Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240214/3/WEI/Shn

Linz, 11.08.1997

VwSen-240214/3/WEI/Shn Linz, am 11. August 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Mag. Georg P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. August 1996, Zl. SanRB 96-371-1995-Fu, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelgesetz 1975 (BGBl Nr. 86/1975 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 21/1997) zu Recht erkannt:

I. Aus Anlaß der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem bezeichneten Bescheid der belangten Behörde vom 26. August 1996 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben es als gem. § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ - handelsrechtlicher Geschäftsführer - der Firma P, zu verantworten, daß am 4.8.1995 in der Zweigniederlassung der vorgenannten Firma in Salzburg-Kleißheim ein Karton des holländischen Mineralwassers "MARESCA" in 0,33 l Dosen feilgeboten, verkauft und damit in Verkehr gebracht wurde, obwohl es laut Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung über den Verkehr mit Mineralwasser, BGBl.Nr. 526/1935, verboten ist, als Lebensmittel bestimmte natürliche und künstliche Mineralwasser in anderen Behältnissen als in den zur Abgabe an Verbraucher dienenden verschlossenen Glasflaschen zu verkaufen." Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 1 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern über den Verkehr mit Mineralwasser, BGBl.Nr. 526/1935, iVm § 77 Abs. 1 Z. 10 und § 74 Abs. 5 Z. 1 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl.Nr. 86" als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 200,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seiner Rechtsvertreter am 30. August 1996 zugestellt wurde, richtet sich die am 11. Septembr 1996 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 6. September 1996, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. 2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

2.1. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien, Sektion Fremdenverkehr, hat mit Schreiben vom 29. August 1995 Anzeige erstattet, daß in der Zweigniederlassung der Fa. Pfeiffer Großhandel Gesellschaft m.b.H. in Salzburg/Kleßheim ein Karton des holländischen Mineralwassers der Marke MARESCA in Dosen feilgeboten und verkauft worden war, den Kassazettel und eine Dose vorgelegt. Dabei wurde auf das Verbot, anderer Behältnisse als verschlossene Glasflaschen zu verwenden, nach der Mineralwasserverordnung BGBl Nr. 526/1935, das durch § 6 der Mineralwasserverordnung 1994 (BGBl Nr. 552/1994) befristet bis 1997 in Kraft belassen worden wäre, hingewiesen.

Der Bw hat den Sachverhalt nicht bestritten, jedoch unter Hinweis auf § 1 Abs 7 der Mineralwasserverordnung 1994 schon im strafbehördlichen Verfahren die Ansicht vertreten, daß die Verpflichtung zum Gebrauch von Glasflaschen als entbehrlich angesehen werde und daß eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung unbillig wäre, wenn bereits feststeht, daß das Gebot entfallen wird. Die belangte Behörde meinte dazu, daß die Zulassung von Behältnissen ohne Materialbindung durch § 6 der Mineralwasserverordnung bis 1. Jänner 1997 zurückgestellt worden wäre, weshalb die ausschließliche Bindung an Glasflaschen nach BGBl Nr. 526/1935 bis zum obigen Zeitpunkt verpflichtend blieb. Das Verschulden könne in diesem Zusammenhang nicht als geringfügig bezeichnet werden, zumal dem Bw die Bestimmungen bekannt gewesen wären. Im Hinblick auf die neue Regelung per 1. Jänner 1997 hätte sich der Bw schon ca. 1 1/2 Jahre vorher nicht mehr an die bestehenden Bestimmungen gehalten und Mineralwasser in Dosen verkauft.

Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Bw gemäß § 9 Abs 1 VStG als handelsrechtlicher Geschäftsführer vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß der für den C+C Markt Salzburg namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte nicht rechtswirksam bestellt worden wäre. Der vorgelegte Bestellungsnachweis betreffend Herrn Herbert Schwaiger läßt den Zeitpunkt der Bestellung offen, ist nicht datiert und trägt nur die Unterschrift des verantwortlich Beauftragten. Außerdem wurde kein sachlicher Verantwortungsbereich angeführt und sind auch die Anordnungsbefugnisse nicht klargestellt.

Bei der Strafbemessung wertete die Strafbehörde die Unbescholtenheit als mildernd, hingegen den Umstand, daß sich der Bw über die rechtlichen Bestimmungen bewußt hinweggesetzt hätte, als erschwerend. Das Monatseinkommen wurde unwidersprochen auf S 30.000,-- netto geschätzt. Im übrigen ging die belangte Behörde von der Sorgepflicht für ein Kind und fehlendem Vermögen aus.

