Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240216/2/Gf/Km

Linz, 17.10.1996

VwSen-240216/2/Gf/Km Linz, am 17. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des G L gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 29. August 1996, Zl. 101-4/9-330041949, wegen Übertretung des Rezeptpflichtgesetzes zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 60 S zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 29. August 1996, Zl. 101-4/9-330041949, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 300 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Stunden) verhängt, weil er am 2. März 1996 das rezeptpflichtige Arzneimittel "Rohypnol" an eine andere Person weitergegeben habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 6 Abs. 1 Z. 2 des Rezeptpflichtgesetzes, BGBl.Nr.

413/1972, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 363/1990 (im folgenden: RezPflG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 10. September 1996 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. September 1996 - und damit rechtzeitig - unmittelbar bei der belangten Behörde erhobene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, daß der dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegte Tatbestand aufgrund der Aussage der im Rahmen des ordentlichen Ermittlungsverfahrens einvernommenen Zeugin als erwiesen anzusehen sei, während die leugnende Verantwortung des Berufungswerbers lediglich als Schutzbehauptung gewertet werden könne.

Bei der Strafbemessung seien die bisherige Unbescholtenheit als mildernd sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt worden.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber neuerlich (nur) vor, an die Zeugin keine rezeptpflichtigen Arzneimittel weitergegeben zu haben.

Aus diesem Grund wird - erschließbar - die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 101-4/9-330041949; da bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend zu klären war und mit dem angefochtenen Straferkenntnis lediglich eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt sowie ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 1 und 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 RezPflG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der ein Arzneimittel, das auch bei bestimmungsmäßigem Gebrauch das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden kann, wenn es ohne ärztliche Überwachung angewendet wird, nicht in einer Apotheke abgibt.

Eine - taxative - Liste derartiger Arzneimittel ist in der Anlage zu der aufgrund § 2 Abs. 1 RezPflG erlassenen Rezeptflichtverordnung, BGBl.Nr. 475/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 556/1995 (im folgenden: RezPflV), enthalten.

4.2. Aufgrund der glaubwürdigen, übereinstimmenden und in sich widerspruchsfreien Angaben jener im Rahmen des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens zweimal als Zeugin - darunter einmal unter Wahrheitspflicht - einvernommenen Person nimmt es der Oö. Verwaltungssenat als erwiesen an, daß diese vom Beschwerdeführer am 2. März 1996 drei Tabletten des Präparates "Rohypnol" erhalten hat. Dies insbesondere auch deshalb, da der Berufungswerber, der bei seiner Einvernahme als Beschuldigter nicht der Wahrheitspflicht unterlag und sich sohin nach jeder Richtung frei verantworten konnte, diesen Angaben auch in der Berufung nichts Substantielles entgegenzusetzen hatte, sondern sich lediglich auf eine undifferenzierte Bestreitung der gegen ihn erhobenen Anschuldigung verlegte, womit er zudem der auch ihn treffenden Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren nicht nachkam.

Die Tatbestandsmäßigkeit der dem Rechtsmittelwerber angelasteten Verwaltungsübertretung ist daher erwiesen.

4.3.1. Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst grundsätzlich folgendes festzustellen:

4.3.1.1. Daß es sich bei dem Präparat "Rohypnol" um ein dem § 6 Abs. 1 Z. 2 RezPflG unterliegendes Arzneimittel handelt, kann - unter dem Aspekt des Rechtsstaatsgebotes des Art. 18 Abs. 1 B-VG, das die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der Verwaltung für den Bürger fordert - nur auf folgende Weise überhaupt nachvollzogen werden:

Der "Austria-Codex", eine dem § 10 des Arzneimittelgesetzes, BGBl.Nr. 185/1983, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 107/1994 (im folgenden: ArzneiMG), entsprechende Fachinformation des Österreichischen Apothekerverlages, enthält eine umfassende Liste der zur Abgabe im Inland zugelassenen (vgl. die §§ 11 ff ArzneiMG) Arzneimittel (Arzneispezialitäten; zum Begriff vgl. § 1 Abs. 5 ArzneiMG) sowie eine Aufgliederung ihrer jeweiligen Zusammensetzung.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß "Rohypnol" den Wirkstoff Flunitrazepam enthält (vgl. Austria-Codex, Wien 1996, Bd. IV, S. 4015).

