Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107463/2/Br/Bk VwSen107464/3/Br/Bk VwSen107465/3/Br/Bk VwSen107466/2/Br/Bk

Linz, 21.02.2001

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Linz, am 21. Februar 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufungen des Herrn KomRat J gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 11. Jänner 2001, Zlen.: VerkR96-5457-1-2000, VerkR96-6832-2000, VerkR96-6833-2000 und VerkR96-5458-1-2000, zu Recht:

I. Den Berufungen wird Folge gegeben; die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 26/2000 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1 VStG, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1, Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 134/2000 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit den o.a. Straferkenntnissen über den Berufungswerber wegen Übertretungen nach § 84 Abs.2 StVO 1960 insgesamt neun Geldstrafen in Höhe von je 3.000 S und im Nichteinbringungsfall drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und wider ihn folgende Tatvorwürfe erhoben:

"Sie haben als Geschäftsführer der "P" Werbegesellschaft m.b.H. und somit als der gem. § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene zu verantworten, daß von dieser ohne straßenpolizeiliche Bewilligung jedenfalls am 7.8.2000 um 13.26 Uhr im Gemeindegebiet von W an der T, an der T Straße auf Höhe von Strkm 19,130 re.i.S.d.K., in einer Entfernung von mind. 10 m vom Fahrbahnrand die Werbung

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außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand angebracht war.

Sie haben als handelsrechtl. Geschäftsführer der P WerbegesmbH. und somit als der gem. § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene zu verantworten, daß von dieser ohne straßenpolizeiliche Bewilligung jedenfalls am 28.9.2000 um 15.59 Uhr im Gemeindegebiet von S an der B P Straße auf Höhe von Strkm. 11,4 li.i. S.d.K. in einer Entfernung von ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 138 die Werbung "Ich geh zur Raiffeisenbank. Die Bank für Ihre Zukunft." außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand angebracht war.

Sie haben als handelsrechtl. Geschäftsführer der P WerbegesmbH. und somit als der gem. § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene zu verantworten, daß von dieser ohne straßenpolizeiliche Bewilligung jedenfalls am 12.10.2000 um 16.49 Uhr im Gemeindegebiet von S an der B P Straße auf Höhe von Strkm. 11,4 li.i. S.d.K. in einer Entfernung von ca. 20 m vom Fahrbahnrand der B 138 die Werbung

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außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand angebracht war.

Sie haben als Geschäftsführer der "P" Werbegesellschaft m.b.H. und somit als der gem. § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene zu verantworten, daß von dieser ohne straßenpolizeiliche Bewilligung jedenfalls am 27. Juni 2000 um 13.18 Uhr im Gemeindegebiet von W an der T, an der L T Straße auf Höhe von Strkm 19,130 re.i.S.d.K., in einer Entfernung von mind. 10 m vom Fahrbahnrand die Werbung

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außerhalb des Ortsgebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand angebracht war."

1.1. Begründend führte die Erstbehörde im Ergebnis unter auszugsweiser wörtlicher Zitierung des Erkenntnisses des VwGH v. 6.6.1984, 84/03/0016, sowie das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates v. 19.10.2000, VwSen-107147/6/Sch/Rd, aus und vermeint darauf gestützt, ein Verbot einer auch innerhalb des Ortsgebietes aufgestellten Werbung dann noch erblicken zu können, wenn eine derartige Werbung weniger als 100 m zu einer außerhalb des Ortsgebietes vorbeiführenden Straße gelegen ist. Ferner wird auf das (die) der jeweiligen Anzeige zu Grunde liegende(n) Foto(s) verwiesen.

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht erhobenen Berufung, worin er im Ergebnis die Auffassung vertritt, dass die Werbungen sehr wohl in dem vom Hinweiszeichen nach § 53 Abs.1 Z17 a StVO (Ortsgebiet W a.d. T bzw. S) umschlossenen Gebiet liegt und somit vom Verbot nicht umfasst sei. Die entsprechenden Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (gemeint Plakatwände) seien vor langer Zeit bewilligt und errichtet und seit dieser Zeit in keiner Weise verändert worden. Er beantragt nach allenfalls ergänzender Sachverhaltsermittlung die Verfahrenseinstellung hinsichtlich aller Tatvorwürfe.

3. Die Erstbehörde hat die Akten zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da in den Straferkenntnissen keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier in umfassender Kenntnis der Örtlichkeiten aus früheren Verfahren bzw. dem vorliegenden Bildmaterial unterbleiben. Es stellt sich hier nur mehr das Problem einer zu lösenden Rechtsfrage (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die oben genannten Verwaltungsstrafakten der Erstbehörde. Aus Vorakten einbezogen wurden Luftaufnahmen von den bezughabenden Örtlichkeiten, welche die Plakatwände jeweils im Schnittpunkt einer Straße innerhalb des Ortsgebietes aber innerhalb von 100 m zu einer nicht als Ortsgebiet zu qualifizierenden Freilandstraße (B138 u. L563) positioniert zeigen.

