Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240215/3/WEI/Bk

Linz, 01.09.1997

VwSen-240215/3/WEI/Bk Linz, am 1. September 1997 DVR.0690392 VwSen-300106/2/WEI/Bk VwSen-300109/3/WEI/Bk VwSen-300110/3/WEI/Bk VwSen-300111/3/WEI/Bk VwSen-300112/3/WEI/Bk

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitzender Dr. Wegschaider, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bissenberger) über die Strafberufungen der H, geb. N, gegen folgende in chronologischer Reihenfolge nach der Tatzeit aufgezählten Straferkenntnisse der Bundespolizeidirektion Linz je vom 20. September 1996, und zwar:

1. Zl. St. 29.736/96-2-Spruchpunkt 2) (= VwSen-240215/1996), 2. Zl. St. 26.760/96-2 (= VwSen-300109/1996), 3. Zl. St. 28.116/96-2 (= VwSen-300112/1996), 4. Zl. St. 28.266/96-2 (= VwSen-300111/1996), 5. Zl. St. 29.998/96-2-Spruchpunkt 1) und 2) (= VwSen-300110/1996), und durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Strafberufung der H, geb. , N, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. September 1996, 6. Zl. St. 29.736/96-2-Spruchpunkt 1) (= VwSen-300106/1996), wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 2 Abs 3 lit a) O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl Nr. 30/1995) und nach dem § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz (StGBl Nr. 152/1945, zuletzt geändert durch BGBl Nr. 345/1993) iVm § 1 der Verordnung des BGMU, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen (im folgenden Prostitutionsverordnung), zu Recht erkannt:

I. Den Strafberufungen gegen die Straferkenntnisse zu Punkt 1 bis 5 wird durch die 4. Kammer wie folgt stattgegeben:

Die in den Straferkenntnissen zu den Zlen. St. 29.736/96-2-Spruchpunkt 2) und St. 29.988/96-2-Spruchpunkt 2) verhängten primären Freiheitsstrafen werden auf je 2 Tage (insgesamt 4 Tage) herabgesetzt. In den übrigen Strafaussprüchen werden die verhängten Geldstrafen auf je S 5.000,-- (insgesamt S 20.000,--) und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 2 Tage (insgesamt 8 Tage) herabgesetzt.

In den beiden Fällen der primären Freiheitsstrafen hat die Berufungswerberin Beiträge zu den Kosten der erstinstanzlichen Strafverfahren von je S 40,-- (insgesamt S 80,--), in den übrigen Strafverfahren Kostenbeiträge von je S 500,-- (insgesamt S 2.000,--) zu leisten.

II. Der Strafberufung gegen das Straferkenntnis zu Punkt 6 wird durch das Einzelmitglied Folge gegeben, die Geldstrafe auf S 5.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage herabgesetzt.

Im erstinstanzlichen Strafverfahren hat die Berufungswerberin einen Kostenbeitrag von S 500,-- zu leisten.

III. In sämtlichen Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Kostenbeitrags.

Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; §§ 64 ff VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1. Mit den angefochtenen Straferkenntnissen je vom 20. September 1996 hat die belangte Strafbehörde die Berufungswerberin (Bwin) hinsichtlich der nachfolgend im einzelnen angeführten Tatzeiten und Tatorte der Verwaltungsübertretungen nach Muster A) und/oder B) schuldig erkannt:

A) Übertretung nach § 3 Abs 2 lit a) O.ö. PolStG der Prostitutionsanbahnung an öffentlichen Orten, weil sie sich durch Auf- und Abgehen, Ansprechen von männlichen Passanten und PKW-Lenkern, sowie die Vereinbarung eines entgeltlichen GV mit einem Kunden in einer solchen Weise verhalten habe, die auf Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken abzielte; B) Übertretung nach § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz iVm § 1 der Verordnung des BMGU über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl Nr. 314/1974, weil sie durch Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit einem Kunden mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht getrieben und es unterlassen habe, sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit sowie in regelmäßigen Abständen von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen, wobei die Gewerbsmäßigkeit insofern vorliege, als sich die Bwin durch wiederholte Tatbegehung (zahlreiche Anzeigen und rechtskräftige Bestrafungen wegen einschlägiger Delikte) eine wiederkehrende Einkommensquelle verschafft habe.

