Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107508/2/Ki/Ka

Linz, 05.03.2001

VwSen-107508/2/Ki/Ka Linz, am 5. März 2001 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Ü, vom 19.2.2001, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 31.1.2001, VerkR96-5681-1999-OJ/KB, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 3 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 31.1.2001, VerkR96-5681-1999-OJ/KB, den Berufungswerber (Bw) wegen einer Übertretung der StVO 1960 für schuldig befunden und über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 500 S (EFS 12 Stunden) verhängt. Konkret wurde ihm vorgeworfen, er habe am 9.12.1999 um 10.30 Uhr den Kombi, Kz.: , in Engerwitzdorf, Prager-Bundesstraße 125 bei Strkm.11,39 gelenkt und dabei beim Vorbeifahren an einem anderen Fahrzeug einen der Verkehrssicherheit und/oder der Fahrgeschwindigkeit nicht entsprechenden seitlichen Abstand vom Fahrzeug, an dem er vorbeigefahren ist, eingehalten. Er habe dadurch § 99 Abs.3 lit.a iVm § 17 Abs.1, 2. Satz iVm § 15 Abs.4 StVO 1960 verletzt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 50 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 19.2.2001 Berufung mit dem Antrag das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Im Wesentlichen wird argumentiert, dass in diesem Fall der § 99 Abs.6 StVO zur Anwendung kommen müsse. Es läge nämlich eine Verwaltungsübertretung dann nicht vor, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist und die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden wären. Aufgrund des Umstandes, dass er den Sachschaden nicht bemerkt habe, sei ein Identitätsnachweis mit dem Unfallgegner und auch die Information der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle naturgemäß nicht möglich gewesen. Ein Verkehrsunfall mit Sachschaden habe stattgefunden, ein Verstoß gegen die Vorschriften des Verhaltens bei einem Verkehrsunfall habe nicht stattgefunden, sodass die Rechtswohltat des § 99 Abs.6 leg.cit. zugute kommen müsse.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens werden nachstehende entscheidungsrelevante Fakten festgestellt:

Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen geht hervor, dass es zur festgestellten Tatzeit am festgestellten Tatort zu einem Verkehrsunfall dahingehend gekommen ist, dass der nunmehrige Bw beim Vorbeifahren mit seinem PKW an einem stehenden anderen PKW diesen gestreift hat. Der Vorfall wurde von der Lenkerin des anderen PKW zur Anzeige gebracht, der Bw wurde in der Folge von Beamten des Gendarmeriepostens Gallneukirchen davon in Kenntnis gesetzt.

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat zunächst gegen den Beschuldigten eine Strafverfügung (VerkR96-5681-1999 vom 16.12.1999) erlassen und ihm in dieser Strafverfügung einerseits den nunmehr zur Debatte stehenden Sachverhalt angelastet und überdies Verletzungen des § 4 StVO 1960 vorgeworfen, wobei im letzteren Falle lediglich auf einen Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, Bezug genommen wurde.

Der Beschuldigte hat die bezeichnete Strafverfügung beeinsprucht und im weiteren Verfahren hat die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung dieses hinsichtlich der Fälle des § 4 StVO eingestellt. Der nunmehr im Berufungsverfahren zu beurteilende Punkt wurde jedoch aufrechterhalten und es erging diesbezüglich letztlich das angefochtene Straferkenntnis.

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes hat wie folgt erwogen:

Der Bw vermeint, dass im vorliegenden Falle die Rechtswohltat des § 99 Abs.6 StVO 1960 zur Anwendung gelangen müsse. Dazu wird jedoch festgestellt, dass laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.10.1978, 86/77) § 99 Abs.6 lit.a nicht darauf abstellt, ob der Täter nach § 4 Abs.5 StVO bestraft wurde oder ob er diese Verwaltungsübertretung begangen hat, sondern ob die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden sind. Letzteres kann laut dem zitierten Erkenntnis des VwGH aber auch verneint werden, wenn es nicht zu einer Bestrafung gekommen ist oder kommen konnte. Die Einstellung des Strafverfahrens bezüglich Übertretung des § 4 Abs.5 StVO stellt somit kein bindendes Präjudiz für die Entscheidung der Frage dar, ob die Bestimmungen über das Verhalten bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden sind.

