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des Landes Oberösterreich
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VwSen-107237/2/BI/KM

Linz, 06.10.2000

VwSen-107237/2/BI/KM Linz, am 6. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau H S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A W, vom 19. September 2000 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. September 2000, III/S 16730/00 V1P, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 400 S (entspricht 29,06 €), ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§4 Abs.2 2. Satz iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem genannten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.2 2. Satz iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S (76 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 20. April 2000 um 15.00 Uhr in L, gegenüber Nr., aus Richtung O Straße kommend Richtung P, das Kleinkraftrad gelenkt habe und als Lenker dieses KFZ an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt gewesen sei und somit als Person, deren Verhalten am Unfallort mit diesem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 200 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

3. Die Bw macht geltend, das Verfahren vor der Erstinstanz sei durch die mangelnde Einvernahme von Kurt Stadelmann mangelhaft geblieben. Daraus hätte sich nämlich ergeben, dass sie die ihr vorgeworfene Übertretung nicht begangen habe. Es könne ihr auch nicht zur Last gelegt werden, bewusst unwahre Angaben gemacht zu haben.

Sie habe vielmehr versucht, mit der Unfallsgegnerin Kontakt aufzunehmen, was nur durch den Besitzerwechsel des Cafehauses nicht gelungen sei. Da diese die Daten ihres PKW gewusst habe, wäre es absurd gewesen, die Daten nicht auszutauschen.

Da es sich um ihren ersten Unfall gehandelt habe, habe sie einen Schock gehabt. Der von ihr beantragte Zeuge hätte bestätigen können, dass sie tatsächlich um eine Kontaktaufnahme bemüht gewesen sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie unmittelbar nach dem Unfall Gewissheit gehabt habe, dass die Unfallgegnerin eine Verletzung gehabt habe. Dies decke sich auch mit ihren Aussagen vor der Erstinstanz und sei keine Schutzbehauptung.

Beantragt wird die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Zurückverweisung an die Erstinstanz zur neuerlichen Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass die Bw am 20. April 2000 gegen 15.00 Uhr als Lenkerin eines mehrspurigen Kleinkraftrades auf der Magdalenastraße Richtung stadteinwärts fuhr, wobei sie kurz vor dem Haus Nr. wegen zweier geparkter PKW bei Gegenverkehr zum Anhalten gezwungen war. Aus welchen Gründen immer fuhr sie bei der Weiterfahrt nicht nur links an diesen PKW vorbei, sondern geriet zu weit nach links auf den dortigen Gehsteig, wo sie die dort gerade mit ihrem Hund gehende Zeugin Ingeborg Scheuchenstein anstieß, sodass diese, um das Gleichgewicht zu halten, mit einem Fuß über eine 20 bis 30 cm hohe Kante steigen musste. Bei der ambulanten Versorgung im UKH L wurde eine Zerrung des linken Sprunggelenks und eine Prellung des rechten Hüftgelenks festgestellt.

Die Zeugin S sagte am 9. Mai 2000 beim VUK aus, die Bw habe stark nach links eingeschlagen und sei, bevor sie selbst reagieren habe können, mit dem linken vorderen Kotflügel des Mopedautos gegen ihre rechte Beckenseite gestoßen. Sie sei mit dem linken Fuß vom Gehsteig auf eine etwa 20 bis 30 cm tiefer liegende Grünfläche gestiegen, um dadurch ein Umfallen zu verhindern. Sie dürfte aber mit dem Fuß falsch aufgestiegen sein, weil sie sofort einen Schmerz verspürt habe. Sie sei zur Bw gegangen und habe ihr gesagt, dass der Fuß schmerze und sie solle ihr Namen und Adresse geben. Die Bw habe mitgeteilt, sie heiße M M, wohne in der P und sei unter der Telefonnummer erreichbar. Sie habe sich die Daten der Lenkerin und das Kennzeichen des Mopedautos aufgeschrieben. Am Abend seien die Schmerzen stärker geworden, weshalb sie ins Krankenhaus gegangen sei. Als sie die Lenkerin verständigen wollte, habe sich herausgestellt, dass bei der angegebenen Telefonnummer eine M M aus der P unbekannt sei. Die Zulassungsbesitzerin, die Bw, konnte erst durch eine Zulassungsanfrage ermittelt werden.

