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des Landes Oberösterreich
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VwSen-107763/3/SR/Ri

Linz, 31.10.2001

VwSen-107763/3/SR/Ri Linz, am 31. Oktober 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des F K, Sberg , K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 5. Juni 2001, Zl: VerkR96-2943-2000, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000 - AVG iVm § 45 Abs.1 Z1 und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 138/2000 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) schuldig erkannt, am 26.5.2000 vor 09.40 Uhr, den Pkw mit dem Kennzeichen P auf der Bstraße im Bereich der Liegenschaft Nr. in L verbotenerweise im Bereich einer unübersichtlichen Kurve abgestellt zu haben. Der Pkw sei in einer "90-gradigen Winkel verlaufenden Kurve direkt am Schnittpunkt der Fahrbahnränder" abgestellt gewesen. Wegen Verletzung des § 24 Abs.1 lit.b StVO wurde er gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO mit Schilling 400,-- bestraft.

2. Gegen dieses dem Bw durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 25.6.2001 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung. Die Berufung war als rechtzeitig zu werten, da der Bw zum Hinterlegungszeitpunkt ortsabwesend war und die Zustellung erst mit dem an die Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag erfolgt ist.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen begründend aus, dass der "vorliegende Sachverhalt der Behörde auf Grund der Anzeige, der zeugenschaftlichen Aussage des Anzeigenlegers sowie auf Grund des vorliegenden Gutachtens erwiesen erscheint und der angezeigte Pkw vermutlich zumindest zum Teil im Kurvenbereich gestanden sein dürfte". Der Bw habe "somit durch den vorliegenden Sachverhalt den im Spruch genannten Tatbestand verwirkt".

2.2. Der Bw wendet dagegen ein, dass die Tatzeitanlastung mangelhaft sei, da in der Strafverfügung von "um 09.40 Uhr" und im Straferkenntnis von "vor 09.40 Uhr" gesprochen würde. Darüber hinaus habe er den Pkw "3 m vor der linken, rechtwinkeligen Kurvenschwenkung, parallel zum Fahrbahnrand" abgestellt. Sowohl die Skizze und die Fotos des Meldungslegers als auch der Befund des Gutachtens würden sich auf eine falsche Tatortannahme beziehen. Eine Behinderung und Gefährdung anderer Fahrzeugteilnehmer seien nicht vorgelegen. Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte der Meldungsleger seinen Pkw abschleppen lassen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft P hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Der Oö. Verwaltungssenat hat Einsicht gehalten und ergänzende Erhebungen getätigt.

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bw hat den gegenständlichen Pkw vor der ursprünglich angenommenen Tatzeit in Linz, im Bereich der Liegenschaft Böhmerwaldstraße 13, abgestellt. Ob der Pkw vor oder nach der rechtwinkeligen Linkskurve zum Parken abgestellt war, kann nicht mehr festgestellt werden. Das Gutachten weist die Tatörtlichkeit als zweispurige Einbahnstraße aus. Zum Tatzeitpunkt war das im Gutachten angeführte Halteverbot noch nicht verordnet.

Vor der Verordnung des Halteverbotes wurden vergleichbare Verwaltungsstrafverfahren von den zuständigen Behörden erster Instanz mangels Tatbestandsmäßigkeit eingestellt. Aufgrund der unklaren Rechtslage ist, da es die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erforderte, für die Tatörtlichkeit ein Halteverbot verordnet worden.

3.2. Die Angaben des Meldungslegers sind grundsätzlich glaubwürdig und schlüssig. Ein Irrtum hinsichtlich des genauen Tatortes ist aufgrund zahlreicher gleichartiger Verwaltungsübertretungen und des lang zurückliegenden Tatzeitpunktes möglich. Es ist nachvollziehbar, dass die Wiederausfolgung des Verständigungszettels deshalb unterblieben ist, damit der Bw nach der Anzeigeerstattung nicht in einem anderen Wachzimmer diese Angelegenheit durch Bezahlung eines Organmandates erledigen kann. Im Zuge der ergänzenden Erhebungen durch den unabhängigen Verwaltungssenat wurde unter anderem auch vom Meldungsleger glaubwürdig vorgebracht, dass am Tatort ständig Fahrzeuge abgestellt waren und sich die Rechtslage für diese Lenker als unklar dargestellt hatte. Da diesbezügliche Verfahren von den zuständigen Behörden erster Instanz (z.B. Bezirkshauptmann von L-L) eingestellt worden sind, sei die Verordnung eines Halteverbotes angeregt worden.

Der Bw hat glaubwürdige Angaben hinsichtlich des Abstellortes gemacht.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 24 Abs.1 lit. b StVO ist das Halten und Parken im Bereich von unübersichtlichen Kurven verboten.

Laut Sachverständigengutachten ist u.a. eine Sichteinschränkung auf die die Bstraße querenden Fußgänger im Bereich der gegenständlichen Kurve nur dann gegeben, wenn der Bw sein Fahrzeug entsprechend den übermittelten Fotos (Schreiben der Behörde erster Instanz vom 24. Jänner 2001 an den Amtssachverständigen) abgestellt hatte.

