Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107090/12/Br/Bk

Linz, 06.10.2000

VwSen-107090/12/Br/Bk Linz, am 6. Oktober 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer (Vorsitzender Dr. Langeder, Beisitzer Dr. Weiß, Berichter Dr. Bleier) über die Berufung des Herrn M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 29. Mai 2000, VerkR96-7233-1999/Mr, nach der am 21.9.2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51e Abs.1 VStG

II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 29. Mai 2000, VerkR96-7233-1999/Mr, über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 22.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 21 Tagen) verhängt.

Im Ergebnis wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 7.5.1999 um 23.05 Uhr in L, vom Hauptplatz kommend auf der O zum Haus Nr. , den PKW Kennzeichen in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und die von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigen Straßenaufsichtsorgan an ihn um 23.07 Uhr an dieser Örtlichkeit gerichteten Aufforderung, sich einer Atemluftuntersuchung auf Alkoholgehalt zu unterziehen, verweigert.

Die Behörde erster Instanz folgte weder dem Berufungswerber in dessen vom Anfang an gleichlautenden Verantwortung noch den diese Verantwortung stützenden zeugenschaftlichen Angaben zweier weiterer Fahrzeuginsassen anlässlich der fraglichen Fahrt. Die Zeugin P hätte laut Würdigung der Behörde erster Instanz in "bezeichnender Weise" unentschuldigt der im Rechtshilfeweg ergangenen Zeugenladung bei der Bundespolizeidirektion Linz keine Folge geleistet. Vielmehr wurde den Angaben der Meldungsleger hinsichtlich der Identifizierung des Berufungswerbers als Lenker gefolgt.

2. Der Berufungswerber rügt im Ergebnis unsachliche Motive in der Beweiswürdigung, von welchen sich die Behörde erster Instanz hätte leiten lassen. Dies komme in der Äußerung zum Ausdruck, dass die Behörde "als bekannt voraussetzt, dass besonders in Kreisen, denen der Berufungswerber angehört, die Bereitschaft zur Falschaussage um seinesgleichen zu decken, vorhanden" sei.

3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige zweite Kammer zu entscheiden.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 21. September 2000. Anlässlich dieser Berufungsverhandlung wurden RI H und RI P als Zeugen einvernommen. Verlesen wurden die im erstinstanzlichen Verfahren hinsichtlich der übrigen Insassen im Fahrzeug des Berufungswerbers getätigten Zeugenaussagen, sowie dessen Aussage im erstinstanzlichen Verfahren. Ausführlich erörtert wurden die Örtlichkeit, an der die Anhaltung erfolgte, und die Umstände des Eintreffens der Meldungsleger an dieser Örtlichkeit. Am 5. Oktober 2000 wurde zwecks Feststellung der Beleuchtungsverhältnisse zur Nachtzeit im Bereich des Haltezeichens vor der Örtlichkeit O, vom Berichter der 2. Kammer noch ein Ortsaugenschein durchgeführt (Aktenvermerk v. 5.10.2000).

4. Zum Sachverhalt hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Das offenbar von der Gattin des Berufungswerbers gehaltene Fahrzeug wurde am 7. Mai 1999 um 23.05 Uhr von der Besatzung einer Zivilstreife (Dienstkraftwagen mit Deckkennzeichen) im Bereich der Rathausgasse wahrgenommen, als an diesem Fahrzeug kurzzeitig das darauf installierte gelbe Drehlicht eingeschaltet wurde.

In weiterer Folge wurde das Fahrzeug in Richtung U und in Richtung stadtauswärts gelenkt. Als Fahrziel ist von U, dem Wohnsitz von P auszugehen. Knapp vor dieser Örtlichkeit überholte der Lenker des Dienstkraftwagens, RI H, dieses Fahrzeug zwecks Anhaltung zu einer Verkehrskontrolle. Mittels Winkerkelle wurde im Zuge des Überholvorganges das Anhaltezeichen gegeben, wobei dieses Fahrzeug plötzlich auf die im Bereich U im rechten Winkel zur Fahrbahn befindlichen Parkplätze links zufuhr. Das Dienstfahrzeug wurde nach etwa 150 m gewendet und bis zum Ort der nachfolgenden Amtshandlung zurückgefahren.

Beim Eintreffen der Meldungsleger waren die vier Fahrzeuginsassen bereits ausgestiegen, wobei sich der Berufungswerber auf der Fahrertürseite befunden haben soll. Da der Berufungswerber eindeutige Alkoholisierungssymptome aufwies, wurde er zum Alkotest aufgefordert. Diesen verweigerte er umgehend mit dem Hinweis, das Fahrzeug gar nicht gelenkt zu haben. Die drei anderen Fahrzeuginsassen bestätigten diese Verantwortung sowohl vor Ort als auch im Rahmen ihrer knappen zeugenschaftlichen Niederschriften vor der Bundespolizeidirektion Linz. Demgegenüber schlossen die Meldungsleger anlässlich ihrer Zeugenaussage eine Verwechslung des Berufungswerbers mit einer anderen Person am Fahrersitz aus.

