Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107568/29/BI/KM

Linz, 06.11.2001

VwSen-107568/29/BI/KM Linz, am 6. November 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau M S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P N, vom 21. März 2001 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. März 2001, VerkR96-341-2000/Rö, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 auf Grund des Ergebnisses der am 24. Oktober 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsver-handlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und Z3 und 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

  1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960, 3) §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960, 4) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 und 5) §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 Geldstrafen von 1) 500 S (1 Tag EFS), 2) 3.000 S (5 Tagen EFS), 3) 3.000 S (5 Tagen EFS), 4) 1.000 S (2 Tagen EFS) und 5) 10.000 S (9 Tagen EFS) verhängt, weil sie am 24. Dezember 1999 um 14.00 Uhr den Pkw auf der T in Fahrtrichtung Hstraße gelenkt habe, wobei sie

  1. auf Höhe des Hauses Tstraße den am rechten Fahrbahnrand ordnungsgemäß geparkten Pkw gestreift habe, indem sie ihr Fahrzeug so weit rechts gelenkt habe, dass dadurch Sachschaden verursacht worden sei, wobei der linke Außenspiegel sowie die linke Fahrertür und der rechte Kotflügel beschädigt worden seien.
  2. In der Folge habe sie ihr Fahrzeug nach dem Unfall nicht sofort angehalten, obwohl ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei.
  3. Weiters habe sie es unterlassen, nach dem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil sie nach dem Unfall wieder Alkohol zu sich genommen habe.
  4. Außerdem habe sie es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, unterblieben sei.
  5. Bei dieser Fahrt habe sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 1.750 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da im Einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 24. Oktober 2001 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters RA Dr. N und der Zeugen RI S, RI P, Chefinsp G, R S, R H und M H durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz und der Zeuge A S sind unentschuldigt nicht erschienen, obwohl die jeweilige Ladung fristgerecht zugestellt wurde.

3. Die Bw rügt in der Berufung die Verjährung hinsichtlich des Punktes 1). Im Übrigen wird die Entstehung des angeblichen Sachschadens am Pkw S wegen der Diskrepanz der Angaben der jeweiligen Fahrzeugseite in Zweifel gezogen, weiters hinsichtlich des Zustandekommens des Unfalls, wobei ein Ortsaugenschein am Unfallort und die Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens beantragt werden. Bezweifelt wird weiters die Unfallzeit wegen der unterschiedlichen Aussagen der Zeugen. Beantragt wird die Zeugeneinvernahme des Gastwirtes K S, zum Beweis für die Nachtrunkbehauptung der Bw und die nochmalige Einvernahme der Zeugin Maria Heuberger zum Beweis für das Telefonat zwischen ihr und der Bw bereits vor 14.00 Uhr. Die Nachtrunkbehauptung laut Schriftsatz vom 13.1.2000 im Verfahren bzgl Entzug der Lenkberechtigung wird aufrechterhalten.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, insbesondere die darin befindliche Fotobeilage, in der der Unfallort und die beim Unfall entstandenen Schäden an beiden Fahrzeugen dokumentiert sind, und die Originalmessstreifen der Atemluftalkoholuntersuchung der Bw, sowie weitere Erhebungen hinsichtlich des Eichscheins und der Wartungs-protokolle des Atemluftalkoholuntersuchungsgerätes Siemens A09-182 und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Beschuldigtenvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz im angefochtenen Straferkenntnis berücksichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf ihr jeweiliges Entschlagungsrecht und die Wahrheitspflicht gemäß § 289 StGB einvernommen wurden. Der Beschuldigtenvertreter hat auf eine neuerliche Ladung des Zeugen S verzichtet; dessen Zeugenprotokoll vom 29.8.2000 vor der BPD Linz samt der bezughabenden Niederschrift vom 25.12.2999, WZ Neue Heimat, wurden mit seiner Zustimmung verlesen. Verzichtet wurde auch auf den Ortsaugenschein und das kfz-technische Gutachten. Nachgereicht mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2001 wurde die Mitteilung über das damalige Körpergewicht der Bw mit 60 kg.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Bw lenkte am 24. Dezember 1999 gegen 14.00 Uhr den auf sie zugelassenen Pkw , einen blauen Toyota, in L auf der T Richtung Hstraße und streifte dabei den gegenüber dem Haus Nr. geparkten Pkw des Zeugen S. Dabei wurde der Pkw der Bw rechts vorne an der Stoßstangenecke beschädigt, der Pkw S im Bereich des linken vorderen Kotflügels, linke Fahrertür und linker Außenspiegel; die vordere Stoßstange wurde heruntergestreift. Der Zeuge verständigte um 14.00 Uhr telefonisch die Polizei, konnte jedoch nur die Marke und Farbe des Pkw, nicht aber das Kennzeichen nennen. Er gab weiters an, der Lenker sei Schlangenlinien gefahren und scheine alkoholisiert zu sein.