2.2. In der Berufung wird die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten bereits im Zeitpunkt des Mineralwasserverkaufs behauptet und der belangten Behörde insofern eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht vorgeworfen. Zur Frage der Bestellung wird die zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers Alois G und des Herbert S angeboten. Außerdem werden eidesstättige Erklärungen der kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer Alois G und Rudolf P sowie des Herbert S vorgelegt, wonach S für den Bereich des C+C-Marktes Salzburg zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 4 VStG 1991 bestellt worden wäre und dieser die Bestellung auch angenommen hätte. Diese eidesstattlichen Erklärungen sind mit 9. September 1996 datiert.

Bekämpft wird die Feststellung, daß dem Bw das Dosenverbot bekannt gewesen wäre. Von den Vorschriften wäre der Bw erst durch seine Rechtsvertreter nach Einleitung des Strafverfahrens informiert worden. In einem Betrieb der gegebenen Größenordnung sei es dem Geschäftsführer unmöglich, die einzelnen angebotenen Waren auf ihre Verpackung jeweils zu überprüfen. Gerade zu diesem Zweck würden verantwortliche Beauftragte bestellt. Es hätte keine Anhaltspunkte für den Bw dafür gegeben, daß das Inverkehrbringen von Mineralwasser in Dosen verboten war. Dabei handelte es sich um eine exotische und verfassungswidrige Norm, die in Europa einzigartig wäre. Das Verschulden wäre jedenfalls gering und die Strafbemessung der belangten Behörde verfehlt gewesen. Die Tat hätte keinerlei nachteilige Folgen nach sich gezogen, was jedenfalls strafmildernd wäre.

2.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint und im wesentlichen strittige Rechtsfragen zu beurteilen sind.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs 5 Z 1 LMG 1975 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem dafür vorgesehenen Strafrahmen des § 74 Abs 5 LMG 1975 mit einer Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen, wer den Bestimmungen der im § 77 Abs 1 Z 1, 3, 4 bis 16 oder 18 bis 21 angeführten Rechtsvorschriften zuwiderhandelt.

Nach der Übergangsvorschrift des § 77 Abs 1 LMG 1975 bleiben in 21 Ziffern ausdrücklich aufgelistete Rechtsvorschriften als Bundesgesetze so lange weiter in Kraft, bis ihren Gegenstand regelnde Verordnungen auf Grund des LMG 1975 in Wirksamkeit getreten sind. § 77 Abs 1 Z 10 LMG 1975 nennt die Verordnung vom 30. September 1935, BGBl Nr. 526, über den Verkehr mit Mineralwasser. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, daß die aufgezählten Rechtsvorschriften unabhängig von ihrem bisherigen rechtlichen Schicksal im Range eines Bundesgesetzes so lange gelten, bis eine neue Verordnung ihren Gegenstand regelt (VfSlg 12396/1990). Die Bedingung für das Außerkrafttreten der gemäß § 77 Abs 1 LMG 1975 als Gesetz weitergeltenden Rechtsvorschrift ist dann eingetreten.

Nach § 1 dieser gemäß § 77 Abs 1 LMG 1975 als Bundesgesetz weitergeltenden Verordnung war es verboten, zum Verkauf als Lebensmittel bestimmte natürliche und künstliche Mineralwässer in anderen Behältnissen als in den zur Abgabe an Verbraucher dienenden verschlossenen Glasflaschen zu versenden.

Mit § 1 der Mineralwasserverordnung BGBl Nr. 552/1994 wurden die Absätze 1 bis 2.3., 3 bis 4.4., 5 bis7.1., 11 bis 12.2 sowie die Anhänge III und IV des Österreichischen Lebensmittelbuches, III. Auflage, Kapitel B 17, Abschnitt A Teilkapitel "natürliches Mineralwasser" als Verordnung erlassen und dabei im Volltext wiedergegeben.

Unter der Überschrift "II. Anforderungen" wird unter Punkt (Absatz, Ziffer) 5. das Inverkehrbringen eines natürlichen Mineralwassers den Voraussetzungen der Absätze (Ziffern) 5.1 bis 5.3. unterworfen. In Absatz 5.2. Satz 2 wird bestimmt, daß die Behältnisse so behandelt oder hergestellt sein müssen, daß sie die mikrobiologischen und chemischen Merkmale natürlicher Mineralwasser nicht verändern. Nach Absatz 7. darf natürliches Mineralwasser nur in den zur Abgabe an den Letztverbraucher zugelassenen Behältnissen transportiert werden. Es muß in unmittelbarer Nähe zum Quellort abgefüllt werden. Absatz 7.1 bestimmt, daß die zur Abfüllung verwendeten Behältnisse mit einem geeigneten Verschluß zur Verhinderung von Veränderungen der Eigenschaften oder Verunreinigungen des Wassers zu versehen sind.

