung ab, worin Sie sich einer Verletzung der Rechtsvorschrift des § 7 Abs. 2 StVO 1960 für nicht schuldig bekannten. Sie seien in etwa in der Mitte Ihrer Fahrbahnhälfte gefahren und sei der Unfallsgegner eindeutig zumindest teilweise auf Ihre Fahrbahnhälfte geraten. Grundsätzlich könne bzw. sei von einem Lenker eines einspurigen Fahrzeuges nicht zu verlangen, dass er am äußerst rechten Fahrbahnrand fährt. Abstände von 1,5 m werden von der Rechtsprechung ohne weiteres toleriert. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, dass plötzlich ein Fahrzeug ohne jedweden Grund auf Ihrer Fahrbahnhälfte entgegen komme.

Zu Ihrem geltend gemachten Abstand von 1,5 m ist auf die Entscheidung des OGH vom 11.03.1977, ZVR 1977/250, zu verweisen, wonach das Gebot, bei Gegenverkehr am rechten Fahrbahnrand zu fahren, an das weitere Kriterium gebunden ist, dass die Verkehrssicherheit ein solches Verhalten erfordert; dieses Erfordernis ist dann nicht gegeben, wenn die Fahrbahn entsprechend breit ist (hier: Einhaltung eines Abstandes von 1,25 m bei einer Fahrbahnbreite von 9,6 m als zulässig erkannt). Wenn ein Abstand von nur 1,25 m bei einer Fahrbahnbreite von 9,6 m als zulässig erkannt wird, ist entgegen Ihrer Ansicht ein Abstand von 1,5 m bei einer Fahrbahnbreite von ca. 6,5 m keinesfalls ohne weiteres tolerierbar. Zu Ihrer Rechtsansicht ist auf ein weiteres Urteil des OGH (12.10.1978, ZVR 1979/57) zu verweisen, wonach ein Abstand von 1,30 bis 1,50 m auf einer 7,20 m breiten Straße nicht dem Rechtsfahrgebot des § 7 Abs. 2 entspricht. Mit dieser Entscheidung ist Ihre Rechtfertigung vom 10.11.1998 klar widerlegt.

Da zu erwarten war, dass im gerichtlichen Strafverfahren gegen den PKW-Lenker C ein Sachverständigengutachten eingeholt wird, wurde der Abschluss des gerichtlichen Verfahrens abgewartet. Nach Bekanntwerden des Urteils des Bezirksgerichtes Schärding vom 21.04.1999 wurde in den gerichtlichen Verfahrensakt Einsicht genommen und ist im Urteilsspruch enthalten, dass es sich bei der Örtlichkeit um eine "unübersichtliche Rechtskurve" in Fahrtrichtung des Unfallsgegners C handelt. In den Strafbemessungsgründen gegen C wurde als mildernd Ihr Mitverschulden erwähnt.

Im Gutachten des Sachverständigen Ing. Dr. R ist ausgeführt, dass die Fahrspur des Motorrades nicht objektiviert werden kann, jedoch festgestellt werden kann, dass Sie an der Unfallsstelle etwa 0,5 m von der Fahrbahnmitte entfernt waren. Wieso Sie mit Ihrem Motorrad im Unfallszeitpunkt nur rund 50 cm von der Fahrbahnmitte entfernt waren, konnte der Sachverständige anhand objektiver Unfallsmerkmale nicht klären.

Mit unserem Schreiben vom 21.06.1999 wurden Sie auf die wesentlichen Ausführungen im bezirksgerichtlichen Urteil verwiesen und Ihnen angekündigt, dass Sie mit einer Bestrafung nach § 7 Abs. 2 StVO 1960 zu rechnen haben.