Die Zeugen RI S und RI P besichtigten den Pkw des Zeugen und bestätigten in der mündlichen Verhandlung, der Schaden habe sich so dargestellt, wie auf den der Anzeige angeschlossenen Fotos dokumentiert - die Stoßstange sei vor dem Pkw auf dem Boden gelegen, außerdem sei dort auch noch Scheinwerferglas eines Toyota gefunden worden. Sie fuhren daraufhin die nähere Umgebung des Unfallortes ab und fanden schließlich den Pkw der Bw auf dem Parkplatz der Häuser A, wobei die Unfallschilderungen mit den Schäden am vorgefundenen Pkw übereinstimmten. Später sei dann der Zeuge S zum Pkw gebracht worden und habe diesen eindeutig als Unfallfahrzeug wiedererkannt.

Im Zuge der Ermittlungen beim Pkw der Bw stand nach übereinstimmenden Aussagen der beiden Beamten ein Bub auf dem Parkplatz und sagte, das Auto gehöre seiner Mutter. Die Daten der Zulassungsbesitzerin stimmten mit der angegebenen Adresse überein, sodass die Beamten zusammen mit dem Buben die Wohnung aufsuchten, jedoch dort niemanden vorfanden. Bei ihrer Rückkehr stand auf dem Parkplatz ein Herr, der sich über Befragen als Ehegatte der Bw herausstellte. Er gab an, er sei nicht gefahren, seine Frau sitze im Lokal "A". RI P gab an, er sei ins etwa 150 m entfernt befindliche Lokal gegangen und habe dort die Bw verlangt. Sie sei herausgekommen - das sei um etwa 15.00 Uhr gewesen - er habe aber nicht gesehen, ob und was sie konsumiert hatte. Der Zeuge bestätigte, die Bw habe zum einen die Fahrzeugschlüssel bei sich gehabt und zum anderen eine auf dem Autositz liegende Damenjacke angezogen; weiters hätte auch die Einstellung des Lenkersitzes und der Spiegel für sie gepasst. Sie habe zunächst eher überrascht getan, dann aber zugegeben, gefahren zu sein, allerdings ohne sich an einen Verkehrsunfall zu erinnern. Das VUK sei verständigt und der Verkehrsunfall aufgenommen worden.

Beide Beamte haben bestätigt, die Bw habe den Eindruck gemacht, größere Mengen Alkohol getrunken zu haben. Ihre Atemluft habe nach Alkohol gerochen und die Aussprache sei undeutlich bis lallend gewesen. Auf Befragen habe die Bw zugestanden, am Vormittag zwischen 10.30 und 12.30 Uhr auf dem Südbahnhofmarkt zwei Viertel Punsch getrunken zu haben und als Nachtrunk im Lokal A zwischen 14.00 und 15.30 Uhr habe sie zwei Seidel Bier und einen kleinen Schnaps angegeben. Diese Angaben wurden im Protokoll zur Atemalkoholuntersuchung (Anzeigenbeilage) festgehalten. RI P bestätigte, er habe im Lokal die Alkoholangaben zu überprüfen versucht, was aber erfolglos verlaufen sei, zumal der Gastwirt selbst erheblich alkoholisiert gewesen sei und sich auf keine Angaben betreffend die Bw eingelassen habe. Inhaltlich übereinstimmend äußerte sich RI S, der mit dem Gastwirt - erfolglos - telefonisch die Trinkangaben der Bw klären wollte.

Zwecks Durchführung der Atemluftalkoholuntersuchung wurde der GP L, in dessen Gemeindegebiet sich die Adresse A befindet, verständigt. Chefinsp G, der für die Durchführung solcher Amtshandlungen speziell geschult und behördlich ermächtigt ist, führte mit der Bw mit dem im Bus des VUK befindlichen mobilen Alkomat A09-182 den Alkotest durch, nachdem er sich über die Einhaltung der 15minütigen Wartezeit zwischen Lenken und Alkotest informiert und die Bw über die Durchführung des Tests aufgeklärt hatte. Er gab in der mündlichen Verhandlung an, er habe vom äußeren Erscheinungsbild der Bw den Eindruck gehabt, dass sie alkoholisiert sei, aber man habe mit ihr reden können.