Die angelasteten Taten in chronologischer Reihenfolge:

1. Straferkenntnis zur Zahl St. 29.736/96-2:

Spruchpunkt 1)(=VwSen-300106): Anlastung A iSd § 3 Abs 2 lit a O.ö. PolStG; Tatzeit: 28. Juli 1996 um 22.45 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 10.000,-- (EFS 4 Tage).

Spruchpunkt 2)(=VwSen-240215): Anlastung B iSd § 1 Prostitutionsverordnung; Tatzeit: 28. Juli 1996 um 22.55 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz: 4 Tage FS.

2. Straferkenntnis zur Zahl St. 26.760/96-2 (=VwSen-300109): Anlastung A iSd § 3 Abs 2 lit a) O.ö. PolStG; Tatzeit: 16. August 1996 um 01.35 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 15.000,-- (EFS 7 Tage).

3. Straferkenntnis zur Zahl St. 28.116/96-2 (=VwSen-300111): Anlastung A iSd § 3 Abs 2 lit a) O.ö. PolStG; Tatzeit: 22. August 1996 21.23 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 15.000,-- (EFS 7 Tage).

4. Straferkenntnis zur Zahl St. 28.266/96-2 (=VwSen-300111): Anlastung A iSd § 3 Abs 2 lit a) O.ö. PolStG; Tatzeit: 23. August 1996 22.20 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 15.000,-- (EFS 7 Tage).

5. Straferkenntnis zur Zahl St. 29.998/96-2 (=VwSen-300110):

Spruchpunkt 1): Anlastung A iSd § 3 Abs 2 lit a) O.ö. PolStG; Tatzeit: 2. September 1996 um 23.20 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG: S 15.000,-- (EFS 7 Tage).

Spruchpunkt 2): Anlastung B iSd § 1 Prostitutionsverordnung; Tatzeit: 2. September 1996 um 23.45 Uhr; Tatort: L; Strafe nach § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz: 7 Tage FS.

Die belangte Behörde setzte auch bei getrennten Anlastungen einheitliche (anstatt getrennte) Kostenbeiträge fest. Als mildernden Umstand wertete sie jeweils das volle Geständnis und als erschwerend zahlreiche einschlägige Bestrafungen. Im Straferkenntnis zur Zahl St. 29.736/96-2 wurde auch die eigene Schädigung als mildernd angesehen, weil die Bwin während der Ausübung der Prostitution von ihrem Freier geschlagen und dabei im Gesicht verletzt worden war.

1.2. Gegen die verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisse, die der Bwin je am 20. September 1996 mündlich verkündet wurden (vgl Niederschriften je vom 20.9.1996), richtet sich die am 3. Oktober 1996 bei der belangten Behörde rechtzeitig eingelangte Berufung vom 1. Oktober 1996, mit der die Straferkenntnisse ausdrücklich der Höhe nach bekämpft werden.

1.3. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsstrafakten zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erwägen. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet. 2.1. Die den einzelnen Straferkenntnissen zugrundeliegenden Sachverhalte beruhen auf Anzeigen vom 11., 17., 22. und 23. August sowie vom 8. September 1996 aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung von Sicherheitsorganen der belangten Behörde, denen weitere Details zu entnehmen sind. Auch die jeweiligen Kunden wurden befragt. Die Bwin verhielt sich schon gegenüber den Sicherheitsorganen geständig. Aus dem vorgelegten Akt zum Straferkenntnis St. 29.736/96-2-Spruchpunkt 2) geht hervor, daß beim vereinbarten Geschlechtsverkehr um S 800,-- ein Kondom benutzt wurde. Das gleiche gilt für den Akt zum Straferkenntnis St. 29998/96-2-Spruchpunkt 2), wo ein Kondom beim vereinbarten Mundverkehr um S 500,-- verwendet wurde. Die weiteren Anlastungen betreffen Fälle der Anbahnung von Prostitution, in denen nicht ausdrücklich erhoben wurde, ob die Bwin jeweils die Verwendung eines Kondoms zur Bedingung machte.