Mit Schriftsatz vom 08.07.1999 gaben Sie eine Stellungnahme ab, da sich aus dem Gutachten Ing. Dr. R ergäbe, dass sich der Unfallsgegner zunächst mit seinem Fahrzeug zur Gänze auf der falschen Fahrbahnhälfte, sohin auf Ihrer Fahrbahnhälfte befunden habe. Weiters ergebe sich daraus, dass der Unfallsgegner noch versucht habe, sein Fahrzeug auf seine rechte Fahrbahnhälfte zu verlenken, was ihm nur mehr teilweise gelungen sei. Nach Ausführung des Sachverständigen habe sich die Unfallsstelle etwa 0,5 m von der Fahrbahnmitte entfernt befunden. Weiters stehe fest, dass die Verkehrssituation für Sie eine extrem schwierige gewesen sei. Für Sie sei zunächst ersichtlich gewesen, dass Ihnen ein Fahrzeug auf Ihrer Fahrbahnhälfte entgegen gekommen sei. Sie hätten angesichts dieses Umstandes Ihr Motorrad aufgerichtet und eine Vollbremsung eingeleitet. Zuvor seien Sie etwa in der Mitte Ihrer rechten Fahrbahnhälfte gefahren, sohin in keiner Weise 1,5 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt. Durch das Aufrichten des Motorrades sowie die Einleitung der Vollbremsung und des damit verbundenen Reaktionsverhaltens sei das Motorrad bis zur Kollision um ca. 1 m nach links versetzt worden. Das Versetzen des Motorrades sei einerseits automatisch bedingt durch das Aufrichten aus der starken Schräglage in Verbindung mit der Einleitung der Vollbremsung, andererseits möglicherweise auch auf eine - im Nachhinein betrachtete - falsche Reaktion. In der Schrecksekunde könnten Sie sich naturgemäß nicht mehr im Detail erinnern. Ihnen sei es noch gelungen, die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt der Kollision auf ca. 40 bis 50 km/h zu reduzieren. Jedoch sei das Motorrad möglicherweise ganz geringfügig noch nach links verlenkt worden. Sie hätte ja nicht wissen können, ob das auf der falschen Fahrbahnhälfte entgegenkommende Fahrzeug weiter nach links oder nach rechts verlenken oder seine Fahrlinie beibehalten würde. Es habe sich erst im Nachhinein herausgestellt, dass ein weiteres nach rechts verlenken zur Kollisionsvermeidung geführt hätte. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes wie auch auf die des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach kein Mitverschulden vorliege, sofern ein Verkehrsteilnehmer, der bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen werde, verwirrt oder kopflos geworden und - rückwirkend betrachtet - eine unrichtige Maßnahme getroffen habe.

Zunächst ist zu dieser Stellungnahme zu bemerken, dass die Ausführungen des Sachverständigen Ing. Dr. R teilweise unkorrekt wiedergegeben worden sind. Korrekt ist, dass der Unfallsgegner mit seinem PKW zunächst auf Ihrer Fahrbahnhälfte war. Der Sachverständige stellte beim Augenschein eine Fahrbahnbreite von 6,44 m fest. Ausgehend von einer Fahrbahnhälfte von 3,22 m und einer Fahrzeugbreite von 1,80 m des PKWs des Unfallsgegners verblieb eine Fahrbahnbreite von ca. 1,40 m, wobei davon ausgegangen wird, dass der Unfallsgegner nicht weiter als über die Mittellinie geriet. Wenn Sie eine Fahrweise wie in den oben angeführten Entscheidungen eingehalten hätten, hätten Sie einen Verkehrsunfall auch unter diesen gegebenen Umständen vermeiden können. Des weiteren wird auf die Entscheidungen des OGH zu verweisen (19.11.1976, ZVR 1977/186, 9.11.1978, ZVR 1979/90), wonach von einem entgegenkommenden Fahrzeug, dass aus irgendeinem Grund die ihm nicht zukommende Fahrbahnhälfte benützt, die Rückkehr auf seine rechte Fahrbahnhälfte zu erwarten ist, es sei denn, dass sich aus besonderen Gründen das Gegenteil schließen lässt. Diese besonderen Gründe waren im gegenständlichen Fall nicht gegeben, nachdem der Unfallsgegner vor dem Verkehrsunfall seinen PKW soweit auf seine Fahrbahnhälfte gelenkt hatte, dass das Fahrzeug nur mehr 40 bis 50 cm in Ihrer Fahrbahnhälfte ragte.