Laut Messstreifen wurden ab 15.58 Uhr mehrere Fehlversuche durchgeführt, um 16.02 Uhr und 16.05 Uhr wegen einer Probendifferenz von mehr als 10 % vom Messwert nicht verwertbare Versuche und um 16.09 Uhr ein Messwert von 0,99 mg/l und um 16.12 Uhr ein Messwert von 1,00 mg/l AAG, die verwertbar waren.

Nach übereinstimmenden Angaben der Beamten waren beim Zeugen S keinerlei Alkoholisierungssymptome vorhanden. Beim Gatten der Bw wurden solche festgestellt, er machte aber keine Angaben über einen eventuellen Nachtrunk der Bw.

Laut Mitteilung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen wurde der Alkomat zuletzt vor dem Vorfall am 10. Dezember 1998 mit Nacheichfrist 31. Dezember 2000, geeicht, dann aber am 28. Juni 2000 erneut geeicht, wobei bei beiden eichtechnischen Prüfungen keine Besonderheiten auftraten.

Die Prüfprotokolle der Fa Siemens vom 2. Dezember 1999 und vom 28. Juni 2000 ergaben keine Auffälligkeiten, insbesondere lag in beiden Fällen die Ist-Anzeige unterhalb der Soll-Anzeige. Die Unterlagen wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert.

Die Zeugen M und R H erklärten nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht als Mutter bzw Bruder der Bw, aussagen zu wollen und gaben unter Wahrheitspflicht stehend an, die Bw habe am Südbahnhof Kaffee und Soda getrunken. R H bestätigte, die Bw habe einmal bei seinem Jagatee gekostet. M H gab an, sie habe ihrer Tochter eine kleine Menge von einem gekauften Punsch, "den man in den Tee gibt zum Wärmen", abgefüllt und mitgegeben, weil sie während des Einkaufs der Mutter auf dem Südbahnhofmarkt im Markttreff gewartet hatte. Die Bw habe sie von daheim aus angerufen und bestätigt, sie habe sich Tee gemacht und den Punsch hineingegeben - eine Uhrzeit konnte die Zeugin nicht nennen - und später habe sie die Bw telefonisch vom Vorfall informiert.

Der Zeuge R S hat von seinem Entschlagungsrecht als Ehegatte der Bw Gebrauch gemacht und die Zeugenaussage verweigert.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hegt im Rahmen der freien Beweiswürdigung keinerlei Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der zeugenschaftlich vernommenen Polizei- und des Gendarmeriebeamten, wobei sich in der mündlichen Verhandlung auch keine Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die Aussage des Zeugen S, die verlesen wurde, auch hinsichtlich der Unfallzeit unrichtig sein könnte. RI S, der die Anzeige verfasste, konnte sich auf Grund der verstrichenen Zeit nicht mehr an Uhrzeiten erinnern, bestätigte aber, er habe in der Anzeige die Unfallzeit gemäß den Schilderungen des Zeugen S - dieser hatte ausgesagt, er habe den Pkw gegen 13.55 Uhr abgestellt und nach seiner auf dem Beifahrersitz abgelegten Arbeitstasche gegriffen, als er einen starken Anstoß an der Fahrerseite links vorne verspürt habe; dabei habe er gesehen, dass ein blauer Toyota an seinem Pkw angefahren war und in Schlangenlinien davonfuhr; ein Kennzeichen konnte er nicht ablesen, erkannte aber um etwa 14.45 Uhr im Pkw in L, das Unfallfahrzeug eindeutig wieder - festgehalten. Auch die Trinkangaben stammten ausschließlich von der Bw, auch hinsichtlich des Nachtrunks im Lokal A, der nicht mehr nachzuprüfen war.

Aufgrund der Übereinstimmung der Schäden an beiden Pkw, der glaubwürdigen Aussagen der genannten Zeugen und des Zugeständnisses der Bw, den Pkw gelenkt zu haben, sowie der Tatsache, dass die als 30 km/h-Zone einwandfrei erkennbar beschilderte Tstraße in Fahrtrichtung Hstraße im Stadtgebiet L auf dem Weg zum A, liegt, wobei die Strecke in wenigen Minuten zu durchfahren ist, besteht auch kein Zweifel, dass die Bw den in Rede stehenden Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat. Die Kollision mit dem geparkten Pkw des Zeugen S war laut dessen Angaben - nachvollziehbar durch das Schadensausmaß, im Übrigen laut Fotobeilage ausschließlich auf der linken Seite des Pkw - von größerer Heftigkeit, wobei die Anstoßstelle am Pkw der Bw in deren Sichtbereich vom Lenkersitz aus lag, sodass sie den Anstoß unbedingt bemerkt haben musste, als sie die Fahrt, ohne anzuhalten, fortsetzte. Auch die Konsumation von Alkohol als Nachtrunk ist auf Grund des Zugeständnisses der Bw als erwiesen anzunehmen, die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme des Gastwirts erübrigt sich auf Grund dessen Alkoholisierung zur Vorfallszeit und der (bei Gastwirten nicht unüblichen) Nichtfestlegung auf einen bestimmten Alkoholkonsum der Bw. Ein Identitätsnachweis erfolgte nicht, auch steht fest, dass die Verständigung der Polizei nicht durch die Bw erfolgte, nicht in ihrem Auftrag und auch nicht mit ihrem Wissen.

