Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107484/2/BI/KM

Linz, 27.03.2001

VwSen-107484/2/BI/KM Linz, am 27. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W R und Mag. M R, vom 30. Jänner 2001 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 12. Jänner 2001, VerkR96-380-2000-GG, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 142,84 S (entspricht 10,38 Euro), ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 714,28 S (24 Stunden EFS) verhängt, weil er am 9. Dezember 1999 um 17.10 Uhr im Gemeindegebiet W auf der L Autobahn A25 auf Höhe StrKm 6.060, RFB W, den LKW, Kz. , gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, unterblieben sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 71,42 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

3. Der Bw beruft sich darauf, er habe vom Fahrzeug der Unfallgegnerin auf Grund deren Fahrerflucht weder das Kennzeichen ablesen noch es beschreiben und auch nicht feststellen können, ob dieses einen Sachschaden davongetragen habe. An seinem LKW sei kein ziffernmäßig zu bestimmender Sachschaden unfallkausal eingetreten und auch keine Reparatur durchgeführt worden. Damit habe er aber nicht von der Existenz eines Sachschadens Kenntnis erlangt, sodass auch keine Melde- und Anzeigepflicht bestanden habe. Richtig ist, dass er drei Stunden nach dem Vorfall beim LGK, VAASt W, telefonisch Anzeige erstattet habe, wo ihm die Anzeigeerstattung in seiner Heimatgemeinde, beim Posten W, geraten worden sei. Er habe auf der Heimfahrt per Handy versucht, mit dem Posten Kontakt aufzunehmen und sei, als dies misslungen sei, zum BGK F gefahren, wo er wieder zum Posten W verwiesen worden sei, da "ihm mangels Daten des Unfallgegners oder sonstigen Verdachtsmomenten nichts passieren könne". Er habe schließlich bei RI S, GP W, nach telefonischer Vereinbarung am 11.12.1999 Anzeige erstattet. Am Ergebnis hätte sich auch nichts geändert, wenn er schon zwei oder drei Stunden vorher der Polizei Mitteilung gemacht hätte. Er habe wegen einer beruflichen Zwangslage keine Zeit gehabt, als Ortsunkundiger die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ausfindig zu machen: am 9.12.1999 seien die Abschlussarbeiten beim am nächsten Tag zu eröffnenden Altenheim W durchzuführen gewesen; eine Verschiebung der Arbeiten sei nicht möglich gewesen, weil dies nicht nur eine Blamage für seinen Betrieb sondern auch eine Pönale bedeutet hätte. Der Bw beruft sich hiezu auf Anwendung des Strafausschließungsgrundes des § 6 VStG und darauf, dass ihm bei einer früheren Anzeige weder ein Vor- noch ein Nachteil erwachsen wäre.

Die Glaubhaftigkeit der Unfallgegnerin zum von ihr dargelegten Unfallshergang und der ihm angelasteten Unfallsursache sei vor Gericht durch den gerichtlich beeideten Sachverständigen DI L widerlegt worden, was zur kostenpflichtigen Abweisung der von der Unfallsgegnerin eingebrachten Schadenersatzanklage geführt habe. Durch die unrichtigen Angaben zum Unfallshergang habe die Unfallgegnerin auch ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Anhaltens am Pannenstreifen nach dem Unfall verloren, und durch die Aussage seines Beifahrers S G ergebe sich, dass die Unfallsgegnerin weder am Pannenstreifen noch beim nächsten Autobahnrastplatz angehalten sondern Fahrerflucht begangen habe.

Sollte eine Einstellung des Verfahrens im Grunde des § 6 VStG nicht erfolgen, sei der Unrechtsgehalt der Übertretung sehr gering und habe sein Verhalten keine Folgen nach sich gezogen, sodass § 21 VStG anzuwenden sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie in das Verhandlungsprotokoll, aufgenommen beim Bezirksgericht Wels am 4.10.2000, und das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 30.10.2000, 13 C 917/007.