Bezüglich Ihres Hinweises, durch Aufrichten des Motorrades sowie Einleitung der Vollbremsung das Motorrad um ca. 1 m nach links versetzt zu haben, führte Ing. Dr. R aus, dass Ihre Darstellung nicht im Einklang mit der langjährigen Fahrpraxis steht. Es geht ja aus dem Strafakt hervor, dass Sie Ihr Motorrad am 04.05.1995 zum Verkehr zugelassen haben, sodass zumindest eine vierjährige Fahrpraxis bis zum Unfallszeitpunkt dokumentiert ist. Da Sie in einer Linkskurve gefahren sind, wird ein Motorrad normalerweise bei einer Geschwindigkeitsverminderung tangential, also nach rechts gegen den rechten Straßenrand zu, abgetragen. Es ist auch in einer Linkskurve durch kurzes Aufrichten des Motorrades ein Spurwechsel gegen den rechten Fahrbahnrand hin ohne weiteres möglich. Somit ist gutachtlich erwiesen, dass Sie weder durch Aufrichten des Motorrades noch durch Einleitung der Vollbremsung das Motorrad um ca. 1 m nach links versetzen haben können und ist es als mutwillige Argumentation zu betrachten, wenn Sie gutachtliche Feststellungen eines ständig gerichtlich beeideten Sachverständigen offenbar nicht akzeptieren wollen.

Unrichtig ist auch Ihr Hinweis, dass es Ihnen noch gelungen sei, die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt der Kollision auf ca. 40 bis 50 km/h zu reduzieren. Auch diesbezüglich wird auf die Feststellungen von Ing. Dr. R verwiesen, wonach objektivierbar ist, dass das Motorrad im Bereich der Unfallsstelle nur mehr eine Geschwindigkeit von etwa 70 bis 75 km/h hatte.

Entgegen Ihrer Ansicht, dass kein Verschulden vorliege, wird auf die Strafbemessungsgründe in der gekürzten Urteilsausfertigung verwiesen, worin Ihr Mitverschulden ausdrücklich dokumentiert ist. Hiezu auf eine für Sie günstige Rechtssprechung verweisen zu wollen, ist somit irrrelevant.

Dass das Rechtsfahrgebot gemäß § 7 Abs. 2 StVO nicht nur wegen des Gegenverkehrs bestand, sondern auch der unübersichtlichen Kurve, ist der richterlichen Feststellung zu entnehmen, dass durch den an der Kurveninnenseite befindlichen Wald die Sicht in der Kurve auf etwa 100 m beschränkt ist.

Bezüglich des Rechtsfahrgebotes wird noch auf weitere Judikate verwiesen:

- Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 darf kein Seitenabstand eingehalten werden. Der Kraftfahrer hat schon bei einer abstrakt gefährlichen Situation - nicht erst nach einer konkreten Gefahrenlage - die Vorschrift des § 7 Abs. 2 einzuhalten (OGH 18.1.1973, ZVR 1974/82; 31.8.1988, ZVR 1989/25).

- § 7 Abs. 2 legt - anders als § 7 Abs. 1 - dem Fahrer die Verpflichtung auf, an bestimmten Stellen ausnahmslos am rechten Fahrbahnrand zu fahren (VwGH 30.4.1980, 429/78; 19.12.1990, ZFVB 1992/2/562).

Bei Gesamtbeurteilung obiger Ausführungen insbesondere den objektiven Feststellungen und der gutachtlichen Aussagen speziell bezüglich des Aufrichtens des Motorrades und eines Bremsvorganges ist als erwiesen anzusehen, dass Sie vor dem Verkehrsunfall die Rechtsfahrordnung nach § 7 Abs. 2 StVO 1960 nicht beachtet haben. Im Grunde haben Sie ein Mitverschulden in Ihrer Stellungnahme vom 08.07.1999 nicht völlig ausgeschlossen, indem Sie als Eventualantrag zur Einstellung eine Entscheidung nach § 21 VStG beantragten.

Wie die meisten Übertretungen des Straßenverkehrsrechts stellt auch eine Übertretung nach § 7 Abs. 2 ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG dar. Dabei hat der Täter glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Ihre Ausführungen sind nicht geeignet, Ihr Verschulden zu entlasten noch dazu diese durch die gutachtlichen Feststellungen des Sachverständigen Ing. Dr. R widerlegt wurden.

