Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107433/12/Br/Bk

Linz, 27.03.2001

VwSen - 107433/12/Br/Bk Linz, am 27. März 2001

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine zweite Kammer (Vorsitzender: Dr. Langeder, Beisitzer: Dr. Weiß und Berichter: Dr. Bleier) über die Berufung des Herrn G gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, vom 18. Dezember 2000, Zl. VerkR96-7315-2000, nach der am 13. März 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und ergänzenden Erhebungen zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 26/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2000- VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, Zl. VerkR96-7315-2000, wegen der Übertretung nach § 5 Abs.6 iVm §§ 5 Abs.4a und 99 Abs.1 lit.c idgF StVO 1960 eine Geldstrafe von 16.000 S und im Nichteinbringungsfall sechzehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Es wurde ihm zur Last gelegt, er habe sich am 9. Juli 2000 um 06.03 Uhr im Landeskrankenhaus Gmunden nach dem Lenken des Pkw´s, Kennzeichen , trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Straßenaufsicht geweigert, sich Blut abnehmen zu lassen, nachdem bei ihm eine Untersuchung gemäß § 5 Abs.2 aus Gründen, die in seiner Person gelegen seien, nicht möglich war und er verdächtig gewesen wäre, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden zu haben.

Die Behörde erster Instanz ging von einer willkürlichen Verweigerung der Atemluftuntersuchung aus. Sie folge dabei dem Meldungsleger GrInsp. H des GP G, der den Berufungswerber zur Blutabnahme aufforderte, wobei letzterer durch Gesten und Schreiben eines Zettels mit dem Inhalt "ohne Anwalt Schock funktioniert" verweigert habe. Ebenfalls stützte die Behörde erster Instanz diese Annahme auf die Aussage der behandelnden Ärztin, Frau Dr. S, die den Berufungswerber in der Phase der Verweigerung der Blutabnahme als ansprechbar und örtlich und zeitlich orientiert diagnostizierte. Ebenfalls erachtete diese Ärztin eine Blutabnahme als medizinisch unbedenklich.

Für die Strafzumessung ging die Behörde erster Instanz von einer monatlichen Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 8.000 S, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten und dem Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit aus.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung beteuert der Berufungswerber den Alkotest nicht verweigert zu haben (gemeint wohl nicht verweigern haben zu wollen). Dies begründet er mit einem bestehenden Schock wegen seines beim Unfall erlittenen Kieferbruches. Er sei aus diesem Grunde nicht fähig gewesen, der Aufforderung nachzukommen. Er könne sich weder an den Unfallhergang noch an den Aufenthalt im Krankenhaus Gmunden erinnern. Abschließend bittet er um positive Erledigung seiner Berufung.

3. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG durchzuführen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes, insbesondere der darin erliegenden Zeugenaussage von Frau Dr. S. Ferner wurde Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung des einschreitenden Polizeibeamten GrInsp. H, die im Rahmen der Berufungsverhandlung eingeholte gutachterliche Stellungnahme der med. Amtssachverständigen Dr. H und die Befragung der informierten und bevollmächtigten Vertreterin des Berufungswerbers (dessen Mutter) anlässlich der Berufungsverhandlung. An der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung nahm auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil.

Nach der Berufungsverhandlung wurde noch wegen der Frage von Alkoholisierungssymptomen fernmündlich Kontakt mit dem einschreitenden Gendarmeriebeamten am Unfallort, GrInsp. H hinsichtlich dem von ihm im Beiblatt zur Anzeige beigefügten Zusatz "sonstige Alkoholisierungsmerkmale" aufgenommen und darüber ein Aktenvermerk erstellt. Das Ergebnis dieser Mitteilung wurde noch am gleichen Tag der Behörde erster Instanz zwecks Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

4.1. Der Berufungswerber lenkte am 9. Juli 2000 gegen 04.24 Uhr seinen Pkw der Marke BMW 320i, Kennzeichen , auf der rechten Richtungsfahrbahn der damals regennassen A1 im Gemeindegebiet von Vorchdorf, Strkm 207,240, als er mit dem Handy telefonierend (offenbar ohne Freisprecheinrichtung) mit relativ hoher Fahrgeschwindigkeit auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auffuhr. Bei diesem Unfall wurden mehrere Personen verletzt und es entstand schwerer Sachschaden. Der Berufungswerber machte am Unfallort gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten keine Angaben über den Unfallhergang. Im Beiblatt zu der am 13. Juli 2000 verfassten Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden ist hinsichtlich der Alkoholisierungsmerkmale unter der Rubrik, "Sonstige Merkmale" angeführt: "Sprach kein einziges Wort, machte überhaupt keine Angaben."

Über Intervention des mit der Unfallaufnahme beteiligten Beamten, GrInsp. H, wurde im Wege des GP G, Streife G GrInsp. H zwecks Vornahme einer Atemluftuntersuchung mittels Alkomat am Berufungswerber in das Krankenhaus G beordert. Beim Eintreffen der Gendarmerie mit dem Alkomaten im Krankenhaus wurde der Berufungswerber in der Unfallambulanz vor dem Röntgenraum im Beisein eines Sanitäters und eines Freundes angetroffen. Nach Aufforderung zur Atemluftuntersuchung erklärte der Berufungswerber durch Handzeichen (Zeigen auf seinen Kieferbereich), dass er offenbar nicht "blasen" könne. Der Sanitäter vermeinte gegenüber den Gendarmeriebeamten, dass beim Berufungswerber von einem Kieferbruch oder einer Kieferverletzung ausgegangen werden könne. Angesichts dieses Umstandes wurde sodann eine Blutabnahme verlangt, welche vom Berufungswerber zumindest konkludent verweigert wurde. Dies wurde von ihm zusätzlich noch durch eine spontan angefertigte handschriftliche Notiz ("Ohne Anwalt Schock funktioniert" und einigen allenfalls als "nicht" zu deutenden Strichen) bekräftigt.