Zur Frage, ob sich die Bw zur Lenkzeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, wurde seitens des rechtsfreundlichen Vertreters das Körpergewicht der Bw mitgeteilt, auf dessen Grundlage ein medizinisches Sachverständigengutachten anhand des Atemluftwertes unter Abzug des Nachtrunks einzuholen sein wird.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Der Bw wurden im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses insgesamt fünf Verwaltungsübertretungen gemäß konkret zitierten Bestimmungen der Straßenver-kehrsordnung 1960 zur Last gelegt, wobei als Tatzeit der 24. Dezember 1999, 14.00 Uhr, als Tatort jedoch lediglich "Tstraße in Fahrtrichtung Hstraße" ohne Ortsbezeichnung angegeben war. Auch aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt sich kein Anhaltspunkt, welcher Ort gemeint sein könnte, sodass ein solcher auch nicht in den Spruch hineininterpretierbar ist.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen des § 44a Z1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stResp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen ( vgl VwGH v 9.9.1998, 97/04/0031, ua).

Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs.4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstinstanz anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl Erk v 25.3.1994, 93/02/0228; v 19.5.1993, 92/09/0360; v 28.2.1997, 95/02/0601, ua). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH v 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache des § 66 Abs.4 AVG (vgl VwGH v 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl VwGH v 19.3.1997, 93/11/0107, ua). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig; vielmehr ist das Straferkenntnis aufzuheben, um eine Bestrafung wegen der begangenen Verwaltungsübertretung zu ermöglichen (vgl VwGH v 27.2.1992, 92/02/0042).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich bereits aus der Anzeige - die auch Gegenstand der Verfolgungshandlung in Form des Rechtshilfeersuchens der Erstinstanz an die BPD Linz um Einvernahme der Bw als Beschuldigte unter Zur-Last-Legung der wie im Straferkenntnis umschriebenen Verwaltungsübertretungen vom 30. März 2000 war, wobei als Beilage der die Anzeige beinhaltende "Akt g.g.R." ausdrücklich genannt war - dass sich der Unfallort Tstraße "gegenüber Nr." im Stadtgebiet L befindet. Obwohl eine konkrete Formulierung dieser Tatanlastung bis zum innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist (24.12.1999 bis 24.6.2000) ergangenen angefochtenen Straferkenntnis unterblieb, war dieses Rechtshilfeersuchen als geeignete Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG anzusehen (vgl VwGH v 20.11.1991, 91/03/0094, ua), zumal die Anzeige als Beilage zum Bestandteil des Rechtshilfeersuchens wurde und fristgerecht nach außen in Erscheinung trat, nämlich am 31. März 2000 bei der BPD Linz einlangte.

Eine Tatanlastung ohne Abgabe eines Tatortes stellt keinen ausreichend konkretisierten Tatvorwurf dar und kann dieser Tatort auch nicht im Rahmen der Berufungsentscheidung "ergänzt" werden, da die Gefahr einer Doppelverfolgung der Bw wegen der ihr zur Last gelegten Übertretungen nicht ausgeschlossen scheint. Eine Ergänzung des Tatortes, der nicht Spruchinhalt und auch keiner berichtigenden Auslegung zugänglich ist, würde im Ergebnis auf die Anlastung eines gänzlich anderen Tatvorwurfs hinauslaufen, sohin auf eine unzulässige Auswechslung der Tat. Aus diesen Überlegungen war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG (Spruchinhalt: Tatort T in Fahrtrichtung Hstraße) einzustellen, wobei naturgemäß eine Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen entfällt.

Am Rande ist zu bemerken, dass einer von der bisherigen Verfolgungshandlung umfassten Tatanlastung (Spruchinhalt:Tatort L, T gegenüber Nr. Fahrtrichtung Hstraße) lediglich im Hinblick auf die Übertretung im Punkt 1) (Vorwurf gemäß §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960) entgegensteht, dass das diesbezüglich wesentliche Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit der Einhaltung des Rechtsfahrgebotes auch nicht Inhalt bisheriger Verfolgungshandlungen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

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