Bei der Bemessung des Strafausmaßes konnte als mildernd Ihre Unbescholtenheit gewertet werden. Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Für ein Absehen von der Strafe lagen die Voraussetzungen nach § 21 VStG nicht vor, indem Sie durch Ihre Missachtung des Rechtsfahrgebotes den Verkehrsunfall mitverschuldet haben, bei welchem Sie schwer verletzt wurden. Es war somit Ihr Verschulden keinesfalls geringfügig und die Folgen der Übertretung bedeutend. Schließlich stellt die Bestimmung des § 7 Abs. 2 StVO eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB dar. Aus spezial- und generalpräventiven Gründen bedarf es der Verhängung einer Geldstrafe. Die Bestrafung soll Sie veranlassen, in Hinkunft die entsprechenden Rechtsnormen zu beachten.

Die verhängte Strafe ist Ihren Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen entsprechend anzusehen: monatliches Einkommen ca. S 25.000,--, keine Sorgepflichten, kein Vermögen. Diese Angaben wurden geschätzt und Ihnen mit unserem Schreiben vom 21.06.1999 mitgeteilt; Sie machten dazu keine gegenteiligen Angaben.

Die vorgeschriebenen Kosten sind in der zitierten Gesetzesstelle begründet."

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung, worin er Folgendes ausführt:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 16.08.2000 AZ VerkR96-5988-1998, zugestellt am 22.08.2000, sohin innerhalb offener Frist nachstehende

B E R U F U N G

an die sachlich übergeordnete Instanz.

Obbezeichnetes Straferkenntnis wird seinem gesamten Umfang nach angefochten und gestellt der

A N T R A G

der Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben

in eventu

gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

Die erste Instanz stellt fest, daß der Berufungswerber entgegen § 7 Abs. 2 StVO 1960 das Fahrzeug nicht am rechten Fahrbahnrand gelenkt habe.

Feststeht - dies wird von der Erstinstanz im wesentlichen auch zugestanden, daß der Unfallsgegner bei erstem Ansichtigwerden sich zur Gänze auf der falschen Fahrbahnhälfte, sohin auf der Fahrbahnhälfte des Berufungswerbers, befunden hat. Dem Berufungswerber ist eine Breite von ca. 1,4 m - dies bei erster Ansicht - verblieben, um auf seiner Fahrbahnhälfte zwischen Fahrzeug und rechtem Fahrbahnrand "durchzukommen". Dies bei einer Summengeschwindigkeit von annähernd 200 km/h.

Es ist wohl in keiner Weise verwunderlich, daß der Berufungswerber bei einer derartigen Situation vollkommen erschrocken ist und - insbesondere als Motorradfahrer sekundenschnell nicht die richtige Entscheidung treffen konnte.

Soweit also tatsächlich das Motorrad - im Nachhinein betrachtet - besser nach rechts hätte verlenkt werden sollen und möglicherweise von einer Bremsung hätte Abstand genommen werden sollen, um in einem "halsbrecherischen Manöver" bei einer Summengeschwindigkeit von 200 km/h eine Lücke von 1,4 m auszunützen, kann bei einer anderweitigen Reaktion wohl kein Verschulden unterstellt werden. Schließlich war bei nach links Verlenken die dortige Fahrbahnhälfte "zur Gänze frei". Der Motorradlenker mußte binnen Sekunde entscheiden und hat sich dafür entschieden angesichts der extrem schmalen Durchfahrtsbreite auf seiner Hälfte - in Richtung der völlig freien anderen Seite zu wechseln.

Wie bereits ausgeführt (siehe Stellungnahme und die dort angeführten Entscheidungen) kann daraus kein Mitverschulden abgeleitet werden.

Leitet man dennoch ein Verschulden bei dieser Extremsituation ab, so ist darauf hinzuweisen, daß aufgrund der gegebenen Verkehrssituation ein allfälliges Verschulden des Berufungswerbers als geringfügig anzusehen ist. Er wurde bei diesem Unfall auch schwerst verletzt und ist dieser Unfall ausschließlich darauf zurückzuführen, daß völlig unerwartet ein entgegenkommender Verkehrsteilnehmer die falsche Fahrbahnhälfte benützt hat. Es liegen daher zumindest die Voraussetzungen des § 21 VStG vor.

