Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107535/22/Sch/Rd

Linz, 20.11.2002

VwSen-107535/22/Sch/Rd Linz, am 20. November 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des S vom 21. Februar 2001, vertreten durch die Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 1. Februar 2001, VerkR96-3617-2000/ah, wegen mehrerer Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes 1998, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 6. November 2001 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Straferkenntnis vom 1. Februar 2001, VerkR96-3617-2000/ah, über Herrn S, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 7 Abs.2 Z8 GGBG 1998 iVm Rn 10240 Abs.1 lit.b iVm Abs.3 ADR und 2) § 7 Abs.2 Z8 GGBG 1998 iVm Rn 10385 Abs.1 lit.b ADR Geldstrafen von 1) 10.000 S und 2) 10.000 S ohne Festsetzung von Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, weil er als das nach außen berufene und verantwortliche Organ, nämlich als Geschäftsführer der Firma B, (als Beförderer) Gefahrgut der Klasse 4.3 Z13b ADR UN 1396 (Aluminiumpulver nicht überzogen) im Ausmaß von 5.090 kg und der Klasse 3 Z3b ADR UN 2059 (Nitrocellulose) im Ausmaß von 3.499 kg befördert habe und, wie im Rahmen einer Kontrolle am 26. Mai 2000 um 16.55 Uhr auf der A8 Innkreisautobahn auf Kilometer 75,200 (Einreise) festgestellt worden sei, der Lenker T mit dem Sattelkraftfahrzeug, Zugfahrzeugkennzeichen, Anhänger mit dem Kennzeichen, mit diesem Gefahrgut gelenkt habe, obwohl

1) gemäß Rn 10240 Abs.3 ADR kein den Vorschriften entsprechender Feuerlöscher mitgeführt worden sei, weil die vorgeschriebene Plombierung gefehlt habe, wodurch nicht gewährleistet gewesen sei, ob er zum Einsatz geeignet sei, und

2) die in der schriftlichen Weisung nach Rn 10385 Abs.1 lit.b ADR vorgeschriebene Augenspülflasche nicht mitgeführt worden sei, weil die mitgeführte Flasche leer gewesen sei.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 2.000 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 20. September 2000, 2000/03/0071, mit der Frage der örtlichen Zuständigkeit für Verfahren wegen Übertretungen des GGBG 1998 durch den Beförderer auseinandergesetzt und im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Durchführung der Beförderung gefährlicher Güter entgegen § 7 Abs.2 GGBG 1998 bezieht sich auf den gesamten Beförderungsvorgang, also nicht bloß auf die Herbeiführung, sondern auch auf die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. Es handelt sich somit um ein Dauerdelikt, bei dem das verpönte strafbare Verhalten erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes aufhört. Wurde bei der im Sprengel einer bestimmten Bezirkshauptmannschaft vorgenommenen Kontrolle des Fahrzeuges der rechtswidrige Zustand festgestellt, ergibt sich daraus noch nicht gemäß § 27 Abs.1 VStG die Zuständigkeit dieser Behörde zur Ahndung der Verwaltungsübertretungen.

Bei den dem Beschuldigten - als handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit zur Vertretung der als Beförderer tätig gewordenen GmbH nach außen Berufenen - zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach § 27 Abs.1 Z1 iVm § 7 Abs.2 Z5 bzw Z7 GGBG 1998 handelt es sich um Unterlassungsdelikte. Bei solchen Delikten ist der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen. Dieser Ort fällt dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt sind, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen. In der Regel kann die Behörde davon ausgehen, dass die Unterlassungen am Sitze des Unternehmens stattgefunden haben.

Mit dem erwähnten Erkenntnis wurde die Berufungsentscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates aufgehoben, welches von der örtlichen Zuständigkeit jener Behörde ausgegangen war, in deren Sprengel die Beanstandung stattgefunden hatte.

Für den vorliegenden Fall hat dies zu bedeuten, dass die Bezirkshauptmannschaft Schärding zwar die örtlich zuständige Strafbehörde im Hinblick auf den Anhalteort war, nicht aber für Handlungen, die am Sitz des Unternehmens der Berufungswerberin hätten gesetzt werden müssen. Damit war sohin ihre Zuständigkeit im Lichte des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes für Unterlassungen der Berufungswerberin als Vertreterin des Beförderers des verfahrensgegenständlichen Gefahrguttransportes nicht gegeben. Aus Anlass der Berufung war daher das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der Strafbehörde zu beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 iVm § 2 Abs.1 VStG (Tatort nicht im Inland) einzustellen. Entgegen der Ansicht der Erstbehörde hält es der Oö. Verwaltungssenat nicht für gänzlich überzeugend vertretbar, der gegenständlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dadurch entgegentreten zu können, dass man eine bestimmte Formulierungsvariante bei der Spruchgestaltung des Strafbescheides wählt.

4. Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass die Berufungsbehörde aufgrund der Bestimmung des § 1 Abs.2 VStG die Rechtslage vor der GGBG-Novelle, BGBl. I Nr. 86/2002 anzuwenden hatte. Durch diese Novelle wurde dem § 27 ein Absatz 7 angefügt, der für den Beförderer nunmehr den Tatort mit dem Ort der Betretung festlegt, offenkundig, um auf die oben erwähnte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu reagieren und insbesondere zu gewährleisten, dass auch Beförderer ohne Unternehmenssitz im Inland verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Der Anwendung dieser Bestimmung auf den konkreten Fall stand aber wie erwähnt § 1 Abs.2 VStG entgegen.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat im Hinblick auf die Bestimmung des § 27 Abs.1 aF beim Verfassungsgerichtshof Gesetzesprüfungsanträge dahingehend gestellt, dass die Wortfolge von "10.000 S" als verfassungswidrig festgestellt werden möge. Diese Anträge wurden vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. September 2002, G 45/02-8 ua, abgewiesen. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes die angefochtene Mindeststrafe - vor allem angesichts des mit dem Transport gefährlicher Güter verbundenen besonderen Gefährdungspotenzials für die Gesundheit und das Leben von Menschen sowie für die Umwelt - als Mittel zur Sicherstellung einer äußerst genauen Beachtung der beim Transport gefährlicher Güter geltenden Ordnungsvorschriften sachlich für gerechtfertigt sei.

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates wird die vom Verfassungsgerichtshof für Härtefälle ins Treffen geführte Anwendungsmöglichkeit der §§ 20 und 21 VStG wohl nur in ganz bestimmt gelagerten Ausnahmefällen gegeben sein, da diese Bestimmungen nicht dazu dienen, (hohe) gesetzliche Mindeststrafen zu unterlaufen.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

S c h ö n

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