Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107462/2/Br/Bk

Linz, 20.02.2001

VwSen-107462/2/Br/Bk Linz, am 20. Februar 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21. Dezember 2000, Zl: VerkR96-5341-1-2000/Her, zu Recht:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 26/2000 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1, Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2000 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen gleichartiger Übertretungen nach § 84 Abs.2 StVO 1960 in vier Punkten jeweils auf § 99 Abs.3 lit.j StVO 1960 gestützte Geldstrafen in Höhe von 3.000 S und im Nichteinbringungsfall je drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und hat ihm folgende Tatverhalten zur Last gelegt:

"Sie haben als der von der G Gesellschaft m.b.H. gem. § 9 VSTG zur Vertretung nach außen Beauftragte zu verantworten, daß von dieser ohne straßenpolizeiliche Bewilligung jedenfalls am 3.8.2000 um 07.11 Uhr in M an der B 1 Wiener Straße

1 . auf Höhe von Strkm. 200,894 re.i.S.d.K. in einer Entfernung von mind. 18 m vom Fahrbahnrand auf einer 11 m langen Werbetafel die Werbung "ADEG - das ist Heimat" (Ansicht Fahrtrichtung L)

2. auf Höhe von Strkm 200,894 re.i.S.d.K. in einer Entfernung von mind. 18 m vom Fahrbahnrand auf einer 11 m langen Werbetafel die Werbung "Werbung arbeitet. Auch für Ihren Job. Werbeverbote sind ansteckend." (Ansicht Fahrtrichtung L)

3. auf Höhe von Strkm 200,894 re.i.S.d.K in einer Entfernung von mind. 18 m vom Fahrbahnrand auf einer 11 m langen Werbetafel die Werbung "Der Neue. Otto. "(Ansicht Fahrtrichtung W)

4. auf Höhe von Strkm 200,894 re.1.S.d.K. in einer Entfernung von mind. 18 m vom Fahrbahnrand auf einer 11 m langen Werbetafel die Werbung "Werbung arbeitet. Auch für Ihren Job. Werbeverbote sind ansteckend." (Ansicht Fahrtrichtung W) außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von weniger als 100 m vom Fahrbahnrand angebracht war."

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung im Ergebnis auf die Tatsache, dass hier die Werbungen weniger als 100 m von der B1 entfernt angebracht sind und sich aus dem Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck unmissverständlich ergebe, dass hierbei jeweils auf alle Straßen in deren Blickfeld, das der Gesetzgeber mit 100 m vom jeweiligen Fahrbahnrand aus gerechnet festgelegt hätte, die Werbung oder Ankündigung fällt, abzustellen sei. Mit dem Hinweis auf VwGH vom 6.6.1984, 94/03/0016 und ein jüngstes Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 19.10.2000, VwSen-107147/6/Sch/Rd, vermeint die Behörde erster Instanz diese Rechtsauffassung stützen zu können.

Abschließend wird ausgeführt, dass diese Werbungen "im tatörtlichen Bereich" nicht zu einem durch die Aufstellung von Ortstafeln als zum Ortsgebiet (§ 2 Abs.1 Z15 StVO) erklärten Bereich gehörten und somit unter das Verbot des § 84 Abs.2 StVO 1960 fallen. Was immer mit dieser Formulierung konkret zum Ausdruck gebracht sein will, stellt sich die Behörde erster Instanz damit der umfassend in den h. Erkenntnissen vom 12. September 2000, VwSen-107107 u.a. und zwischenzeitig auch vom 22. Jänner 2001, VwSen-107378 u.a., begründeten Rechtsauffassung entgegen. Bereits in diesen Verfahren bildeten Werbungen auf den gegenständlichen Plakatwänden den Verfahrensgegenstand.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber abermals mit seiner durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung.

Im Ergebnis stützt sich der Berufungswerber auf die vom Oö. Verwaltungssenat in den o.a. Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung. Er verweist im Ergebnis auch auf das Analogieverbot in der Begründung von Straftatbeständen (nullum crimen sine lege stricta). Er beantragt die Verfahrenseinstellung hinsichtlich des Straferkenntnisses in allen Punkten und verzichtet gleichzeitig auf eine Berufungsverhandlung.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da in keinem Punkt des betroffenen Straferkenntnisses eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte zwischenzeitig angesichts der bereits amtsbekannten Positionierung der Plakatständer in Beziehung zum Ortsgebiet von M und mit Hinweis auf die bereits aus den oben zitierten Vorverfahren verfügbaren angefertigten Fotos unter Blick auf Art. 6 Abs.1 MRK unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den oben genannten Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde. Darin wurden die zur Last gelegten Werbungen mittels Fotos dokumentiert, wobei die Positionierung der Plakatwände etwa 29 m, die im rechten Winkel von der B1 verlaufende von dieser 11 m entfernt liegt (siehe beiliegendes Bildmaterial aus dem Systems "Doris" {= digitales orografisches Rauminformationssystem} und die vom Oö. Verwaltungssenat am 16. Jänner 2001 angefertigten Fotos, die die Beziehung der Positionierung der Werbungen zum Ortsgebiet [§ 2 Abs.1 Z15 StVO] verdeutlichen).