R, am 4.9.2000 M"

3. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG unterbleiben. Der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ergibt sich bereits aus der Aktenlage mit hinreichender Schlüssigkeit. Diesbezüglich konnte einerseits insbesondere auf das im Gerichtsverfahren gegen den Unfallsgegner des Berufungswerbers eingeholte Sachverständigengutachten von Ing. Dr. R zurückgegriffen werden, andererseits wurde zwecks besserer sachlicher Beurteilung der Örtlichkeit mit Blick auf die fahrpraktischen Aspekte zusätzlich noch ein Ortsaugenschein am 3. Oktober 2000 durch das Mitglied des Oö. Verwaltungssenates vorgenommen, wobei die Fahrbahnbreiten vermessen wurden und mittels eines Luftbildes aus dem System Doris der Kurvenradius bestimmt wurde.

4. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt ist der Entscheidung zu Grunde zu legen:

4.1. Der Berufungswerber lenkte sein Motorrad am 23. Juni 1998 um 12.25 Uhr an der o.a. Örtlichkeit in Richtung Münzkirchen. Die B 136 verläuft im Bereich des Strkm 6,3 bis knapp über 7,2 ca. 900 m in einem Waldgebiet, wobei nach dieser Kilometrierung in Fahrtrichtung des Berufungswerbers der Straßenzug in einer Linkskurve, mit einem Kurvenradius von ca. 321 m (Sehnenlänge ~194 m, Sehnenhöhe ~15 m) und augenscheinlich ohne Fahrbahnneigung verläuft. Die Gesamtbreite der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße ergibt sich auf Höhe von Strkm 7,0 - an dieser Stelle ist laut den im Akt erliegenden Kopien der Fotos der Fahrzeugkontakt anzunehmen mit 5,9 m, wobei seitens des Sachverständigen auf Grund der Skizze der Gendarmerie die Breite mit 6,44 m bezeichnet wurde. Tatsächlich sind an dieser Stelle die durch eine Leitlinie getrennten Fahrstreifen von Randlinie zu Randlinie nur 2,9 m breit (Ergebnis des Ortsaugenscheines). Entgegen der Darstellung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist die Kontaktposition zwischen den unfallbeteiligten Fahrzeugen etwa auf Höhe des Strkm 7.00 und nicht bei Strkm 6,8 anzunehmen. Diese gründete laut Aktenlage in einem Aufmerksamkeitsfehler des Pkw-Lenkers, der ca. 50 cm über die Fahrbahnmitte gelangte und dadurch den entgegenkommenden Berufungswerber zu Sturz brachte. Letzterer erlitt dabei schwere Körperverletzungen. Bei Strkm 6,8 verläuft die B 136 noch geradlinig, wobei der Kurvenscheitel erst knapp hinter der Kilometrierung 7,00 liegt.

Der Unfallgegner wurde angesichts dieses Unfalles mit Urteil des BG Schärding vom 21. April 1999, 3 U 204/98 w, wegen dem Vergehen nach § 88 Abs.1 und 4, 1. Fall StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen, a´S 150,- insgesamt 12.000 S verurteilt.

Die Gefahrensichtweite bzw. der Gefahrensichtpunkt ist im Bereich der Annäherung an die Kollisionsstelle mit ca. 100 m anzunehmen. Daraus folgt, dass bei einer ursprünglichen Fahrgeschwindigkeit beider Fahrzeuge von 90 km/h eine Annäherungsgeschwindigkeit von ca. 50 m/sek gegeben war, woraus wiederum folgt, dass dem Berufungswerber unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von zumindest einer halben Sekunde, für eine Abwehrhandlung theoretisch nur weniger als zwei Sekunden zur Verfügung blieben.