Die Bw verantwortete sich in der Niederschrift vom 12. Mai 2000 dahingehend, die Zeugin habe ihr gesagt, sie sei mit dem Fuß "umgeböckelt" und verspüre einen leichten Schmerz im linken Knöchel. Sie habe der Ordnung halber Namen und Adresse von der Bw verlangt, worauf sie ihr Daten genannt habe, von denen ihr erst zu Hause aufgefallen sei, dass diese unrichtig waren. Sie habe dann beim Gasthaus "N" angerufen und der Kellner habe ihr gesagt, es sei zwar eine Frau mit Hund da gewesen, aber sie sei schon weg. Sie habe die Frau nicht mehr eruieren können.

Die Erstinstanz wurde mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Linz vom 7. Juli 2000 davon verständigt, dass von der Verfolgung der Bw wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB nach Zahlung eines Geldbetrages gemäß § 90c Abs.5 StPO zurückgetreten wurde.

Im rechtzeitig eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung der Erstinstanz vom 12.7.2000 beantragte die Bw die zeugenschaftliche Einvernahme des damaligen Beifahrers K S zum Beweis dafür, dass nach dem Unfall in dessen Beisein die Personalien ausgetauscht worden seien. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass gegen sie ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden sei, sie bereits Zahlungen geleistet habe und sohin verurteilt worden sei, sodass eine neuerliche Verurteilung nicht erfolgen könne. In der Stellungnahme vom 4.9.2000 wurde darauf hingewiesen, dass die Zeugin zwar wegen des "Schockzustandes" der Bw falsche Daten, aber ein richtiges KFZ-Kennzeichen bekommen habe, jedoch die Bw ohnehin versucht habe, im Nachhinein die Zeugin zu erreichen, was leider nicht gelungen sei. Wenn die Zeugin aber in der Lage gewesen sei, ruhig ein Cafe aufzusuchen, liege kein Indiz für eine Verletzung vor. Auch dazu wurde die zeugenschaftliche Befragung des K S erneut beantragt.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. ...

Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass die Bw als Lenkerin des genannten Kleinmotorrades insofern an einem Verkehrsunfall ursächlich beteiligt war, als sie beim Ausweichen nach links auf den dortigen Gehsteig geriet und die Zeugin S anstieß, wodurch diese, um ein Umfallen zu vermeiden, von einer höheren Kante etwas unglücklich herunterstieg. Fest steht auch, dass die Zeugin dabei die im UKH Linz festgestellten Verletzungen erlitt.

Die Bw hat selbst in der Niederschrift vom 12.5.2000 bestätigt, dass die Zeugin ihr gegenüber von einem leichten Schmerz im linken Knöchel sprach und vorsorglich ihre Daten verlangte, um sie bei Bedarf erreichen zu können. Fest steht auch, dass die von der Bw mitgeteilten Daten falsch waren.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt zu der Auffassung, dass die Bw bereits nach den Umständen des Unfallherganges - der Anstoß an die Zeugin erfolgte mit der Frontseite des Kleinmotorrades, also im Sichtbereich der Bw, sodass dieser auffallen musste, dass die Zeugin durch den Anstoß im Bereich der rechten Beckenseite gezwungen war, vom Gehsteig herunterzusteigen - und der Mitteilung der Zeugin noch an der Unfallstelle, sie verspüre Schmerzen im Knöchel, davon auszugehen hatte, dass die Zeugin beim Verkehrsunfall verletzt wurde. Dies wurde umso deutlicher, als die Zeugin sogar von sich aus die persönlichen Daten der Bw verlangte, um diese erreichen zu können. Die Bw musste daher vom tatsächlichen Bestehen einer Verletzung der Zeugin, sohin von einem Verkehrsunfall mit Personenschaden im Sinne des § 4 Abs.2 StVO 1960 ausgehen. Dies auch im Hinblick darauf, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung Schmerzen im Fuß nach einem rasch auszuführenden Schritt über eine 20 bis 30 cm hohe Gehsteigkante, insbesondere auch bei der 67jährigen Zeugin, massiv auf innere Verletzungen des Fußes hindeuten, von denen geradezu zu erwarten ist, dass sie sich in der Folge verstärken. Darauf hat auch die Zeugin indirekt hingewiesen, indem sie die Daten der Bw verlangte.