Aus der Anzeige geht hervor, dass es am 9. Dezember 1999, 17.10 Uhr, auf der A25 bei Km 6.060, RFB W, zwischen dem LKW des Bw und dem PKW der Zeugin H zu einem Verkehrsunfall kam, bei dem beim PKW die Frontpartie (laut Gerichtsurteil Motorhaube, rechter Scheinwerfer und rechter Kotflügel) und beim LKW die linke Schlussleuchte und der Unterfahrschutz beschädigt wurden. Beide Lenker, der Bw und die Zeugin H, warfen einander vor, Fahrerflucht begangen zu haben.

Die Zeugin erstattete um 17.25 Uhr bei der Autobahngendarmerie Wels persönlich Anzeige und gab an, sie sei im Zuge eines Überholmanövers mit der rechten vorderen Seite gegen die linke hintere Seite des LKW geprallt. Beide Fahrzeuge hätten nach der Parkplatzausfahrt am Pannenstreifen angehalten; der Lenker habe aber die Fahrt fortgesetzt, noch bevor sie zum LKW habe gehen können; sie habe nur die Anfangsbuchstaben "FR ..." ablesen können.

Der Bw erstattete um 20.20 Uhr bei der Autobahngendarmerie Wels telefonisch Anzeige und wurde zum GP W weiterverwiesen. In der dortigen Anzeige vom 11.12.1999 ist ein Schaden von ca 6.000 S angeführt.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sach-schaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen - ds alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht - die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Im gegenständlichen Fall ist zweifellos von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden auszugehen. Das nunmehrige Berufungsvorbringen, wonach kein ziffernmäßig zu bestimmender Sachschaden eingetreten sei, steht im Widerspruch zum beim GP W geschilderten Schaden am LKW des Bw, selbst wenn laut Gerichtsurteil der Schaden vom Sohn des Bw kostenlos repariert wurde. Den Zusammenstoß hat der Bw nach eigenen Aussagen im Zuge des Fahrstreifenwechsels kurz vor der Ausfahrt M bei einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h bemerkt, wobei er schon auf Grund des Unfallherganges davon ausgehen konnte, dass auch der von hinten aufgefahrene PKW beschädigt worden sein musste. Auch der Zeuge G, der damalige Lehrling und Beifahrer des Bw, hat bei seiner Einvernahme beim Bezirksgericht W am 4.10.2000 glaubwürdig angegeben, er habe den Anstoß als Ruck gespürt und auch gehört. Zweifellos ist es im gegenständlichen Fall nicht zu einem Identitätsnachweis gekommen.

Zweck des § 4 StVO 1960 ist nicht, an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben des am Unfall Beteiligten stimmen und überhaupt das Verschulden am Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (vgl VwGH v 19.12.1975, 2085/74).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen heißt das, dass der Bw als an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden Beteiligter nach nicht erfolgtem Identitätsnachweis jedenfalls verpflichtet war, ohne unnötigen Aufschub Meldung bei der nächsten Sicherheitsdienststelle zu erstatten, wobei auch eine telefonische Meldung ausreicht. Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist nach ständiger Judikatur des VwGH eng auszulegen (vgl VwGH v 12.11.1970, 1771/69, ua), wobei darunter jedenfalls ein Zeitraum unter drei Stunden zu verstehen ist.

Der Bw wendet ein, er habe dringende Montagearbeiten beim am nächsten Tag zu eröffnenden Altenheim Wels durchzuführen gehabt und sei deshalb zu einer Unfallmeldung ohne unnötigen Aufschub nicht in der Lage gewesen; er macht Notstand iSd § 6 VStG geltend.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Wirtschaftliche Nachteile können nur dann Notstand iSd § 6 VStG begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedrohen (VwGH v 26.4.1994, 93/04/0004, ua). Dringende unaufschiebbare berufliche Termine sind nicht geeignet, den Schuldausschließungsgrund des Notstandes zu erfüllen (VwGH v 23.9.1985, 85/18/0301, v 11.10.1991, 91/18/0079, ua).