Dabei handelt es sich um ein Benzodiazepinderivat (vgl.

Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Aufl., Berlin 1994, 482).

Da nun die Benzodiazepine in der Liste der Anlage zur RezPflV enthalten sind (vgl. BGBl.Nr. 475/1973, S. 2377), resultiert somit im Ergebnis, daß es sich bei dem Präparat "Rohypnol" um ein solches handelt, das gemäß § 1 Abs. 1 RezPflG nur in Apotheken aufgrund ärztlicher Verschreibung abgegeben werden darf bzw. daß sich nach § 6 Abs. 1 Z. 2 RezPflG strafbar macht, wer diesem Gebot zuwiderhandelt.

4.3.1.2. Gleichzeitig ist damit aber auch offenkundig, daß es einem Durchschnittsbürger nicht zugemutet werden kann, sich auf die dargestellte Weise Klarheit über die Apothekenbzw. Rezeptpflichtigkeit eines bestimmten Präparates zu verschaffen (vgl. z.B. zuletzt VfGH v. 16. März 1994, G 135/93 u.a.), nur um einem Schuldvorwurf i.S.d. § 6 Abs. 1 Z. 2 RezPflG zu entgehen. Wer - ohne Arzt oder Apotheker zu sein - ein derartiges Medikament abgibt, wird daher in der Regel nicht fahrlässig und damit schuldlos handeln. Somit erweist sich aber auch das RezPflG - insbesondere für jene (nicht bloß seltenen) Konstellationen, wo Präparate im Ausland erworben werden und dort nicht der Rezeptpflicht unterliegen - prinzipiell als in der Praxis nicht vollziehbar.

4.3.2. Im gegenständlichen Fall ist jedoch zu beachten, daß der Berufungswerber wegen einer psychischen Erkrankung schon seit längerer Zeit aufgrund einer entsprechenden ärztlichen Anordnung selbst des in Rede stehenden (auch als sog. "Modedroge" bekannten) Hypnotikums bedarf und daher sowohl um dessen Gefährlichkeit als auch um dessen Wirkungsweise, insbesondere aber auch um dessen Apotheken- und Rezeptpflichtigkeit wußte.

Wenn er daher dieses Medikament dessenungeachtet an eine dritte Person weitergab, handelte er sohin nicht bloß vorsätzlich, sondern weil dies erwiesenermaßen zu dem Zweck erfolgte, um mit jener Person - die diesem Vorhaben ansonsten keinesfalls zugestimmt hätte - unter Ausnützung von deren Willenlosigkeit den Beischlaf vollziehen zu können, sogar mit Absicht.

4.4. Angesichts dieser gravierendsten denkmöglichen Schuldform sowie des besonders verwerflichen Beweggrundes (vgl. § 33 Z. 5 StGB) einerseits und der Ausnützung der Wehr- und Hilflosigkeit (vgl. § 33 Z. 7 StGB) des Opfers bei der Tatbegehung andererseits ist es geradezu unverständlich, daß über den Berufungswerber lediglich eine Geldstrafe verhängt wurde, die den gesetzlichen Strafrahmen nicht einmal zu einem Einhundertfünfzigstel ausschöpft.

Wenngleich die belangte Behörde damit das ihr im Zuge der Strafbemessung zukommende Ermessen zweifellos nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat, konnte diese Rechtswidrigkeit aber angesichts des in § 51 Abs. 6 VStG statuierten Verbotes der reformatio in peius durch den Oö. Verwaltungssenat nicht korrigiert werden.

4.5. Aus allen diesen Gründen war daher die vorliegende Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich seines Schuld- als auch hinsichtlich des Strafausspruches zu bestätigen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG zusätzlich zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 20% der verhängten Geldstrafe, d.s. 60 S, vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. G r o f

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