Wenn sich RI H in dieser Zeugenniederschrift als Beifahrer bezeichnete, im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat aber aus der Fahrersitzposition während des Überholvorganges den Berufungswerber als Fahrer genau zu erkennen glaubte, so spricht dies gegen die Glaubwürdigkeit seiner Aussage. Anlässlich der Berufungsverhandlung stellte sich nämlich seine Lenkereigenschaft heraus. Hinsichtlich der Beleuchtungsverhältnisse vor Ort zur Nachtzeit lässt sich feststellen, dass vom Fahrbahnrand aus eine Identifizierung eines fremden Fahrzeuginsassen als eher schwer möglich erscheint.

Im Zuge der Berufungsverhandlung schilderten die Meldungsleger den von ihnen nach dem Einparken des angehaltenen Fahrzeuges auf Höhe des Hauses Nr. zurückgelegten Weg sehr unterschiedlich. Während RI H die mit dem Dienstwagen zurückgelegte Distanz nur auf 50 m einschätzte und ausführte, es sei im Retourgang zum Einsatzort zurückgefahren worden, schilderte RI H die Fahrtstrecke mit 150 m, wobei noch umzukehren war und sich somit eine doch deutlich längere Zeitspanne ergeben musste, bis die Meldungsleger am Einsatzort eingetroffen sein konnten. Die Fahrzeuginsassen vermochten bis zu diesem Eintreffen wohl längst aus dem Fahrzeug zu steigen, sodass beim Eintreffen des Dienstfahrzeuges am Vorfallsort der jeweilige Standort der nächst dem Fahrzeug noch angetroffenen Personen keinen tauglichen Schluss mehr auf die vorherige Sitzposition im Fahrzeug und die Lenkeigenschaft des Berufungswerbers zulassen konnte.

Unter diesem Aspekt erweist sich die Aussage des Zeugen RI H im erstinstanzlichen Verfahren, nämlich das rasche Aussteigen des Berufungswerbers vom Fahrersitz genau gesehen zu haben, als zweifelhaft. Fragwürdig erscheint auch die Schilderung, im Zuge des Überholvorganges - selbst als Beifahrer - den Berufungswerber so genau gesehen zu haben, dass eine Verwechslung mit anderen Fahrzeuginsassen ausgeschlossen werden könnte, da die Straßenbeleuchtung einen Fahrzeuginnenraum nur schwach ausleuchtet und der Beobachtungszeitraum nur kurz war.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung machten die Meldungsleger keinen überzeugenden Eindruck. Ihre Angaben waren eher ungenau, wenig spontan und widersprachen sich mehrfach, etwa hinsichtlich des nach der Anhaltung bereits beschriebenen Rückfahr- bzw. Umkehrvorganges, in entscheidender Weise. Demgegenüber bestritt der Berufungswerber bereits von Anfang an seine Lenkereigenschaft, worin er auch von seinen Mitfahrern in unmissverständlicher Weise bestätigt wird.

Somit konnte angesichts der hier vorliegenden Beweislage nicht vom Vorliegen einer hinreichenden Verdachtslage für eine Aufforderung zur Atemluftuntersuchung eines Fahrzeuginsassen ausgegangen werden.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 sind die Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder ... auf Alkoholgehalt zu untersuchen.

5.2. Der in der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung zu begreifende Verdacht des Lenkens muss zumindest in sachlich nachvollziehbarer Weise begründet sein (vgl. dazu Messiner, StVO, 10. Auflage, Seite 210, E169 mit Judikaturhinweisen). Von einem begründeten Verdacht kann hier, wie oben schon ausgeführt, nicht die Rede sein. Diese Beurteilung ergibt sich insbesondere aus der ex-ante-Sicht der Meldungsleger, wenn sämtliche Fahrzeuginsassen eine andere Person als den Berufungswerber als Lenker bezeichneten. Da andererseits die Wahrnehmungen zur Lenkereigenschaft im Ergebnis lediglich auf subjektiven Schlussfolgerungen der Meldungsleger gründeten, vermochten diese bei objektiver Beurteilung einen von Substanz getragenen Verdacht des Lenkens des Berufungswerbers nicht zu implizieren.

Da somit die Voraussetzungen für die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung nicht vorlagen, hat der Berufungswerber mit der Verweigerung gegen kein gesetzliches Gebot verstoßen.

Der Begriff "Verdacht" (hier hinsichtlich einer Lenkeigenschaft) hat in der gesetzesspezifischen Bedeutung einer objektiven Überprüfungsmöglichkeit zugänglich zu bleiben und bedingt eine fallbezogene Beurteilungsperspektive. Ein von einer Lenkeigenschaft im Ergebnis gänzlich losgelöster Verweigerungstatbestand würde letztlich das gesetzliche Ziel, (nur) einen vermutlich alkoholisierten und auch der Lenkeigenschaft verdächtigen Lenker einer entsprechenden Überprüfung zuführen zu können, verfehlen. Der Verweigerungstatbestand darf nicht von der unüberprüfbaren subjektiven Einschätzung eines Exekutivorgans, abhängen, da sonst jede beliebige Person ohne hinreichenden Anlass zu einem Test aufgefordert werden könnte. Vielmehr sind bei einer solchen Aufforderung die Verdachtsmomente aus der Sicht des Gesetzgebers in einer substanziell überprüfbaren Dimension zu denken.

Auf die beim Berufungswerber vorgelegenen Alkoholisierungssymptome braucht mangels hinreichenden Lenkverdachts nicht mehr eingegangen zu werden.

Somit war der Berufung Folge zu geben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L a n g e d e r

Beschlagwortung:

Verdachtselement, konkretisierbar

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