Bei der Bwin handelt es sich um eine amtsbekannte Prostituierte, die nach der Aktenlage allein wegen der Übertretung des Geschlechtskrankheitengesetzes iVm mit der Prostitutionsverordnung 10 ungetilgte Vorstrafen hat. Dem unabhängigen Verwaltungssenat ist nach Ausweis seiner Akten bekannt, daß die Bwin auch schon wiederholt gegen die amtsärztliche Untersuchungspflicht nach dem § 4 Abs 2 AIDS-Gesetz 1993 verstoßen hat (vgl etwa VwSen-240200 ua Zlen. vom 21.03.1997). Außerdem weisen die vorgelegten Strafakten zahlreiche Vorstrafen wegen verbotener Anbahnung oder Ausübung der Prostitution gemäß § 2 Abs 3 lit a) und c) O.ö. PolStG aus (vgl dazu auch das h. Erk. vom 31.10.1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen.).

Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen der Bwin geht aus der Aktenlage hervor, daß sie geschieden, arbeitslos und ohne Einkommen und Vermögen sei. Auch Sorgepflichten werden in den zur Verkündung der Straferkenntnisse aufgenommenen Niederschriften verneint. Aus dem Erkenntnis vom 31. Oktober 1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen., ergibt sich, daß die Bwin Geldstrafen in Höhe von S 65.000,-- und Kosten von S 6.500,-- bezahlen muß. In diesem Verfahren ist auch bekannt geworden, daß die Bwin für einen mj. Sohn sorgepflichtig ist.

3. Die 4. Kammer und das zuständige Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich haben die Berufungsverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten konnte festgestellt werden, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage hinreichend geklärt erscheint. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs 3 lit a) Satz 1 O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 10 Abs1 lit b) leg. cit. mit Geldstrafe bis S 200.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung von Prostitution abzielt.

Der 2. Satz des § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG definiert als öffentlichen Ort einen solchen, der jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Kreis von Personen betreten werden kann oder im Rahmen seiner Zweckbestimmung allgemein zugänglich ist. Nach dem 3. Satz ist dem Verhalten an einem öffentlichen Ort ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht an einem öffentlichen Ort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.

Gemäß § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz werden u.a. Übertretungen der auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine strengere Bestrafung stattfindet, als Verwaltungsübertretung mit Geld bis zu 1.000,-- RM (= S 1000,-- laut Umrechnung gemäß § 3 Abs 2 Schillinggesetz, StGBl Nr. 231/1945) oder mit Arrest bis zu zwei Monaten bestraft. Die absolute Höchstgrenze der Freiheitsstrafe beträgt allerdings nach dem § 12 Abs 1 Satz 3 VStG seit der Verwaltungsstrafgesetz-Novelle BGBl Nr. 516/1987 sechs Wochen.

Nach § 1 der Verordnung des BMGU, BGBl Nr. 314/1974 idF BGBl Nr. 591/1993, über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, haben sich Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen.

Die berufungsgegenständlichen Schuldsprüche iSd § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG und iSd § 1 der Prostitutionsverordnung sind jeweils in Rechtskraft erwachsen und daher verbindlich geworden. Die Bwin hat die angelasteten Tatsachen von Anfang an zugestanden und nur die Strafen bekämpft.

4.2. Obwohl die Schuldsprüche rechtskräftig geworden sind, hat der erkennende Verwaltungssenat im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen, daß die belangte Strafbehörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einem einheitlichen Fortsetzungszusammenhang hätte ausgehen müssen.

Ein fortgesetztes Delikt liegt vor, wenn eine Reihe von deliktischen Einzelhandlungen durch Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges aufgrund eines Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit verschmelzen (vgl die Judikatur bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 76 ff zu § 22 VStG). Dabei müssen die Einzelakte von einem vorgefaßten einheitlichen Willensentschluß, dem sog Gesamtvorsatz (= Gesamtkonzept), getragen sein, der schrittweise durch fortgesetzte Einzelakte als Teilhandlungen eines Gesamtkonzepts des Täters auf die Zielerreichung gerichtet ist (vgl näher mN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 28 Rz 34 ff; ebenso Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. A [1996], 866 Anm 1 zu § 22 VStG).