4.1. Der Berufungswerber ist Geschäftsführer der Firma "P" Gesellschaft, welche in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gestaltet ist.

Aus dieser Funktion verantwortet er unbestritten die im Spruch der angefochtenen Straferkenntnisse beschriebenen bzw. angebrachten "Werbungen" zum fraglichen Zeitpunkt an den genannten Örtlichkeiten. Die verfahrensgegenständlichen Plakatwände sind bzw. waren (auf der B sind sie laut Gendarmerie zwischenzeitig abgetragen) auf einer Holzkonstruktion fix im Boden verankert, wobei die Werbungen mit der Plakatwand offenbar keine untrennbare Einheit darstellten. Die Werbungen waren in Form der üblichen Papierplakate gestaltet und offenbar auf der Plakatwand mechanisch oder durch Kleber fixiert. Das Vorliegen einer gesonderten Bewilligung wurde selbst vom Berufungswerber nicht behauptet.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Nach § 84 Abs.2 StVO 1960 sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten (dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs.3 lit. f. [für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen.....]). Der Absatz 1 leg.cit. normiert, dass an Straßen außerhalb von Ortsgebieten diverse Ankündigungen nur mit in der StVO normierten Hinweiszeichen erfolgen dürfen.

Die Behörde erster Instanz scheint weiterhin beharrlich die aus h. Sicht unzutreffende Rechtsauffassung zu vertreten, dass sich gegenständliches Verbot nicht nur auf außerhalb des Ortsgebietes an Straßen innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand angebrachte Werbungen erstreckt, sondern auch auf solche, die wohl an Straßen im Ortsgebiet, aber weniger als 100 m vom Rand einer Freilandstraße entfernt positioniert sind, erstreckt!

Auch mit dem Hinweis auf ein, als der gegenständlichen Rechtsansicht entgegenstehend interpretierbares Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 19.10.2000, VwSen-107147/6/Sch/Rd, ist für die Behörde erster Instanz nichts zu gewinnen, weil diesem Erkenntnis eine - wenn auch durchaus nachvollziehbare - Interpretation des VwGH-Erk v. 6.6.1984, 84/03/0016 zu Grunde liegt, ohne aber das Gesetz als solches vergleichbar zu interpretieren. Aus diesem Grunde besteht selbst trotz der zwischenzeitig beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachten Amtsbeschwerden vorläufig keine Veranlassung von der hier dargelegten, aus verfassungsrechtlicher Sicht überzeugenderen, Rechtsauffassung abzugehen. Auch ein Aussetzen des h. Verfahrens scheint angesichts der nicht absehbaren Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf das Gebot auf eine möglichst rasche Entscheidung iSd Art.6 MRK und die gesetzliche Entscheidungsfrist nach § 51 Abs.7 VStG nicht tunlich.

Wenn die Behörde erster Instanz im Rahmen ihrer Berufungsverhandlung abermals auf das o.a. Erkenntnis verwies, wobei darin der angefochtene Bescheid unter Anwendung des § 44a lit.a (jetzt Z1) VStG jedoch zu einer Aufhebung führte, stellte auch dieses Erkenntnis offenbar auf ein zumindest teilweises Anbringen "AN" einer nicht zum Ortsgebiet gehörenden Straße ab, sodass die darin zum Ausdruck gelangende Rechtsauffassung zumindest in dieser generalisierenden Form auf den gegenständlichen Fall nicht übertragbar ist. Noch weniger ist eine Reduktion des Regelungsziels auf die bloße Sichtbarkeit zulässig. Dies lässt sich, wie bereits mehrfach dargetan, aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableiten, sodass eine Interpretation dahingehend der Regelung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen würde.

Dem Wortlaut des § 84 Abs.2 StVO 1960 folgend, ist das Anbringen von Werbungen und Ankündigungen an Straßen, die zu einem Straßennetz gehören, das außerhalb eines von den genannten Hinweiszeichen umschlossenen Gebietes und innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand liegt, verboten.

Dem allgemeinen Sprachempfinden nach sind demnach im Ortsgebiet angebrachte Werbungen vom Verbot eben nicht umfasst. In diesem Sinn auch UVS-Tirol v. 21.10.1996, Zl: 18/53-2/1996, der als Tatbestandsmerkmal dieser Übertretung einerseits den Begriff "außerhalb von Ortsgebieten" und zudem "innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand," erblickt.

