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des Landes Oberösterreich
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VwSen-240176/2/Gf/Km

Linz, 05.02.1996

VwSen-240176/2/Gf/Km Linz, am 5. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der O.

M., ..............., .................., vertreten durch RA G. H., ............., .................., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von L. vom 5. Jänner 1996, Zl. SanRB96-106-1995+1-Fu, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von L. vom 5. Jänner 1996, Zl. SanRB96-106-1995+1-Fu, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil sie am 31. Jänner 1995 als verantwortliche Beauftragte (im Ergebnis wohl gemeint:) Lebensmittel mit einer falschen Angabe der Nettofüllmenge in Verkehr gebracht habe; dadurch habe sie eine Übertretung des § 74 Abs. 5 Z. 2 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 756/1992 (im folgenden: LMG), i.V.m. § 4 Z. 3 lit. a der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl.Nr.

72/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 557/1993 (im folgenden: LMKV), begangen, weshalb sie gemäß § 74 Abs. 5 Z.

2 LMG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihr am 10. Jänner 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 24. Jänner 1996 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß es aufgrund einer Anzeige des Amtes der Wiener Landesregierung als erwiesen anzusehen sei, daß das zum Tatzeitpunkt in Verkehr gebrachte Lebensmittel eine um 24,4 Gramm geringere Nettofüllmenge als auf der Etikette angegeben aufgewiesen habe, womit die nach der Fertigpackungsverordnung, BGBl.Nr. 867/1993 (im folgenden: FPV), zulässigen Minusabweichungen überschritten worden seien.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin als mildernd, die Vielzahl anhängiger Verfahren wegen gleichartiger Übertretungen hingegen als erschwerend zu werten gewesen.

2.2. Die Berufungswerberin läßt den ihr zur Last gelegten Sachverhalt im Grunde unbestritten, wendet jedoch hinsichtlich ihres Verschuldens im wesentlichen ein, daß die Gewichtsauszeichnung in ihrem Betrieb durch geeichte Waagen automatisch erfolge und sie daher darauf persönlich keinen Einfluß nehmen könne. Da sodann Teile der Verpackung Fleischsaft aufnehmen würden, nehme die Tara an Gewicht zu und die Nettofüllmenge entsprechend ab. Deshalb sei nach EG-rechtlichen Vorschriften (Verordnungen Nr. 1906/90 des Rates bzw.

1538/91 der Kommission über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch), die entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht bloß für tiefgefrorene, sondern auch für frischverpackte Geflügelteilstücke zur Anwendung käme, eine entsprechende, jene Toleranzgrenzen der FPV übersteigende Bandbreite vorgesehen, die im vorliegenden Fall auch nicht überschritten worden sei.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH L. zu Zl.

SanRB96-106-1995+1; da bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend zu klären war und mit dem angefochtenen Straferkenntnis lediglich eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt sowie ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 2 LMG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen, der den Bestimmungen einer auf Grund des § 19 LMG erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Nach § 4 Z. 3 lit. a LMKV sind verpackte Waren mit der Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware nach metrischem System zu kennzeichnen.

4.2. Im gegenständlichen Fall ist in erster Linie die Frage strittig, ob bzw. inwieweit nachträglich tatsächliche Abweichungen von der nach § 4 Z. 3 lit. a LMKV anläßlich der Verpackung vorzunehmenden Kennzeichnung zulässig sind.

Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde vermag die FPV zur Lösung dieser Problematik nichts beizutragen, weil sich diese Rechtsvorschrift gemäß § 7 Abs. 1 FPV von vornherein nur auf Fertigpackungen, die in der Folge mit einem konstanten, einheitlichen Inhalt befüllt werden sollen (z.B.

Getränkeflaschen, Tetrapacks, Joghurtbecher, etc.), bezieht.

Hiezu zählen aber die verfahrensgegenständlichen Fleischtassen, die - wie im vorliegenden Fall - zur Aufnahme von Produkten mit unterschiedlichem Gewicht und divergierender Größe bestimmt sind, offensichtlich nicht. Es kann sohin entgegen der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Rede davon sein, daß der Begriff "Nettofüllmenge" in § 4 Z. 3 lit. a LMKV an jenen der "Nennfüllmenge" in § 8 FPVO anknüpft.

Vielmehr ordnet § 4 Z. 3 lit. a LMKV ausdrücklich an, daß lediglich - die Nettofüllmenge der zur Verpackung gelangenden Ware anzugeben ist. Mithin kommt es - wie auch ein Blick auf § 4 Z. 3 lit. b LMKV zeigt - insoweit ausschließlich auf den Zeitpunkt des Abpackens selbst an: Jenes Gewicht, welches die Ware zu diesem Zeitpunkt aufweist, ist auf der Verpackung anzugeben. Ob bzw. inwieweit jenes in der Folge Schwankungen unterliegt, ist unter dem Aspekt der Strafbarkeit wegen einer Übertretung dieser Verwaltungsvorschrift nach dem insoweit eindeutigen Normtext hingegen irrelevant.

Offensichtlich handelt es sich sohin im Ergebnis bei § 4 Z. 3 lit. a LMKV in erster Linie um eine Ordnungsvorschrift, die nach dem Willen des Verordnungsgebers primär lediglich sicherstellen soll, daß die Nettofüllmenge auf der Verpackung überhaupt angegeben ist. Eine darüber hinausgehende Rechtsverletzung derart, daß die Verpackung eine falsche Mengenangabe enthält, kann dagegen nur durch eine entsprechende behördliche Kontrolle beim Abpacken selbst, nicht jedoch ex post im Zuge einer lebensmittelpolizeilichen Revision in einer Verkaufsstelle festgestellt werden, es sei denn, daß das Kennzeichnungsgewicht auffällig vom dort tatsächlich festgestellten Gewicht abweicht.

Letzteres ist jedoch gegenständlich nicht der Fall, wenn abgesehen davon, daß der Zeitpunkt des Abpackens durch die einschreitenden Lebensmittelaufsichtsorgane bzw. die belangte Behörde gar nicht festgestellt wurde - diese Minusabweichung lediglich 24,4 g bzw. ca. 1,8% (1320,6 g statt der angegebenen 1345 g) beträgt, weil dies - insbesondere unter dem von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellten Aspekt, daß beim Abpacken im Betrieb der Beschwerdeführerin geeichte Waagen verwendet wurden - kein verläßliches Indiz (und erst recht keinen Beweis) dafür bietet, daß die ursprüngliche Gewichtsangabe nicht korrekt gewesen sein könnte.

Im Zweifel war daher gemäß Art. 6 Abs. 2 MRK zugunsten der Berufungswerberin davon auszugehen, daß vorliegend ein tatbestandsmäßiges Handeln nicht als erwiesen anzusehen ist.

4.3. Der Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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