Im gegenständlichen Fall ist zwar nachvollziehbar, dass der Bw die übernommene Verpflichtung zur Fertigstellung der Arbeiten beim Altenheim Wels ehestens erfüllen wollte, jedoch genügt für eine Unfallmeldung iSd § 4 Abs.5 VStG auch ein einfacher Telefonanruf, den sogar der als Beifahrer fungierende Lehrling über entsprechenden Auftrag als Bote (sogar noch auf der Fahrt zur Arbeitsstelle) erfüllen hätte können. Abgesehen davon hat der Bw um 20.20 Uhr Unfallmeldung erstattet, offenbar ohne die Fertigstellung der Arbeiten zu gefährden. Für den Unabhängigen Verwaltungs-senat ist nicht nachvollziehbar, dass ein Telefonanruf "ohne unnötigen Aufschub" die Arbeiten am Altenheim Wels in einem Ausmaß verzögert oder gar verhindert hätte, das den vom Bw angeführten wirtschaftlichen Nachteil (Blamage, Konventionalstrafe) nach sich hätte ziehen können. Die zu erledigenden Arbeiten mussten für einen fachkundigen Gewerbetreibenden - der Bw ist Tischlermeister - zeitlich und vom Aufwand her einschätzbar sein, wobei ein Telefonanruf zwecks Unfallmeldung nur wenige Minuten in Anspruch nimmt. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates kann aus diesen Überlegungen heraus von Notstand nicht die Rede sein.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Bw sehr wohl in der Lage gewesen wäre, innerhalb angemessener Frist ohne unnötigen Aufschub bei der Autobahngendarmerie Wels Meldung über den Verkehrsunfall mit Sachschaden, an dem er ursächlich beteiligt war, zu erstatten.

Bei einer Übertretung gemäß § 4 Abs.5 StVO handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs.1 VStG, bei dem Fahrlässigkeit dann anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dem Bw ist eine solche Glaubhaftmachung nicht gelungen, sodass die erst etwa drei Stunden später erfolgte Unfallmeldung als verspätet iSd § 4 Abs.5 StVO 1960 anzusehen ist. Der Bw hat daher den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S Geldstrafe bzw bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses mildernde oder erschwerende Umstände nicht gefunden und mangels jeglicher Angaben des Bw - und auch ohne Bestreitung - dessen finanziellen Verhältnisse auf mindestens 10.000 S Monatseinkommen geschätzt sowie das Fehlen von Sorgepflichten und Vermögen angenommen.

Aus dem Verfahrensakt geht hervor, dass der Bw eine nicht einschlägige, aber auch noch nicht getilgte Vormerkung aus dem Jahr 1997 aufweist, sodass ihm der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht zugute kommt. Straferschwerende Umstände finden sich nicht.

Dass die nicht rechtzeitige Unfallmeldung keine Folgen nach sich gezogen hat, ist nicht als mildernd zu sehen, da die an den Personenkreis des § 4 Abs.1 StVO gerichtete Verpflichtung unabhängig von derartigen Folgen besteht.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte, auch wenn die verhängte Geldstrafe dem Betrag nach unüblich ist und sehr kleinlich anmutet. Sachliche Anhaltspunkte für eine Herabsetzung der Strafe finden sich nicht. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe gemäß dem gesetzlichen Strafrahmen angemessen.

Von geringfügigem Verschulden im Sinne eines erheblichen Zurückbleibens des tatbildmäßigen Verhaltens des Bw hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt (vgl VwGH v 26.3.1993, 92/03/0113-0117, ua) kann nicht die Rede sein, sodass der Ausspruch einer Ermahnung iSd § 21 VStG ausscheidet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Meldung eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden, Telefonanruf genügt, Notstand liegt nicht vor à Bestätigung.

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