4.1. Der Berufungswerber ist verantwortlicher Beauftragter der Firma G GesmbH. In seiner Verantwortlichkeit befinden sich auf Höhe Strkm 200,894 der Bundesstraße 1 (folglich kurz B1) drei, je ca. 10 m lange und in verschiedenen Winkeln angeordnete und regelmäßig mit Werbungen versehene - bewirtschaftete - Plakatwände.

Unbestritten ist, dass die Lage der Werbungen im Sinne der beigeschlossenen Fotos vom Ortsgebiet von M in jeder Richtung hin umschlossen waren, wenngleich sie weniger als 100 m von der B1 entfernt lagen.

Der Berufungswerber hat aus dieser Funktion in unbestrittener Weise zu verantworten, dass die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses beschriebenen "Werbungen" zur fraglichen Zeit an den genannten Örtlichkeiten angebracht waren. Von einem Anbringen dieser Werbung an der B1 kann hier aber schon im Wortsinn nicht ausgegangen werden. Vielmehr finden sich verfahrensgegenständliche Plakatwände und fanden sich die hier verfahrensgegenständlichen Werbungen an einer Straße innerhalb des Ortsgebietes von M angebracht. Die Plakatwände befinden sich laut Berufungswerber (wie aus Vorverfahren bekannt) bereits seit dem Jahr 1978 an dieser Stelle. Die verfahrensgegenständlichen Werbungen bildeten mit den Plakatwänden keine untrennbare Einheit und wurden regelmäßig offenbar produktbezogen erneuert. Sie waren gemäß den im Akt erliegenden Fotos als Papierplakat gestaltet und wurden offenkundig auf der Plakatwand mechanisch oder mit Kleber fixiert. Sowohl die Funktion des Berufungswerbers als verantwortlicher Beauftragter als auch das Faktum der Werbungen ist hier unbestritten. Das Vorliegen einer gesonderten Bewilligung wurde selbst vom Berufungswerber nicht behauptet.

Auch anhand der im Akt erliegenden Fotos lassen sich diese Werbungen innerhalb des nach § 2 Abs.1 Z15 StVO definierten Bereichs zuordnen und somit von diesen umfasst erscheinen. Insbesondere auf der B1 verläuft parallel zu dieser eine gänzlich im Ortsgebiet verlaufende Fahrbahn im dicht besiedelten Gebiet des nordöstlichen Stadtteiles von M. Unmittelbar nach der Einmündung von der B1 in diese Nebenfahrbahn ist das Ortsgebiet von M durch das VZ gemäß § 53 Abs.1 Z17a StVO kundgemacht. Von einem Anbringen an der B1 kann somit weder im engeren geografischen noch im sprachlichen Verständnis die Rede sein.

Der Berufungswerber wies anlässlich früherer Berufungsverhandlungen darauf hin, dass an dieser Stelle die Plakatwände bereits seit 1978 errichtet seien, wobei es wegen der auf diesen Werbeträgern seit dieser Zeit immer wieder angebrachten Werbungen bis zu den Anzeigen im Jahre 2000 zu keinen Verfahren gekommen sei.

Die Dauer der theoretischen Sichtbarkeit für einen in beide Richtungen mit 70 km/h an dieser Örtlichkeit vorbeifahrenden Pkw-Lenker - für den gesamten Bereich von M besteht auf der B1 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h - konnte bei empirischer Feststellung des Oö. Verwaltungssenates mit etwa sieben Sekunden angenommen werden.