§ 6 dieser Mineralwasserverordnung lautet:

Die Bestimmung des § 1 Abs. 7 erster Satz (gemeint: Ziffer 7.) gilt - ungeachtet der weiterhin anzuwendenden Vorschriften des LMG 1975 über Gesundheitsschädlichkeit und Hygiene - nur für natürliches Mineralwasser, das dazu bestimmt ist, im Inland an den Letztverbraucher abgegeben zu werden; sie tritt mit 1. Jänner 1997 in Kraft.

4.2. Zunächst ist schon aufgrund des klaren Wortlautes der Mineralwasserverordnung aus 1935 zu bezweifeln, ob beim gegebenen Sachverhalt gegen das dort vorgeschriebene Glasflaschengebot verstoßen wurde. Der oben dargestellte § 1 dieser Verordnung verbietet nämlich nur die Versendung von natürlichen und künstlichen Mineralwässern in anderen Behältnissen als in verschlossenen Glasflaschen. Nach diesem Wortlaut scheint sich das Verbot lediglich an den Abfüller und Versender zu richten (Sonderdelikt). Das Feilbieten oder Verkaufen im Selbstbedienungsladen wird jedenfalls vom Wortlaut nicht unmittelbar erfaßt, sondern könnte nur bei einem über den Wortlaut eindeutig hinausgehenden Verständnis des Glasflaschengebots iSd § 1 der Mineralwasserverordnung 1935 als strafbares Verhalten angesehen werden. Nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates liegt dann aber ein Fall der im Strafrecht verbotenen Analogie zu Lasten des Täters vor, weshalb sich ein solches Verständnis bei verfassungskonformer Interpretation (vgl Art 7 EMRK und Art 18 Abs 1 B-VG iVm § 1 VStG) von vornherein verbietet. Schon aus dieser Überlegung scheidet ein strafbares Verhalten des Bw aus. Eine allfällige strafbare Beteiligung iSd § 7 VStG hätte die belangte Behörde innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 74 Abs 6 LMG 1975 vorwerfen müssen.

4.3. Im übrigen hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, V 136/94-10, in einem Verordnungsprüfungsverfahren mit der zu Punkt 4.1. dargestellten Rechtslage vor dem Hintergrund der Richtlinie des Rates, Zl. 80/777/EWG, über natürliches Mineralwasser auseinandergesetzt (vgl Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht, 2. A, Bapismo, Seite 106 ff, E Nr. 43). Dabei stellte er zunächst fest, daß die Regelung des § 1 Abs 5.2. der Mineralwasserverordnung 1994 die alte Mineralwasserverordnung aus dem Jahr 1935 mit ihrem Inkrafttreten am 20. Juli 1994 ersetzt hat. Fraglich blieb für den Verfassungsgerichtshof, ob der Umstand des Inkrafttretens der Spezialvorschrift des § 7 Abs 7 Mineralwasserverordnung 1994 über die beim Transport natürlichen Mineralwassers zugelassenen Behältnisse erst mit 1. Juli 1997 (vgl § 6 Mineralwasserverordnung 1994) zu bewirken vermochte, daß das Glasflaschengebot des § 1 der Mineralwasserverordnung 1935 bis dahin in Kraft gewesen ist.

Die mit § 6 der Mineralwasserverordnung 1994 intendierte befristete Fortgeltung dieses Glasflaschengebotes war mit der Rechtslage nach europäischem Gemeinschaftsrecht (insb Vorschrift Anhang II Z 2 lit c und d der EWG-Mineralwasserrichtlinie) nicht vereinbar. Unter Hinweis auf das aus Art 5 EGV abzuleitende Gebot zur richtlinienkonformen Interpretation innerstaatlichen Rechts vertrat der Verfassungsgerichtshof die Ansicht, daß die Mineralwasserverordnung 1994 so auszulegen und anzuwenden sei, daß im Sinne der Ratsrichtlinie 80/777/EWG alle Behältnisse für das Inverkehrbringen natürlicher Mineralwässer zuzulassen sind, sofern diese Behältnisse nur die mikrobiologischen und chemischen Merkmale natürlicher Mineralwässer nicht verändern.

Da eine derartige mikrobiologische oder chemische Veränderung des in Dosen abgefüllten niederländischen Mineralwassers der Marke MARESCA nicht nachgewiesen wurde, liegt kein strafbares Verhalten vor. Das Glasflaschengebot ist im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes mit Geltung des Gemeinschaftsrechtes nicht mehr anwendbar gewesen.

4.4. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß das Berufungsvorbringen zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nach der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht stichhältig war (vgl dazu näher mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A., 1996, Anm 7 zu § 9 VStG).

5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen. Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Dr. W e i ß

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