Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107288/4/Le/La

Linz, 23.01.2001

VwSen-107288/4/Le/La Linz, am 23. Jänner 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des H F, E 26, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H B und Dr. J B, A 15, L, gegen die Spruchabschnitte 1. bis 4. des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 28.9.2000, AZ: III/S 4195/00 V1P, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Spruchabschnitte 1. und 4. des angefochtenen Straferkenntnisses richtet, Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.
  2. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

  3. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 400 S (entspricht 29,07 Euro).

III. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 800 S (entspricht  58,14 Euro) zu entrichten.

Hinsichtlich der aufgehobenen Spruchabschnitte entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.2 VStG.

Zu III.: § 64 Abs.1 und 2 sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 28.9.2000 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des

1. § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden),

2. § 4 Abs.1 lit.a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden),

3. § 4 Abs.1 lit.c StVO eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden) und

4. § 4 Abs.2 zweiter Satz StVO eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden) verhängt;

gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

(Im Spruchabschnitt 5. wurde der Berufungswerber wegen einer Übertretung des § 5 Abs.1 StVO bestraft. Da die dafür verhängte Strafe 10.000 S übersteigt, war zur Entscheidung darüber die nach der Geschäftsverteilung vorgesehene Kammer des Oö. Verwaltungssenates zuständig. Die Entscheidung darüber ergeht daher gesondert).

Im Einzelnen wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 9.12.1999 gegen 18.40 Uhr in L, W Bundesstraße, Strkm 189,540, von L kommend in Richtung W den PKW L- gelenkt und

1) als Lenker dieses KFZ beim Fahren vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird, da er mit dem oben angeführten KFZ auf einen verkehrsbedingt anhaltenden Kombi aufgefahren sei,

2) es als Lenker dieses KFZ unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, sein Fahrzeug sofort anzuhalten,

3) es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da er unmittelbar nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall in dem von ihm gelenkten Fahrzeug sitzen geblieben sei, keinerlei Anstalten gemacht habe, auszusteigen und den Sachverhalt zu klären und in weiterer Folge die Fahrt fortgesetzt,

4) als Lenker an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligten KFZ und somit als Person, deren Verhalten am Unfallort mit diesem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16.10.2000, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung behauptete der Berufungswerber Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes.

Die Erstbehörde habe Umstände nicht berücksichtigt, die eine Bewusstseinsstörung des Beschuldigten zur Tatzeit nicht nur nahe legen, sondern sogar mehr als wahrscheinlich machen. Das Gutachten des Amtsarztes befasse sich lediglich mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit auf Grund des Grades der Alkoholisierung, ohne den Beschuldigten persönlich untersucht zu haben.

Der Beschuldigte wäre zur Tatzeit in einen Sekundenschlaf gefallen und er habe daher die Vorfälle vor, während und nach dem Unfall nicht bewusst mitbekommen.

Aus dem Verfahren vor dem Bezirksgericht Linz-Land stehe fest, dass es sich bei dem gegenständlichen Unfall um keinen Unfall mit Personenschaden gehandelt habe.

Die Bestrafung verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung nach Art.4 des 7. ZP MRK, da das gegen den Beschuldigten eingeleitete gerichtliche Strafverfahren eingestellt worden sei.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt hervorgeht, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben.

Beigeschafft wurde - wie vom Berufungswerber beantragt - der Akt 3 U 5/00a des Bezirksgerichtes Linz-Land. Daraus geht hervor, dass das Strafverfahren gegen Herrn H F wegen §§ 88 Abs.1, 3 StGB gemäß § 90 StPO eingestellt wurde. Grundlage dieser Einstellung war das kfz-technische Gutachten des Dipl.Ing. Dr. H S vom 19.1.2000, aus dem hervorgeht, dass auf Grund der geringen Anstoßgeschwindigkeit aus technischer Sicht keine konkrete Gefährdung der Insassen im gestoßenen Fahrzeug bestand.

Der Sachverständige stellte weiters fest, dass der gegenständliche Verkehrsunfall durch ein fahrtechnisches Fehlverhalten, nämlich eine verspätete Reaktion des Herrn F eingetreten ist.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Zu Spruchabschnitt 1.:

Aus dem bereits oben unter 3. zitierten Gutachten des Dipl.Ing. H S, welches vom Bezirksgericht Linz im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verkehrsunfall eingeholt wurde, geht hervor, dass dieser Verkehrsunfall durch eine verspätete Reaktion des Beschuldigten H F eingetreten ist.

Diese Reaktionsverzögerung ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates offensichtlich eine Folge der beim Berufungswerber festgestellten erheblichen Alkoholisierung, da bekanntlich Personen unter Alkoholeinfluss verlangsamt reagieren.

Dieser Sachverhalt fällt somit nicht in den Regelungsbereich des von der Erstbehörde vorgeworfenen § 18 Abs.1 StVO (siehe hiezu auch das Erkenntnis des VwGH vom 5.7.2000, 97/03/0081, wonach das Auffahren auf ein angehaltenes Fahrzeug nicht den Tatbestand des § 18 StVO erfüllt), sondern vielmehr unter jenen des § 5 Abs.1 StVO. Diese Übertretung wurde aber im Spruchabschnitt 5. dem Berufungswerber ohnedies vorgeworfen.