Eine Einsichtnahme in die aktuelle Verkehrsunfallstatistik des Landes Oberösterreich lässt exakt an der hier verfahrensgegenständlichen Stelle seit 1997 kein erhöhtes Unfallaufkommen ableiten, wobei eine Anfrage beim Gendarmerieposten M zusätzlich zum Ergebnis brachte, dass kein einziger Unfall seine Kausalität in etwaigen Ablenkungen durch Werbungen hatte. Diese Feststellungen basieren auf inhaltsgleiche Vorverfahren.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 84 Abs.2 StVO 1960 sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten (dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs.3 lit. f. [für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen.....]). Der Absatz 1 leg.cit. normiert, dass an Straßen außerhalb von Ortsgebieten diverse Ankündigungen nur mit in der StVO normierten Hinweiszeichen erfolgen dürfen.

Die Behörde erster Instanz scheint weiterhin beharrlich die aus h. Sicht unzutreffende Rechtsauffassung zu vertreten, dass sich gegenständliches Verbot nicht nur auf außerhalb des Ortsgebietes an Straßen innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand angebrachte Werbungen erstreckt, sondern auch auf solche, die wohl an Straßen im Ortsgebiet, aber weniger als 100 m vom Rand einer Freilandstraße entfernt positioniert sind, erstreckt!

Auch mit dem Hinweis auf ein, als der gegenständlichen Rechtsansicht entgegenstehend interpretierbares Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 19.10.2000, VwSen-107147/6/Sch/Rd, ist für die Behörde erster Instanz nichts zu gewinnen, weil diesem Erkenntnis eine - wenn auch durchaus nachvollziehbare - Interpretation des VwGH-Erk v. 6.6.1984, 84/03/0016 zu Grunde liegt, ohne aber das Gesetz als solches vergleichbar zu interpretieren. Aus diesem Grunde besteht selbst trotz der zwischenzeitig beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachten Amtsbeschwerde vorläufig keine Veranlassung von der hier dargelegten, aus verfassungsrechtlicher Sicht überzeugenderen Rechtsauffassung abzugehen. Auch ein Aussetzen des h. Verfahrens scheint angesichts der nicht absehbaren Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf das Recht auf möglichst rasche Entscheidung iSd Art.6 MRK und die gesetzliche Entscheidungsfrist nach § 51 Abs.7 VStG nicht geboten.

Wenn die Behörde erster Instanz auch mit diesem Straferkenntnis auf das o.a. Erkenntnis hinwies, wobei darin der angefochtene Bescheid unter Anwendung des § 44a lit.a (jetzt Z1) VStG jedoch zu einer Aufhebung führte, scheint auch dieses Erkenntnis offenbar auf einen Sachverhalt eines zumindest teilweisen Anbringens "AN" einer nicht zum Ortsgebiet gehörenden Straße abzustellen, sodass die darin zum Ausdruck gelangende Rechtsauffassung zumindest in dieser generalisierenden Form auf den gegenständlichen Fall nicht übertragbar ist. Noch weniger ist eine Reduktion des Regelungsziels auf die bloße Sichtbarkeit zulässig. Dies lässt sich, wie bereits mehrfach dargetan, aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableiten, sodass eine Interpretation dahingehend der Regelung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen würde.

Dem Wortlaut des § 84 Abs.2 StVO 1960 folgend, ist das Anbringen von Werbungen und Ankündigungen an Straßen, die zu einem Straßennetz gehören, das außerhalb eines von den genannten Hinweiszeichen umschlossenen Gebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand liegt, verboten.

Dem allgemeinen Sprachempfinden nach sind demnach im Ortsgebiet angebrachte Werbungen vom Verbot eben nicht umfasst. In diesem Sinn auch UVS-Tirol v. 21.10.1996, Zl: 18/53-2/1996, der als Tatbestandsmerkmal dieser Übertretung einerseits den Begriff "außerhalb von Ortsgebieten" und zudem "innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand," erblickt.

Der Ausgangspunkt der hier der Behörde erster Instanz und auch der Erstbehörde scheinbar unterlaufenden Fehlinterpretation könnte in einem bloß oberflächlichen Studium des VwGH-Erkenntnisses vom 20. Jänner 1988, Zl. 87/03/0181, vermutet werden. Dort wird auf Seite 7 (oben) wörtlich ausgeführt: "Entscheidend dafür, dass Werbungen bzw. Ankündigungen vom Verbot des § 84 Abs.2 StVO umfasst sind, ist daher deren Anbringung an Straßen, die zu einem Straßennetz gehören, das außerhalb eines von den genannten Hinweiszeichen umschlossenen Gebietes liegt, innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand, unabhängig davon, ob der Anbringungsort geografisch noch zum Stadtgebiet gehört." Gemeint ist damit offenkundig, dass die Werbung eben nicht außerhalb eines von § 2 Abs.1 Z15 StVO definierten Bereiches liegen darf, es sei denn, sie befindet sich ohnedies mehr als 100 m vom Fahrbahnrand entfernt. Offenbar wird in Auslegung dieses Erkenntnisses kein Unterschied zwischen dem geografischen Ortsgebiet und dem Ortsgebiet iSd § 2 Abs.1 Z15 StVO gemacht.