Der Ausgangspunkt der hier der Behörde erster Instanz scheinbar unterlaufenden Fehlinterpretation könnte in einem bloß oberflächlichen Studium des VwGH-Erkenntnisses vom 20. Jänner 1988, Zl. 87/03/0181 vermutet werden. Dort wird auf Seite 7 (oben) wörtlich ausgeführt: "Entscheidend dafür, dass Werbungen bzw. Ankündigungen vom Verbot des § 84 Abs.2 StVO umfasst sind, ist daher deren Anbringung an Straßen, die zu einem Straßennetz gehören, das außerhalb eines von den genannten Hinweiszeichen umschlossenen Gebietes liegt, innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand, unabhängig davon, ob der Anbringungsort geografisch noch zum Stadtgebiet gehört." Gemeint ist damit offenkundig, dass die Werbung eben nicht außerhalb eines von § 2 Abs.1 Z15 StVO definierten Bereiches liegen darf, es sei denn, sie befindet sich ohnedies mehr als 100 m vom Fahrbahnrand entfernt. Offenbar wird in Auslegung dieses Erkenntnisses kein Unterschied zwischen dem geografischen Ortsgebiet und dem Ortsgebiet iSd § 2 Abs.1 Z15 StVO gemacht.

Bereits im nächsten Satz des zuletzt genannten Erkenntnisses wird nämlich ausgeführt, "dass keine Rede davon sein kann, dass bei der Auslegung des Begriffes Ortsgebiet im Sinne des § 2 Abs.1 Z15 StVO bereits 100 m innerhalb des Ortsgebietes keine Werbungen mehr angebracht werden dürften, da diese Konsequenz nur bei der - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - unrichtigen Annahme, die 100 m-Entfernung sei auch entlang der Straße zu messen, eintreten würde." Schließlich fügte der Verwaltungsgerichtshof seinen Ausführungen noch hinzu, "die fallbezogenen Werbungen hätten sich hier "innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand nach dem Hinweiszeichen "Ortsende" befunden.

Auch das Höchstgericht stellt in diesem Erkenntnis offenbar ganz klar auf die Position der angebrachten Werbung - nämlich, ob innerhalb oder außerhalb des Ortsgebietes (im Sinne des § 2 Abs.1 Z15 StVO) - und lediglich nicht ob geografisch noch zum (politischen) Stadt- oder Ortsgebiet gehörend - ab. Auch mit diesem Erkenntnis gelangt man zu der hier vertretenen Rechtsauffassung.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass es die Funktion des Verwaltungsrechts ist, das Handeln der Verwaltung an das Gesetz zu binden, um damit dem Prinzip der Gewaltentrennung folgend, das Gesetz der Disposition durch die ihm unterworfenen Organe möglichst zu entziehen.

Dem wurde hier seitens der Behörde erster Instanz wohl dadurch entgegen agiert, wenn hinsichtlich der seit Jahren durch Anbringen von Werbungen bewirtschafteten Plakatwänden plötzlich Strafverfahren eingeleitet wurden. Die Motive hierfür können in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Wie oben schon erwähnt, lässt sich das Erkenntnis des VwGH vom 6.6.1984, 84/03/0016, auf welches sich die Behörde erster Instanz hier überwiegend zu stützen scheint, für diese spezifischen Falllagerungen nicht gleichsam analog anwenden. Dieses interpretiert wohl das Ziel des Gesetzeswortlautes und den Gesetzeszweck dahingehend, dass hierbei "jeweils auf alle Straßen, in deren Blickfeld, den der Gesetzgeber mit 100 m vom jeweiligen Fahrbahnrand aus gerechnet festgelegt habe, die Werbung oder Ankündigung fällt, abzustellen ist." Es wird in diesem Erkenntnis erklärend schließlich auf das Erkenntnis vom 27. Juni 1978, Z 101/78 verwiesen, worin ausgesprochen wurde, dass 'eine Werbung oder Ankündigung' (gemeint wohl die Ankündigung als technisches Gebilde), die von zwei Straßen (was dort der Fall gewesen wäre) deutlich zu erkennen gewesen sei und "die sich hinsichtlich der einen 'in einem Bereich befunden habe', der durch die Aufstellung von Ortstafeln zum Ortsgebiet (§ 2 Abs.1 Z15 StVO) gehörte und daher dem Verbot des § 84 Abs.2 StVO nicht unterlegen gewesen sei, hinsichtlich der zweiten aber 'in einem Bereich', der nicht durch die Aufstellung von Ortstafeln als Ortsgebiet iS des § 2 Abs.1 Z15 StVO festgelegt gewesen sei, unter das Verbot des § 84 Abs.2 StVO fiele." Auch dieses Erkenntnis lässt nach h. Auffassung erkennen oder lässt sich zumindest noch dahingehend auslegen, dass es wohl nur auf die Lage der Werbung ankommen kann und nicht auf deren weithin unbestimmbare und sich gegebenenfalls ändernde Sichtbarkeit. Im damaligen Fall handelte es sich offenbar um eine Werbung, die so knapp am Ortsgebiet aufgestellt war, dass sie offenbar in ihren Ausmaßen den definierten Bereich des Ortsgebietes (noch) überragte und damit - weil sie (auch zusätzlich noch) weniger als 100 m von einer außerhalb des Ortsgebietes liegenden Straße lag und von dort (auch) sichtbar war, vom Verbot erfasst wurde. Auf die Sichtbarkeit alleine kann der Gesetzgeber schon deshalb nicht abgestellt haben, weil diese jahreszeitbedingt durch die Vegetation starken Veränderungen unterworfen ist. Daher ist nach h. Auffassung ausschließlich auf die Positionierung (gänzlich) im oder außerhalb des Ortsgebietes abzustellen. Dafür ist schließlich auch noch die Textierung des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl.Nr. 286/1971, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 182/1999 ins Treffen zu führen, worin - von Bewilligungsmöglichkeiten abgesehen - Werbungen und Ankündigungen dezidiert in einer Entfernung von 100 m entlang der Bundesautobahnen (§ 21 Abs.4) nicht errichtet werden dürfen. Zu dieser Formulierung hätte der Gesetzgeber wohl auch gegriffen, hätte er auch bei Werbungen in Ortsgebieten die 100 m-Grenze zu außerhalb desselben liegenden Straßen hinsichtlich des Verbotsumfanges im Auge gehabt.

