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VwSen-107435/9/SR/Ri

Linz, 30.03.2001

VwSen-107435/9/SR/Ri Linz, am 30. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung der K-B P, Sweg Nr. , L gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt L vom 10. November 2000, Zl. S-28506/00-3 wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (im Folgenden: KFG) nach der am 5. März 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 19, § 51c und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/2000 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz wurde die Berufungswerberin (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Folgende Verwaltungsübertretung wird Ihnen zur Last gelegt:

Sie haben am 19.07.2000 zw. 04.55 Uhr und 05.00 Uhr (Anhaltung) in L, W Str. stadtauswärts bis zum Haus Sweg Nr. (Anhaltung) als Zulassungsbesitzer des KFZ, Kz.: L- dieses Fahrzeug einer Person zum Lenken überlassen, obwohl diese nicht die erforderliche Lenkberechtigung besaß.

Übertretene Rechtsvorschrift: § 103/1/3a KFG

Strafnorm: § 134/1 KFG

verhängte Geldstrafe: S 1.500,--

Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Std.

Verfahrenskosten § 64 VStG: S 150,--

Gesamtbetrag: S 1.650,-- (= € 119,91).

Außerdem haben Sie im Falle der Ableistung der (Ersatz)-Freiheitsstrafe die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

2. Gegen dieses der Bw am 15. November 2000 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 6. Dezember 2000 bei der Behörde erster Instanz eingelangte Berufung. Da auf dem Briefkuvert kein Poststempel angebracht war, wurde von der Behörde erster Instanz eine Erhebung beim zuständigen Postamt durchgeführt. Entgegen den schriftlichen Anmerkungen am RSa-Rückschein wurde vom Postamt mitgeteilt, dass der "gegenständliche Brief" nicht hinterlegt worden sei.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen aus, dass der im Spruch zugrundeliegende Sachverhalt durch das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen sei. Beweiswürdigend führt die Behörde aus, dass trotz der übereinstimmenden Angaben das Vorbringen der Bw als Schutzbehauptung zu werten sei. Zwischen der Beschuldigteneinvernahme und der Zeugeneinvernahme (des Gatten) hätte die Möglichkeit einer eingehenden Absprache bestanden und daher käme der Zeugenaussage nicht die erforderliche Beweiskraft zu. Bei der Strafbemessung sei auf § 19 VStG Bedacht genommen worden, die festgesetzte Strafe in der Höhe von 1.500 S sei angemessen und würde geeignet sein, den "Beschuldigten" künftig von der Begehung gleicher Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Milderungs- und Erschwerungsgründe seien keine hervorgekommen.

2.2. Dagegen bringt die Bw vor, dass es keine Absprache mit dem Zeugen gegeben habe und sie nur die Wahrheit gesagt hätte. Sie würde seit 8 Jahren in L wohnen und noch nie mit dem Auto in die Arbeit gefahren sein. Weiters weist die Bw darauf hin, dass sie über eine ESG-Jahresnetzkarte verfügen würde und daher nicht zusätzlich ca. 15 l Benzinverbrauch für den Arbeitsweg in Kauf nähme.

3. Die Bundespolizeidirektion L als Behörde erster Instanz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat für 5. März 2001 die öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und dazu die Verfahrensparteien und den Zeugen K S geladen. Die Vertreterin des Polizeidirektors der Stadt L hat sich telefonisch entschuldigt.

3.2. Auf Grund der durchgeführten Verhandlung und dem teilweise zu verlesenden Vorlageakt steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Die Berufungswerberin verfügt über zwei Fahrzeugschlüssel. Der Reserveschlüssel wird an einem Ort verwahrt, der sich der Kenntnis des Gatten entzieht. Der Original-Autoschlüssel befindet sich neben diversen Anhängern und dem Wohnungsschlüssel am täglich verwendeten Schlüsselbund der Bw. Vor der Tat steckte der Wohnungsschlüssel innen im Türschloss und der Gatte der Bw hat den Autoschlüssel an sich genommen, ohne mit der Bw Rücksprache zu halten. Anschließend hat der Gatte der Bw deren Pkw zur Arbeitsstelle und zurück gelenkt. Die Bw hat dies nicht bemerkt. Aufgrund bereits länger andauernder familiärer Spannungen wurde der Bw vom Gatten auch nicht mitgeteilt, dass er den Pkw für die Fahrt zur Arbeitsstätte und zurück benötigen würde.

Der Originalautoschlüssel wurde von der Bw grundsätzlich sicher verwahrt und da der letzte ihr bekannte Vorfall - Benutzung ihres Pkws ohne ihre Zustimmung - bereits mehr als zwei Jahre zurücklag, hat sie, wie nun hervorgekommen, den Schlüssel nicht ständig weggesperrt.

3.3. Die Angaben der Bw und des Zeugen K S (Gatte) sind nachvollziehbar und beide haben in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 103 Abs.1 Z3a KFG darf der Zulassungsbesitzer das Lenken seines Kraftfahrzeuges nur Personen überlassen, die die erforderliche Lenkerberechtigung besitzen.

4.2. Das Ergebnis des Beweisverfahrens lässt nicht den Schluss zu, dass die Bw dem Gatten ihr Kraftfahrzeug bewusst - durch Tun - überlassen hat. Es stellt sich aber die Frage, ob die "gegenständliche Verwahrung" des Fahrzeugschlüssels ein sorgfaltswidriges Verhalten darstellt, dass einem Überlassen gleichkommen kann.

Die objektiven Sorgfaltspflichten legen zwar immer nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Handelnden ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des öst. Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., Seite 674, RZ 19, mit den dort. Judikaturhinweisen). Konkret hat der VwGH zur objektiven Sorgfaltspflicht bereits wiederholt ausgesprochen (s. E Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), dass der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wird folglich dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dies muss im gegenständlichen Fall verneint werden. Man muss sich letztlich auch davor hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen, um nicht auf eine dem (Verwaltungs-)Strafrecht fremde Erfolgshaftung abzustellen. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Die Vermeidung eines derartigen Vorfalles wäre letztlich auch nicht mit dem lückenlosesten (real noch denkbaren) Sicherungssystem gewährleistet.

Da die Bw grundsätzlich beide Fahrzeugschlüssel sicher verwahrt hat, sie letztmalig vor zwei Jahren feststellen musste, dass der Gatte ihren Pkw ohne ihre Zustimmung gelenkt hat und sich seither keine Hinweise auf eine neuerliche Verwendung ergeben haben, kann weder von einer atypischen Situation, die einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab verlangt hätte, noch von einer sonstigen Sorgfaltsverletzung gesprochen werden.

Da die Bw die ihr angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: Sorgfaltspflicht bei der Verwahrung der Fahrzeugschlüssel

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