Von einem Sammeldelikt als Erscheinungsform des fortgesetzten Delikts spricht man bei Deliktstypen, die auf Gewohnheits- oder Gewerbsmäßigkeit der Begehung und damit auch auf die verpönte Lebensführung abstellen, die durch die funktional und wertmäßig eine Einheit bildenden Einzeltaten zum Ausdruck kommt (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A [1996], 866 f). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 19. Mai 1980, Zl. 3295/80 (vgl VwSlg 10138 A/1980), zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und dem Anbieten hiezu die Ansicht vertreten, daß deliktische Einzelhandlungen solange als eine rechtlich einheitliche Verwaltungsübertretung (=juristische Handlungseinheit) anzusehen sind, als der Täter nicht durch nach außen tretendes Verhalten zu erkennen gegeben hat, daß er seine verpönte innere Haltung und damit das zugrundeliegende Gesamtkonzept geändert hat. Die Anbahnung und Ausübung der Prostitution wurde demnach als juristische Handlungseinheit im Sinne eines Sammeldelikts angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt im Zusammenhang mit gewerbsmäßiger Prostitution regelmäßig Deliktseinheit an, wenn die allgemeinen Voraussetzungen (gleichartige Begehungsweise, ähnliche Begleitumstände und zeitliche Kontinuität) der Rechtsfigur des fortgesetzen Delikts zutreffen (vgl die Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch, 5. A [1996], 1432, E 3 zu § 3 Sbg PolStG und 1450, E 30 und E 31 zu § 14 lit b) Tir PolStG).

Auch § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG und § 1 der Prostitutionsverordnung stellen analog zu anderen Prostitutionsdelikten auf gewerbsmäßiges Verhalten ab. Dabei geht es entweder um die Anbahnung von sexuellen Beziehungen oder um die Ausübung dieser Beziehungen durch Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen zu Erwerbszwecken (vgl die Umschreibung der Prostitution im § 2 Abs 1 O.ö. PolStG). In den gegenständlichen Berufungsverfahren liegt wegen der gleichartigen Begehungsweise im zeitlichen Zusammenhang unter ähnlichen Begleitumständen in objektiver Hinsicht eindeutig ein Fortsetzungszusammenhang vor. Da die Bwin überdies eine amtsbekannte vielfach einschlägig vorbestrafte Prostituierte ist, konnte die belangte Behörde an ihrem Gesamtvorsatz, die Prostitution durch strafbare Einzelakte regelmäßig und fortgesetzt zu Erwerbszwecken anzubahnen und auszuüben, ohne sich vorher der vorgeschriebenen amtsärztlichen Untersuchung nach der Prostitutionsverordnung zu unterziehen, nicht die geringsten Zweifel haben. Sie hat die Prostitution trotz wiederholten Betretens auf frischer Tat planmäßig ausgeübt und ihre innere Einstellung, weiterhin die Prostitution an öffentlichen Orten anzubahnen und in der Folge ohne die amtsärztlichen Untersuchungen auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten auszuüben, nicht geändert.

Die belangte Strafbehörde hätte daher jeweils Deliktseinheit annehmen und für den nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsstrafakten im Zeitpunkt der Erlassung der Straferkenntnisse erster Instanz bekannten Tatzeitraum vom 28. Juli 1996 bis zum 2. September 1996 jeweils nur eine einheitliche Strafe verhängen dürfen. Das Kumulationsprinzip des § 22 VStG ist im Falle des Vorliegens eines fortgesetzten Delikts nicht anwendbar (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 6. A [1996], 865 f Anm 1 zu § 22 VStG). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werden alle (auch noch unbekannte) Einzeltathandlungen innerhalb des Tatzeitraumes und darüber hinaus auch die bis zur Zustellung des Strafbescheides erster Instanz erfaßt (sog Erfassungswirkung; vgl ua VwGH 28.1.1997, 96/04/0131; VwGH 18.6.1996, 96/04/0045; VwGH 27.2.1996, 96/04/0183).