Legt man weiter einen der Realität der Fahrdynamik eines Motorrades entsprechenden Maßstab zu Grunde, ist davon auszugehen, dass sich der Berufungswerber bereits in einer Linksschräglage und dabei unter Einhaltung einer sachgerechten Fahrlinie mit den Rädern etwa in Fahrstreifenmitte, somit ca. 1,5 m vom Fahrbahnrand entfernt befand. Durch die sich zwingend in der Kurvenfahrt ergebende Schräglage reichte der Berufungswerber mit seinem Körper naturgemäß etwa einen Meter weiter zur Fahrbahnmitte, sodass sich beim sachgerechten Durchfahren einer derartigen Kurve geradezu naturgemäß eine knappe Annäherung an die Straßenmitte bzw. an den linken Rand des Richtungsfahrstreifens ergibt. Im Moment des Ansichtigwerdens des Gegenverkehrs über der Fahrbahnmitte und zum Teil auf dem Fahrstreifen des Berufungswerbers fahrend, konnte und musste dies für den Berufungswerber als absolut lebensbedrohlich empfunden werden. Da aus der Sicht der Praxis als adäquate Abwehrreaktion in Form des Wegnehmens von Motorleistung durchaus realistisch erscheint, davon spricht einerseits der Berufungswerber selbst, andererseits ging auch der Sachverständige von einer noch erfolgten Geschwindigkeitsreduktion vor der Kollision aus. Es ist auch nicht auszuschließen, dass durch das Wegnehmen des Gases das Motorrad eine zusätzliche Gierkomponente (unter Motorradfahrern als sogenannter BMW-Effekt bekannt) nach links bekam. Die tatsächliche Ursache, dass ein unfallvermeidendes Ausweichen nach rechts nicht mehr erfolgte, wird vom Sachverständigen nicht erörtert. Es kann unter der Annahme einer noch versuchten und wohl auch noch wirksam gewordenen Geschwindigkeitsverminderung ab der Gefahrenerkennung durch den Berufungswerber bis zur Kollision von einer Zeitspanne von 2,17 Sekunden ausgegangen werden (Berechnung mittels Annalyzer Pro 4). Objektiv konnte daher vom Berufungswerber eine effiziente unfallvermeidende Abwehrhandlung nicht mehr gesetzt werden, weil selbst das Aufrichten des Motorrades aus der Schräglage bis zur Kollision nach den Gesetzen der Physik (Präzessionsmoment des Kreisels) wohl kaum mehr bewirkt werden konnte. Aus der Sicht der Praxis vermögen die Ausführungen im Hinblick auf ein "jederzeit mögliches Aufrichten des Motorrades und ein Spurwechsel zum rechten Fahrbahnrand hin" nur als theoretische Betrachtungen qualifiziert werden, wobei sie im Zuge des Gutachtens des Unfallgegners gemacht wurden und ihnen daher im Rahmen dieses Verfahrens nur der Charakter einer bloßen Erörterung zugedacht werden kann. Es bedarf wohl keiner weiteren Erörterung, dass innerhalb von zwei Sekunden, bei einer darin enthaltenen üblichen Reaktionszeit, eine Veränderung der Fahrlinie eines schweren Motorrades bei einer Geschwindigkeit um die 100 km/h so gut wie auszuschließen ist. Das Befahren einer "zügigen" Linkskurve mit einer verkehrsüblichen Fahrgeschwindigkeit in einem Abstand von weniger als einen Meter zum rechten Fahrbahnrand wäre aus praxisbezogener fachlicher Sicht mit Blick auf die Beschränkung von Korrekturmöglichkeiten der Fahrlinie und der dadurch einhergehenden Gefahr auf das rechte Bankett zu gelangen, nicht nur als unzweckmäßig, sondern vielmehr als gefährlich zu bezeichnen. Unter diesem Aspekt ergibt sich bei einer verbleibenden Fahrbahnbreite von nur 2,5 m fast zwingend ein knappes Heranreichen an die Fahrbahnmitte.

Die Ausführungen der Behörde erster Instanz in ihrer Bescheidbegründung, worin die freie und hier mit gutem Grund zutreffende Verantwortung des Berufungswerbers "als mutwillige Argumentation" qualifiziert wird, erweisen sich in diesem Licht als unangemessen und nicht sachbezogen.