Hinsichtlich des Tatvorwurfes der Verweigerung der Blutabnahme zum Zwecke der Feststellung einer allfälligen Alkoholbeeinträchtigung zum Unfallszeitpunkt verantwortet sich der Berufungswerber mit einer verletzungsbedingt nicht gegebenen Dispositions- und Diskretionsfähigkeit. Dieser Verantwortung steht sachlich die Beurteilung der Behandlungsärztin und jene der med. Amtssachverständigen Dr. H im Rahmen des Berufungsverfahrens entgegen.

4.2. Anlässlich der nach der Berufungsverhandlung und in Vorbereitung der Berufungsentscheidung vorgenommenen exakten Sichtung des Verfahrensaktes musste festgestellt werden, dass sich kein einziger schlüssiger Hinweis auf eine Beeinträchtigung durch Alkohol bzw. diesbezügliche Symptome finden ließ. Weder der an der Unfallstelle einschreitende Gendarmeriebeamte, GrInsp. H, noch die von der Gendarmerie befragten Mitfahrer im Fahrzeug des Berufungswerbers und auch nicht der ins Krankenhaus zwecks Durchführung einer Atemluftuntersuchung mittels Alkomat entsandte GrInsp. H konnten Alkoholisierungssymptome bestätigen.

Diesbezüglich wurde der Behörde erster Instanz mit h. Schreiben vom 15. März 2001 Gelegenheit zu einer Stellungnahme eröffnet. Die Behörde erster Instanz vermeinte in ihrer Stellungnahme vom 19. März 2001 im Ergebnis, dass aus dem "gesamten Verhalten des Berufungswerbers der Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung abgeleitet werden könne."

5. Rechtlich hat der Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1. Nach § 5 Abs.2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2. als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Nach § 5 Abs.4 a StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht weiters berechtigt, Personen, bei denen eine Untersuchung gemäß Abs.2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich war und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen oder bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden Arzt zur Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu bringen.

Der § 5 Abs.6 leg.cit. lautet: (Verfassungsbestimmung) An Personen, die gemäß Abs. 4a zu einem Arzt gebracht werden, ist eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.

Nach § 99 Abs.1. lit.c StVO [Verfassungsbestimmung] ist iSd § 99 Abs.1 lit.b StVO strafbar, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

5.2. Mangels vorliegender konkreter Alkoholisierungssymptome entbehrte die Aufforderung zur Blutabnahme einer gesetzlich gedeckten Grundlage. Für den hier maßgebenden Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO 1960 kommt es zwar nicht auf eine tatsächliche Alkoholbeeinträchtigung an, sondern auf die bloße Vermutung des Vorliegens einer Alkoholbeeinträchtigung (VwGH 18.3.1998, 96/03/0285, mit Hinweis auf VwGH vom 24. September 1997, 97/03/0188 und weiteren Judikaturhinweisen). Die Vermutung bedarf jedoch ausreichender faktischer Anhaltspunkte. Solche sind jedoch nicht hervorgekommen.

Nicht gefolgt vermag der Auffassung der Behörde erster Instanz werden, dass gleichsam jedes nicht völlig sozialadäquate Verhalten als Alkoholisierungssymptom herhalten kann, um damit eine in Durchbrechung der Schranke des Art. 90 Abs.2 B-VG durch Verfassungsbestimmung legitimierte Eingriffsbefugnis in die körperliche Integrität zu rechtfertigen bzw. eine darauf fußende Verweigerung strafrechtlich zu sanktionieren. Wenngleich schon allein eine nach Alkohol riechende Atemluft einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vermuten lässt und demnach das Verlangen eines Straßenaufsichtsorgans nach Untersuchung der Atemluft (und wenn dies nicht möglich eine Aufforderung zur Blutabnahme) gerechtfertigt sein lässt, kann dieses Erfordernis nicht auf gänzlich unbestimmte klinische Symptome ausgedehnt werden (VwGH 13.9.1991, 91/18/0114 mit Hinweis auf VwGH 14.11.1990, 90/03/0238). Dem Berufungswerber kann somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Blutabnahme deren Verweigerung nicht als Verwaltungsübertretung zur Last fallen.

Es könnte somit dahingestellt sein, ob die Ansicht des Berufungswerbers betreffend eine angeblich fehlende Zurechnungsfähigkeit zutraf.

Die erkennende Kammer geht aber davon aus, dass seine Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Aufforderung eine Blutabnahme vornehmen zu lassen, gegeben war. Sowohl der Hinweis des Berufungswerbers durch Herzeigen eines Zettels, als auch die Einschätzung der behandelnden Ärzte und der med. Sachverständigen im h. Verfahren lässt auf eine bewusste Verweigerungshandlung schließen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L a n g e d e r