Als unerlässlich wird es vor allem auch vom Verfassungsgerichtshof erachtet, dass der Tatbestand durch das Gesetz mit genügender Klarheit eine Verbotsnorm kennzeichnet; dass ferner, wenn der strafbare Tatbestand im Zuwiderhandeln gegen eine Gebotsnorm besteht, der Unrechtsgehalt eines Unterlassens eindeutig erkennbar ist; dass schließlich der Tatbestand einer Blankettstrafnorm mit solcher Deutlichkeit gekennzeichnet sein muss, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag (VfSlg 12947 mit Hinweis auf umfangreiche Vorjudikatur).

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle auch bleiben, dass mit der Sicht der Behörde erster Instanz gleichsam bei jedem Straßenzug, der nicht Ortsgebiet iSd § 2 Abs.1 Z15 StVO ist, (etwa Überführungen) gleichsam ein "werbefreier" Korridor von beidseitig 100 m zu einem solchen Straßenzug bestehen müsste, um damit der von der Erstbehörde vertretenen Rechtsauffassung Rechnung zu tragen. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Plakatwerbung auf den Ortskern beschränkt bliebe und somit diesem Segment der Werbung weitgehend der wirtschaftliche Boden entzogen wäre.

Dass der Verbotsumfang offenbar nicht so weit auszulegen ist, belegt offenbar nicht zuletzt auch die landesweit gänzlich andere Realität.

5.2. Der Gesetzgeber umschreibt in einem Gesetz mit Blick auf Art. 18 B-VG den Regelungsinhalt, in dessen wesentlichen Zügen derart bzw. grenzt es in solcher Weise ein, dass ein auf eine Regelung gestütztes Verhalten der Behörde vom Normadressaten noch vorhersehbar sein lässt (VfSlg 11499). Dieser gesetzlichen Bestimmung einen über den weitgehend eindeutigen sprachlichen Kontext hinausreichenden - einschränkenderen - Inhalt [hier durch Ausdehnung des Verbotsumfanges] zuzuordnen, würde einerseits den durch das Bestimmtheitsgebot gezogenen Rahmen sprengen und andererseits auch dem im Strafrecht geltenden Analogieverbot entgegenstehen. Mit der von der Behörde erster Instanz den eigentlichen Wortsinn überschießenden und damit den Rahmen der Strafbarkeit ausdehnenden Auslegung, würden letztlich in die Verfassungssphäre reichende Belange nachteilig berührt.

Es ist aber selbst sachlich nur schwer argumentierbar, bereits in einer bloß theoretischen Wahrnehmbarkeit einer Werbung von einer Freilandstraße innerhalb des fraglichen 100 m Bereiches - die sich theoretisch allenfalls für den einzelnen Verkehrsteilnehmer auf Sekundenbereiche beschränkt - den Schluss auf eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu ziehen und damit eine extensive Auslegung rechtfertigen zu wollen, wie dies von der Behörde erster Instanz intendiert scheint (VwGH 21.9.1994, 94/03/0082).

5.3. Da somit die dem Berufungswerber zur Last gelegten Verhalten nicht dem Tatbestand nach § 84 Abs.2 StVO subsumierbar sind, waren - ungeachtet der beim Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitig zu dieser aus der Sicht der Behörde erster Instanz strittigen Rechtsauslegungsfrage anhängig gemachten Amtsbeschwerden - auch diese Straferkenntnisse zu beheben und die Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungs-gerichtshof erhoben werden. Sie muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Verbotsumfang, Gesetzesbindung, extensive Auslegung

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