4.3. Strafbemessung 4.3.1. Der für die öffentliche Anbahnung der Prostitution vorgesehene Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG sieht Geldstrafe bis zur Höhe von S 200.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe bis 6 Wochen vor.

Die persönlichen Verhältnisse der Bwin sind ungünstig, weil sie keiner geregelten Arbeit nachgeht und vermögenslos ist. Sie verdient ihren Lebensunterhalt für sich und ihren mj. Sohn durch fortgesetzte Prostitution. Im Hinblick darauf kann angesichts der üblichen Einnahmen von S 500,-- bis S 1.000,-- pro Freier bedenkenlos von einem monatlichen Mindesteinkommen im Bereich von S 10.000,-- bis S 15.000,-- ausgegangen werden.

Der Strafrahmen des § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz sieht auch eine primäre Freiheitsstrafe vor. Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Die primäre Freiheitsstrafe muß also aus spezialpräventiven Gründen erforderlich sein. Dies trifft auf die Bwin zu, die schon längere Zeit der Prostitution nachgeht, ohne die Vorschriften über die gesundheitliche Überwachung zu beachten. Ihre zahlreichen einschlägigen Vorstrafen sprechen für sich. Die erkennende Kammer kann daher der belangten Strafbehörde nicht entgegentreten, wenn sie es für notwendig erachtet hat, eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Mit der vorgesehenen Geldstrafe von S 1.000,--, die nach dem aus dem Jahr 1945 stammenden § 12 Abs 2 Geschlechtskrankheitengesetz angedroht ist, könnte sicher nicht das Auslangen gefunden werden.

4.3.2. Bei der Schuldbewertung sind auch die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung des § 32 StGB (iVm § 19 Abs 2 VStG) zu beachten. Die Bwin hat sich schon den einschreitenden Polizeibeamten gegenüber durchwegs geständig verhalten und in der Schuldfrage auch nicht berufen. Deshalb sind ihr zumindest die Tatsachengeständnisse schuldmindernd anzurechnen. Die belangte Strafbehörde hat auch jeweils ein volles Geständnis mildernd gewertet. Einem weiteren strafmildernden Aspekt hat sie allerdings keine Beachtung geschenkt.

Die Verwendung eines Präservativs bei der Durchführung des Geschlechtsverkehrs, das die Bwin ihren Kunden jeweils zur Verfügung gestellt hat, wirkt sich unrechts- und schuldmindernd aus (vgl schon VwSen-240185/2/Wei/Bk vom 18.12.1996). Es handelt sich dabei sogar um eine schon früher vom BMGU in den Medien empfohlene Vorsichtsmaßnahme, die der Infektion mit dem HIV-Virus mit großer Wahrscheinlichkeit vorbeugt. Das gilt analog auch für die Gefahr der Infektion mit Geschlechtskrankheiten, die durch Verwendung eines Präservativs bei der Vornahme von sexuellen Handlungen doch entscheidend herabgesetzt wird. Die Gefährdung der geschützten öffentlichen Interessen iSd § 19 Abs 1 VStG erscheint daher trotz Mißachtung der amtsärztlichen Untersuchungspflicht unter den gegebenen Umständen als nicht schwerwiegend. Die Einhaltung der Überwachungsmaßnahmen nach der Prostitutionsverordnung dient zwar dem berechtigten Anliegen der Volksgesundheit. Die amtsärztliche Untersuchungspflicht darf aber auch nicht auf einen Selbstzweck reduziert und völlig isoliert von der konkreten Gefahrensituation des Einzelfalles und den realistischen Ansteckungsmöglichkeiten gesehen werden. Durch die regelmäßige und konsequente Verwendung von Kondomen hat die Bwin, wie dem O.ö. Verwaltungssenat auch aus anderen Strafverfahren bekannt ist, ein im eigenen sowie im allgemeinen Interesse gelegenes Verantwortungsbewußtsein gezeigt. Ihre den Prostitutionsvorschriften widersprechende Gesinnung kann demnach nicht in dem Maße als verwerflich angesehen werden, als es ihre zahlreichen einschlägigen Vorstrafen vermuten ließen.