Bereits im nächsten Satz des zuletzt genannten Erkenntnisses wird nämlich ausgeführt, "dass keine Rede davon sein kann, dass bei der Auslegung des Begriffes Ortsgebiet im Sinne des § 2 Abs.1 Z15 StVO bereits 100 m innerhalb des Ortsgebietes keine Werbungen mehr angebracht werden dürften, da diese Konsequenz nur bei der - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - unrichtigen Annahme, die 100 m-Entfernung sei auch entlang der Straße zu messen, eintreten würde." Schließlich fügte der Verwaltungsgerichtshof seinen Ausführungen noch hinzu, "die fallbezogenen Werbungen hätten sich hier "innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand nach dem Hinweiszeichen "Ortsende" befunden.

Auch das Höchstgericht stellt in diesem Erkenntnis offenbar ganz klar auf die Position der angebrachten Werbung - nämlich, ob innerhalb oder außerhalb des Ortsgebietes (im Sinne des § 2 Abs.1 Z15 StVO) - und lediglich nicht ob geografisch noch zum (politischen) Stadt- oder Ortsgebiet gehörend - ab. Auch mit diesem Erkenntnis gelangt man zu der hier vom Oö. Verwaltungssenat vertretenen Rechtsauffassung.

Daher darf abschließend nochmals hervorgehoben werden, dass es die Funktion des Verwaltungsrechts ist, das Handeln der Verwaltung an das Gesetz zu binden, um damit dem Prinzip der Gewaltentrennung folgend, das Gesetz der Disposition durch die ihm unterworfenen Organe möglichst zu entziehen.

Dem wurde hier seitens der Behörde erster Instanz wohl dadurch entgegen agiert, wenn hinsichtlich der seit Jahren durch Anbringen von Werbungen bewirtschafteten Plakatwänden plötzlich Strafverfahren eingeleitet wurden. Die Motive hierfür können in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Wie oben schon erwähnt, lässt sich das Erkenntnis des VwGH vom 6.6.1984, 84/03/0016, auf welches sich die Behörde erster Instanz hier überwiegend zu stützen scheint, für diese spezifischen Falllagerungen nicht gleichsam analog anwenden. Dieses interpretiert wohl das Ziel des Gesetzeswortlautes und den Gesetzeszweck dahingehend, dass hierbei "jeweils auf alle Straßen, in deren Blickfeld, den der Gesetzgeber mit 100 m vom jeweiligen Fahrbahnrand aus gerechnet festgelegt habe, die Werbung oder Ankündigung fällt, abzustellen ist." Es wird in diesem Erkenntnis erklärend schließlich auf das Erkenntnis vom 27. Juni 1978, Z 101/78 verwiesen, worin ausgesprochen wurde, dass 'eine Werbung oder Ankündigung' (gemeint wohl die Ankündigung als technisches Gebilde), die von zwei Straßen (was dort der Fall gewesen wäre) deutlich zu erkennen gewesen sei und "die sich hinsichtlich der einen 'in einem Bereich befunden habe', der durch die Aufstellung von Ortstafeln zum Ortsgebiet (§ 2 Abs.1 Z15 StVO) gehörte und daher dem Verbot des § 84 Abs.2 StVO nicht unterlegen gewesen sei, hinsichtlich der zweiten aber 'in einem Bereich', der nicht durch die Aufstellung von Ortstafeln als Ortsgebiet iS des § 2 Abs.1 Z15 StVO festgelegt gewesen sei, unter das Verbot des § 84 Abs.2 StVO fiele." Auch dieses Erkenntnis lässt nach h. Auffassung erkennen oder lässt sich zumindest noch dahingehend auslegen, dass es wohl nur auf die Lage der Werbung ankommen kann und nicht auf deren weithin unbestimmbare und sich gegebenenfalls ändernde Sichtbarkeit. Im damaligen Fall handelte es sich offenbar um eine Werbung, die so knapp am Ortsgebiet aufgestellt war, dass sie offenbar in ihren Ausmaßen den definierten Bereich des Ortsgebietes (noch) überragte und damit - weil sie (auch zusätzlich noch) weniger als 100 m von einer außerhalb des Ortsgebietes liegenden Straße lag und von dort (auch) sichtbar war, vom Verbot erfasst wurde. Auf die Sichtbarkeit alleine kann der Gesetzgeber schon deshalb nicht abgestellt haben, weil diese jahreszeitbedingt durch die Vegetation starken Veränderungen unterworfen ist. Daher ist nach h. Auffassung ausschließlich auf die Positionierung (gänzlich) im oder außerhalb des Ortsgebietes abzustellen. Dafür ist schließlich auch noch die Textierung des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl.Nr. 286/1971, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 182/1999 ins Treffen zu führen, worin - von Bewilligungsmöglichkeiten abgesehen - Werbungen und Ankündigungen dezidiert in einer Entfernung von 100 m entlang der Bundesautobahnen (§ 21 Abs.4) nicht errichtet werden dürfen. Zu dieser Formulierung hätte der Gesetzgeber wohl auch gegriffen, hätte er auch bei Werbungen in Ortsgebieten die 100 m-Grenze zu außerhalb desselben liegenden Straßen hinsichtlich des Verbotsumfanges im Auge gehabt.