Die Frage, ob die Vorgangsweise der Bw im Hinblick auf die der Zeugin genannten Daten, als deren "Austausch" im Sinne eines Identitätsnachweises zu sehen ist, erübrigt sich, weil § 4 Abs.2 2. Satz StVO 1960 keinen solchen vorsieht, sondern die sofortige Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall verlangt. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Vaters der Bw zum Beweis einer erfolgten Datenbekanntgabe erübrigt sich daher; ebenso ist es nicht Sache eines medizinisch unkundigen Zeugen, zu beurteilen, ob ein Cafehausbesuch jegliche Verletzung der Zeugin ausschließt. Dass die Zeugin ihrer Absicht gemäß kurz das Cafe aufgesucht hat - möglicherweise um vom Spaziergang mit dem Hund auszurasten - steht außer Zweifel; daraus zu folgern, es habe gar keine Verletzung vorgelegen, ist hingegen nicht schlüssig.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht die Verständigungspflicht des § 4 Abs.2 2. Satz StVO 1960 auch bei Vorliegen "nicht nennenswerter" Verletzungen (vgl Erk v 18.6.1964, 423/64; Erk v 16.4.1997, 96/03/0370, uva). Die Rechtsansicht, dass nur eine an der Unfallstelle sichtbare Verletzung die Verständigungspflicht begründet hätte, ist unrichtig; der nicht offenbar unbegründete Verdacht, dass eine andere Person verletzt worden sein könnte, genügt zum Entstehen der Verständigungspflicht (vgl Erk v 22.3.1991, 90/18/0266). Die Verständigungspflicht nach § 4 Abs.2 StVO 1960 wird nicht nur durch äußere, auch für einen medizinischen Laien ohne weitere Untersuchung sofort erkennbare Verletzungen ausgelöst. Daraus ergibt sich für die genannten Personen die Verpflichtung, sich bei einem Verkehrsunfall, der zwar keine äußerlich feststellbaren Verletzungen zur Folge hat, dessen Verlauf aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Eintritt äußerlich nicht erkennbarer Verletzungen erwarten lässt, durch eine Befragung der in Betracht kommenden Person nach einer allfälligen Verletzung diesbezüglich Gewissheit zu verschaffen. Sind keine Verletzungen erkennbar und wird die Frage nach Verletzungen verneinend beantwortet, so besteht keine Verständigungspflicht gemäß § 4 Abs.2 StVO, sofern die Frage nicht an Personen gerichtet wird, von denen schon nach dem äußeren Erscheinen angenommen werden muss, dass sie nicht in der Lage sind, Inhalt oder Tragweite ihrer Erklärung zu erkennen (zB Betrunkene, Kinder) (vgl Erk v 11.5.1987, 83/02/0515).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen war daher zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Bw zur sofortigen Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle verpflichtet gewesen wäre. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es nämlich, Nachteile des Verletzten daraus, dass der Schädiger falsche Daten nennt und danach nicht mehr greifbar ist, von vornherein zu verhindern.

Die Bw hat durch die Unterlassung dieser sofortigen Unfallmeldung den ihr zur Last gelegten Tatbestand ohne Zweifel erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Von einer Doppelbestrafung kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil die Meldepflicht gemäß § 4 Abs.2 2. Satz StVO kein Tatbestandselement des § 88 Abs.1 StGB darstellt; die offenbar im Rahmen der Diversion bezahlte Geldstrafe ist nicht als "Verurteilung" anzusehen.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 500 S bis 30.000 S, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von 24 Stunden bis sechs Wochen, vorsieht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des Straferkenntnisses die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als mildernd, aber nichts als erschwerend gewertet und mangels entsprechender Mitteilung, aber auch ohne Widerspruch, die finanziellen Verhältnisse der Bw geschätzt (11.000 S netto monatlich, keine Sorgepflichten, kein Vermögen).

Der unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll die Bw in Hinkunft zur genauesten Befolgung der auch für sie als Lenkerin eines mehrspurigen Kleinmotorrades geltenden Bestimmungen der StVO anhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Identitätsnachweis reicht bei Verkehrsunfall nicht à Bestätigung

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