Der unabhängige Verwaltungssenat ist trotz Rechtskraft der Schuldsprüche im Rahmen der Strafbemessung zu einer Korrektur der Straferkenntnisse insoweit befugt, als er eine wertende Gesamtbetrachtung des sich aus den fortgesetzten Einzelakten ergebenden Unrechts- und Schuldgehalts vorzunehmen hat (vgl schon idS das h. Erk vom 31.10.1996, VwSen-300084/3/Kei/Shn ua Zlen.). Dabei muß die Summe der verhängten Einzelstrafen zum gesamten Unrechts- und Schuldgehalt des fortgesetzten Delikts im angemessenen Verhältnis stehen. Je höher die Anzahl der Einzelhandlungen, desto höher ist naturgemäß auch der Unrechtsgehalt des gesamten Fortsetzungszusammenhangs.

4.3.3. Unter Berücksichtigung einer gesamtabwägenden Betrachtungsweise im Sinne eines fortgesetzten Delikts sowie der oben dargelegten schuldmildernden Umstände erachtet es die erkennende Kammer in den Berufungsfällen wegen Übertretungen nach dem Geschlechtskrankheitengesetz in Verbindung mit der Prostitutionsverordnung für angemessen, die primären Freiheitsstrafen von 4 Tagen im Straferkenntnis St. 29.736/96-2-Spruchpunkt 2) und von 7 Tagen im Straferkenntnis St. 29.998/96-2-Spruchpunkt 2) auf je 2 Tage (insgesamt 4 Tage) herabzusetzen. Die von der belangten Behörde für die Anbahnung der Prostitution an öffentlichen Orten in den Straferkenntnissen zu den Zlen. St. 26.760/96-2, St. 28.116/96-2, St. 28.266/96-2 und St. 29.998/96-2-Spruchpunkt 1) verhängten Geldstrafen von je S 15.000,-- (insgesamt S 60.000,--) werden mit Rücksicht auf die gegebenen Strafzumessungsfaktoren auf je S 5.000,-- (insgesamt S 20.000,--) reduziert. Die nach dem Strafrahmen von 6 Wochen des § 10 Abs 1 lit b) O.ö. PolStG bemessenen Ersatzfreiheitsstrafen von je 7 Tagen (insgesamt 28 Tage) werden auf je 2 Tage (insgesamt 8 Tage) herabgesetzt. Die Ersatzfreiheitsstrafen konnten vergleichsweise höher als die Geldstrafen angesetzt werden, zumal es insofern nur auf die Schuld der Bwin und nicht auch auf deren Leistungsfähigkeit ankam.

Im h. Berufungsverfahren zu VwSen-300106/1996 erkennt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein Einzelmitglied über die Strafberufung gegen das Straferkenntnis St. 29.736/96-2-Spruchpunkt 1) wegen Anbahnung der Prostitution an einem öffentlichen Ort. Aus den oben näher dargelegten Gründen wird analog zur Entscheidung der 4. Kammer die strafbehördlich verhängte Geldstrafe von S 10.000,-- auf den Betrag von S 5.000,-- und die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen auf angemessene 2 Tage herabgesetzt.

5. Bei diesen Ergebnissen hat die Bwin gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im erstinstanzlichen Strafverfahren je einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von 10 % der verhängten Strafe zu leisten. § 64 Abs 2 VStG bestimmt als Umrechnungsschlüssel für Freiheitsstrafen den Betrag von S 200,-- pro Tag. In den Strafverfahren wegen Übertretung des Geschlechtskrankheitengesetzes in Verbindung mit der Prostitutionsverordnung sind die Kostenbeiträge von S 400,-- (2 x S 200,--) zu berechnen und betragen für die erste Instanz je S 40,--. In den 5 Strafverfahren wegen § 2 Abs 3 lit a) O.ö. PolStG sind die erstinstanzlichen Kostenbeiträge auf je S 500,-- (insgesamt S 2.500,--) zu reduzieren. In den h. Berufungsverfahren entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung von weiteren Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. W e g s c h a i d e r Dr. W e i ß

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