Die Behörde erster Instanz übersieht offenbar gänzlich, dass die Fahrdynamik eines Fahrzeuges in ein physikalisches Beziehungsgefüge zur jeweiligen (erlaubten) Fahrgeschwindigkeit zu bringen ist und grundsätzlich von keinem Fahrzeuglenker damit gerechnet werden muss, dass ihm ein anderes Fahrzeug auf seiner Fahrspur entgegen kommt. In diesem Kontext vermag auch der in der Begründung des Urteils gegen den Unfallgegner aufgenommene Hinweis auf "ein Mitverschulden" des Berufungswerbers am Unfall sachlich nicht nachvollzogen werden. Aus dem Sachverständigengutachten lässt sich nämlich ein als schuldhaft zu qualifizierendes Fahrverhalten des Berufungswerbers gerade nicht ableiten, wenngleich vom Sachverständigen von einem nicht näher begründeten Fahrfehler die Rede ist. Wie oben schon dargetan ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass angesichts einer als lebensbedrohend zu empfindenden Situation von einer innerhalb von weniger als zwei Sekunden zu tätigenden Abwehrreaktion ein optimaler Verlauf nicht erwartet werden kann. Aus der Sicht der Praxis mutet es mehr als theoretisch an, dem Sachverständigen so verstehen zu wollen, dass durch ein Aufrichten des Motorrades ein Spurwechsel gegen den rechten Fahrbahnrand hin ohne weiteres möglich gewesen wäre. Keine Ausführungen machte diesbezüglich der Sachverständige, dass ein solches Aufrichten bedingt aus der Sicht der Praxis durch die Wirkung des geschwindigkeitsabhängigen Präzessionsmomentes (Kreiselwirkung) eine Zeitspanne von etwa einer Sekunde in Anspruch nimmt.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 7 Abs.1 und 2 hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Gleise von Schienenfahrzeugen, die an beiden Rändern der Fahrbahn liegen, dürfen jedoch nicht in der Längsrichtung befahren werden, wenn der übrige Teil der Fahrbahn genügend Platz bietet;

wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden und bei Gegenverkehr, hat der Lenker eines Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand zu fahren; er darf hierbei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen (Abs.2 leg.cit).

Es ist hier unerfindlich das Verhalten des Berufungswerbers, nämlich das Befahren eines Straßenzuges mit einem Motorrad im durchaus erlaubten Geschwindigkeitsspektrum und in fachgerechter Fahrlinie, als objektiv sorgfaltswidriges Verhalten erblicken zu wollen. Wie hätte sich ein in gleicher Situation befindlicher Motorradfahrer verhalten? Von einem auf der subjektiven Tatebene vorwerfbaren Fehlverhalten kann hier angesichts der objektiven Fakten nicht gesprochen werden. Mit einem plötzlichen Auftauchen des Gegenverkehrs über der Fahrbahnmitte konnte und musste der Berufungswerber nicht rechnen (§ 3 StVO). Der Berufungswerber vermochte auch mit seinem Vorbringen nach Auffassung der Berufungsinstanz sehr wohl darzutun, dass ihn mit Blick auf den Vorwurf nicht weiter rechts gefahren zu sein - aus einer ex-ante-Sicht - kein Verschulden trifft.

Der Bestimmung des § 7 StVO könnte im Übrigen nur entnommen werden, sich bei Benützung der Fahrbahn entsprechend dem Sicherheitsabstand rechts zu halten, nicht jedoch ein Verbot, die Fahrbahn nach rechts hin zu verlassen. Auch die Wendung "ohne Beschädigung von Sachen" bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den vom rechten Fahrbahnrand einzuhaltenden Abstand; das Verbot der Beschädigung von Sachen auf einem rechts von der Fahrbahn gelegenen Parkplatz - und demnach auch von einem durch einen allfälligen Fahrfehler bedingten Abkommen nach links - lässt sich daraus nicht ableiten (VwGH 10.10.1995, 95/02/0276, VwSlg 14338 A/1995).

Die von der Behörde erster Instanz angeführten Judikaturhinweise sowie der Hinweis auf § 1311 ABGB betreffen offenbar zivilrechtliche Entscheidungen und können daher auf die Dogmatik des Strafrechtes nicht gleichsam analog übertragen werden.

Da die Behörde erster Instanz sowohl den substanziellen Inhalt des Sachverhaltes unrichtig beurteilte und in diesem Kontext auch den Inhalt und Schutzzweck der angezogenen Rechtsnorm verkannte, belastete sie das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass der Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Schräglage, Kurvenfahrt, Fahrbahnrand

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