Allerdings ist die Berufungsbehörde der Auffassung, dass im vorliegenden Falle die Tat nicht ausreichend konkretisiert worden ist.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Beschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen bzw sich rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Demnach ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die vorgeworfene Tat in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale exakt beschrieben wird.

Jedenfalls müssen im Tatvorwurf jene wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthalten sein, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob und durch welches konkrete Verhalten die entsprechende Verwaltungsübertretung begangen worden ist.

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat dem Beschuldigen von Beginn des Verfahrens an lediglich vorgehalten, er habe zu einer bestimmten Tatzeit an einem bestimmten Tatort als Lenker eines Fahrzeuges beim Vorbeifahren an einem anderen Fahrzeug einen der Verkehrssicherheit und/oder der Fahrgeschwindigkeit nicht entsprechenden seitlichen Abstand vom Fahrzeug, an dem er vorbeigefahren ist, eingehalten. In der Strafverfügung wird überdies ein Fehlverhalten nach einem Verkehrsunfall, an welchem der Beschuldigte ursächlich beteiligt gewesen sein soll, vorgehalten, dies jedoch ohne näheren Bezug zum vorliegenden Delikt.

Das gegenständlich zu behandelnde Delikt ist, was die Einhaltung des korrekten Seitenabstandes anbelangt, in Zusammenschau mit § 15 Abs.4 StVO 1960 zu lesen. Dazu hat der VwGH in einem Erkenntnis vom 9.9.1981, 3464/80, ausgeführt, dass die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat bei der Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs.4 StVO den eingehaltenen seitlichen Abstand durch eine Entfernungsangabe, bestehe sie in einer Zahl oder in einer Randbreite zwischen zwei Zahlen, zu enthalten habe; es genüge nicht, lediglich die verba legalia des § 15 Abs.4 StVO wiederzugeben.

Eine korrekte Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z1 VStG hat daher im Falle des gegenständlichen Deliktes zumindest konkrete Angaben zu enthalten, durch welches Verhalten der Beschuldigte zuwidergehandelt hat. Neben den im obbezeichneten Erkenntnis des VwGH aufgezeigten Kriterien wäre es im vorliegenden Falle auch korrekt gewesen, hätte der Tatvorwurf auf die Streifung des stehenden PKW durch den PKW des Beschuldigten Bezug genommen. Dies wurde von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung jedoch in keiner Phase des Verfahrens vorgehalten.

Gemäß § 31 Abs.1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 31 Abs.2 leg.cit. grundsätzlich sechs Monate und es ist diese Frist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Gemäß § 32 Abs.2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Die Verfolgungshandlung muss sich auf eine bestimmte Tat beziehen und zwar auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente.

Wie bereits oben dargelegt wurde, stellt die konkrete Bezeichnung des "nicht eingehaltenen Abstandes" ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dar und muss sich eine taugliche Verfolgungshandlung auch auf dieses Tatbestandsmerkmal beziehen. Nachdem diesbezüglich keine taugliche Verfolgungshandlung vorgenommen wurde, ist eine weitere Verfolgung des Beschuldigten wegen mittlerweile eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr zulässig und es ist auch der Berufungsbehörde verwehrt, weitere entsprechende Feststellungen zu treffen.

Da sohin Umstände vorliegen, welche die Verfolgung des Beschuldigten ausschließen, war gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Exakte Konkretisierung des "nicht eingehaltenen Seitenabstandes" erforderlich (§ 17 (1) iVm § 15 (4) StVO). Die Einstellung eines Verfahrens im Hinblick auf § 4 (5) StVO bedingt nicht per se die Anwendung des § 99 (6) StVO.

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