Als unerlässlich wird es vor allem auch vom Verfassungsgerichtshof erachtet, dass der Tatbestand durch das Gesetz mit genügender Klarheit eine Verbotsnorm kennzeichnet; dass ferner, wenn der strafbare Tatbestand im Zuwiderhandeln gegen eine Gebotsnorm besteht, der Unrechtsgehalt eines Unterlassens eindeutig erkennbar ist; dass schließlich der Tatbestand einer Blankettstrafnorm mit solcher Deutlichkeit gekennzeichnet sein muss, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag (VfSlg 12947 mit Hinweis auf umfangreiche Vorjudikatur).

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle auch bleiben, dass mit der Sicht der Behörde erster Instanz gleichsam bei jedem Straßenzug, der nicht Ortsgebiet iSd § 2 Abs.1 Z15 StVO ist, (etwa Überführungen) gleichsam ein "werbefreier" Korridor von beidseitig 100 m zu einem solchen Straßenzug bestehen müsste, um damit der hier vorgeblichen Rechtsauffassung Rechnung zu tragen. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Plakatwerbung auf den Ortskern beschränkt bliebe und somit diesem Segment der Werbung weitgehend der wirtschaftliche Boden entzogen wäre.

Dass der Verbotsumfang offenbar nicht so weit auszulegen ist, belegt offenbar nicht zuletzt auch die landesweit gänzlich andere Realität.

5.2. Der Gesetzgeber umschreibt in einem Gesetz mit Blick auf Art. 18 B-VG den Regelungsinhalt, in dessen wesentlichen Zügen derart bzw. grenzt es in solcher Weise ein, dass ein auf eine Regelung gestütztes Verhalten der Behörde vom Normadressaten noch vorhersehbar sein lässt (VfSlg 11499). Dieser gesetzlichen Bestimmung einen über den weitgehend eindeutigen sprachlichen Kontext hinausreichenden - einschränkenderen - Inhalt [hier durch Ausdehnung des Verbotsumfanges] zuzuordnen, würde einerseits den durch das Bestimmtheitsgebot gezogenen Rahmen sprengen und andererseits auch dem im Strafrecht geltenden Analogieverbot entgegenstehen. Mit der von der Behörde erster Instanz den eigentlichen Wortsinn überschießenden und damit den Rahmen der Strafbarkeit ausdehnenden Auslegung, würden letztlich in die Verfassungssphäre reichende Belange nachteilig berührt.

Es ist aber selbst sachlich nur schwer argumentierbar, bereits in einer bloß theoretischen Wahrnehmbarkeit einer Werbung von einer Freilandstraße innerhalb des fraglichen 100 m Bereiches - die sich theoretisch allenfalls für den einzelnen Verkehrsteilnehmer auf Sekundenbereiche beschränkt - den Schluss auf eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ziehen zu wollen und damit eine extensive Auslegung rechtfertigen zu wollen, wie dies von der Behörde erster Instanz intendiert scheint (VwGH 21.9.1994, 94/03/0082).

5.3. Da somit das dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhalten nicht dem Tatbestand nach § 84 Abs.2 StVO subsumierbar ist, war - ungeachtet der beim Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitig zu dieser aus der Sicht der Behörde erster Instanz strittigen Rechtsauslegungsfrage anhängig gemachten Amtsbeschwerden - auch dieses Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungs-gerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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