Dass der Berufungswerber den Sicherheitsabstand zum vor ihm fahrenden Fahrzeug der A S nicht im Sinne des Gesetzes eingehalten hätte, ist weder erweisbar noch strafbar, weshalb dieser Tatvorwurf aufzuheben war.

4.3. Zu Spruchabschnitt 4.:

Der im Gerichtsverfahren beigezogene Sachverstände Dr. H S hat auf Grund der Beschädigungen der unfallbeteiligten Fahrzeuge die Anstoßgeschwindigkeit und dazu die mittlere Fahrgastzellenbeschleunigung errechnet, wobei er auf ein Ergebnis von 2,3 bis 2,8 g kam. Im Vergleich zu umfangreichen Erforschungen von Heckaufprallsituationen in Österreich und Deutschland, wo festgestellt wurde, dass eine Fahrgastzellenbeschleunigung von mehr als 4 g erforderlich ist, damit aus technischer Sicht eine Verletzung der Insassen des gestoßenen Fahrzeuges nicht mehr völlig ausgeschlossen werden kann, stellte er fest, dass bei der gegebenen Anstoßgeschwindigkeit (2,3 bis 2,8 g) aus technischer Sicht keine konkrete Gefährdung der Insassen im gestoßenen Fahrzeug bestand.

Es ist daher in der weiteren Folge davon auszugehen, dass bei diesem Unfall tatsächlich kein Personenschaden entstanden ist, weshalb der unter Spruchabschnitt 4. erhobene Tatvorwurf unzutreffend ist und daher aufzuheben war.

4.4. Zu den Spruchabschnitten 2. und 3.:

Der Berufungswerber hat sein tatbestandsmäßiges Verhalten nicht bestritten. Er hat jedoch vorgebracht, dass er zur Tatzeit in einen Sekundenschlaf gefallen sei und ihm somit die Dispositionsfähigkeit mangelte.

Er stellt somit die subjektive Vorwerfbarkeit dieser Verwaltungsübertretungen in Frage.

Der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Linz, Dr. H K, hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 9.8.2000 dazu ausgeführt, dass der Beschuldigte für das Unfallgeschehen zurechnungsfähig war. Er begutachtete, dass eine einschränkende Zurechnungsfähigkeit durch eine alkoholbedingte Bewusstseinstrübung polizeiärztlich nicht nachvollziehbar sei.

Dabei ging er in seiner Beurteilung von einer um 20.18 Uhr festgestellten Atemalkoholkonzentration von 0,84 mg/l aus. Der Verkehrsunfall fand eine Stunde und 40 Minuten vor dieser Alkomatmessung statt, weshalb die Rückrechnung für die Tatzeit des Verkehrsunfalls einen Alkoholwert von 0,93 mg/l ergibt (multipliziert mit der Fous-Konstanten 2,262 somit einen Promillewert von 2,1 Promille). Schwieriger würden Beurteilungen und Berechnungen bei höherer Alkoholkonzentration, etwa ab 2,5 Promille Blutalkoholkonzentration.

Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat, dass beim Berufungswerber noch keine Zurechnungsunfähigkeit im Unfallszeitpunkt vorlag. Der Berufungswerber war auch bei seiner Anhaltung durch die Polizeibeamten in der Lage, deren Anweisungen zu folgen und den Alkomattest abzulegen.

Während also eine absolute Zurechnungsunfähigkeit ausgeschlossen werden kann, war eine verminderte Zurechnungsfähigkeit auf Grund des Grades der Alkoholisierung sehr wahrscheinlich.

Dazu bestimmt § 3 Abs.2 VStG Folgendes:

"(2) War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe in hohem Grad vermindert, so ist das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewusstseinsstörungen, die auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhen." (Hervorhebung durch den UVS.)

Es mag daher durchaus zutreffen, dass der Berufungswerber auf Grund des überhöhten Alkoholkonsums müde wurde und auch in einen Sekundenschlaf fiel, doch konnte dies nach der oben zitierten gesetzlichen Bestimmung weder sein Verschulden iSd § 5 Abs.1 VStG mindern noch war dies bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese beim gegebenen Strafrahmen entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG erfolgt ist, weshalb diesbezüglich keine Korrektur vorzunehmen war.

4.6. Der Einwand, es liege eine gemäß Art.4 des 7. ZP MRK vor, trifft nicht zu: Der Berufungswerber wurde im gerichtlichen Verfahren wegen des Vorwurfes der fahrlässigen Körperverletzung nicht weiterverfolgt. Die dem Berufungswerber letztlich angelasteten Übertretungen des § 4 Abs.1 lit.a und lit.c StVO stehen in keinem Zusammenhang mit einer Körperverletzung, weshalb auch keine Doppelbestrafung vorliegt.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da mit der vorliegenden Berufungsentscheidung die Spruchabschnitte 1. und 4. aufgehoben wurden, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz diesbezüglich aufzuheben.

Zu III.:

Der gemäß § 64 Abs.1 VStG auszusprechende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ist nach § 64 Abs.2 VStG für das Berufungsverfahren mit weiteren 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 20 S, zu bemessen.

Da im bestätigten Teil des angefochtenen Straferkenntnisses Strafen im Gesamtausmaß von 4.000 S verhängt wurden, beträgt der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens somit 800 S.

Hinsichtlich der aufgehobenen Spruchabschnitte des angefochtenen Straferkenntnisses entfallen gemäß § 65 VStG die Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (= 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

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