4.2. Der Tatanlastung kann jedoch nicht entnommen werden, ob der Pkw des Bw entsprechend den Ausführungen des Meldungslegers oder wie im Verfahren vor der Behörde erster Instanz behauptet vor der Linkskurve abgestellt war. Trotz mehrmaliger Befragungen des Meldungslegers und Anfertigung von Fotos war sich die Behörde erster Instanz auch noch in der Begründung des bekämpften Straferkenntnisses nicht sicher, wo der Bw den Pkw abgestellt hat ( siehe Seite 3 des Straferkenntnisses: "Der vorliegende Sachverhalt erscheint .......erwiesen. Der angezeigte Pkw dürfte vermutlich zumindest zum Teil im Kurvenbereich gestanden sein."). Weiter ist aus der Begründung der "vorliegende Sachverhalt" mangels entsprechender Feststellungen nicht erkennbar. In der Begründung (Seiten 2 und 3) wird ausschließlich das Ermittlungsverfahren samt den widersprechenden Angaben wiedergegeben. Welchen entscheidungsrelevanten Sachverhalt die Behörde erster Instanz schlussendlich angenommen hat, kann nicht erkannt werden.

4.3. Gemäß § 45 Abs.2 AVG (im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG anwendbar) hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Bei der Beurteilung darf die Behörde aber nur die gewonnenen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens heranziehen. Es ist ihr jedoch verwehrt, aktenwidrige Annahmen als Ermittlungsergebnis darzustellen und auf Grund derer eine Beurteilung vorzunehmen.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet für die Behörde nicht eine Beweisbefreiung. Die Behörde darf nur, nachdem sie alles zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes getan hat, ohne an irgendwelche Regeln gebunden zu sein, schlüssige Folgerungen ziehen. Dies setzt voraus, dass der ermittelte Sachverhalt und nicht ein in der Folge willkürlich angenommener der Würdigung unterworfen wird.

Dem Akt sind widersprechende Aussagen des Bw und des Anzeigers zu entnehmen. Da alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind, d.h. die gleiche abstrakte Beweiskraft haben, ist allein der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht (VwGH 20.12.1990, 90/10/0134).

Den Angaben eines Beamten (hier: Polizeibeamten) kommt im Hinblick auf seine besondere Stellung (Diensteid, strafrechtliche Verantwortlichkeit, spezifische Schulung) an sich erhöhte Bedeutung zu. Die Organeigenschaft für sich alleine begründet jedenfalls keinen ausreichenden Beweis.

Auch wenn die Aussagen des Meldungslegers widerspruchsfrei geblieben sind, ist der Behörde erster Instanz der Sachverhalt auf Grund der Anzeige "nur erwiesen erschienen", hat aber gleichzeitig den Abstellort bezweifelt und diesbezüglich eine Vermutung angestellt.

Stellt man hingegen auf die konsequente, glaubwürdige und nachvollziehbare Bestreitung der Tatanlastung durch den Bw ab und betrachtet weiter seine arbeits- und zeitaufwendige Vorgangsweise, die in keinem Verhältnis zu der verhängten Bagatellestrafe steht, so kann man nicht umhin, seinem Vorbringen die erforderliche Glaubwürdigkeit zukommen zu lassen.

Die freie Beweiswürdigung ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter "allgemeine Erfahrungssätze" logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind. Sie ist Verstandes-, nicht Gefühlstätigkeit. Zu einer "Verurteilung" ist subjektiv volle Gewissheit über Täterschaft und Schuld nötig! Das objektive Mindestmaß ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit gilt rechtlich als Wahrheit und das Bewusstsein des Richters von einer so hohen Wahrscheinlichkeit als die Überzeugung von der Wahrheit. Bleiben Zweifel an Täterschaft oder Schuld, so ist der Beweis nicht erbracht. Jeder erhebliche Zweifel muss sich daher für den Bw auswirken: "In dubio pro reo!". Dieser Beweisgrundsatz bedeutet sohin, dass bei Zweifeln an Täterschaft und Schuld von der für den Bw günstigeren Meinung auszugehen ist (Foregger-Kodek2, Die österreichische Strafprozessordnung, Seite 345f).

Da der tatsächliche Abstellort nicht mehr feststellbar ist und auch wie oben dargestellt von der Behörde erster Instanz nicht eindeutig festgestellt werden konnte, kann das vorgelegte Gutachten zur Entscheidungsfindung nicht herangezogen werden. Mangels feststellbaren Abstellortes hat die Einholung eines neuerlichen Gutachtens zu unterbleiben, da dem Amtssachverständigen nicht die für den Befund erforderlichen Angaben zur Verfügung gestellt werden können.

4.4. Geht man davon aus, dass bei vergleichbaren Fällen - teilweises Abstellen im Kurvenbereich - die von den zuständigen Behörden geführten Strafverfahren mangels Tatbestandsmäßigkeit eingestellt wurden, dann konnte der Bw, der in Kenntnis dieser Spruchpraxis ist, zu Recht von einer fehlenden gesetzlichen Grundlage (gesetzliches Verbot) ausgehen. Aufgrund dieser "scheinbar unklaren Situation" ist es auch verständlich, dass vom einschreitenden Organ eine entsprechende Meldung erstattet und aufgrund dieser ein Halteverbot für diesen Kurvenbereich verordnet worden ist.

Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass das allenfalls bestehende gesetzliche Halteverbot (§ 24 Abs.1 lit.b StVO) durch eine Verordnung gleichen Inhaltes "verstärkt bzw. verständlich gemacht" werden sollte. Eher ist darauf zu schließen, dass mit der gesetzlichen Regelung nicht das Auslangen gefunden wurde bzw. kein gesetzliches Verbot bestanden hat und daher ein Halteverbot für den gegenständlichen Kurvenbereich verordnet werden sollte.

4.5. Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass der Bw das ihm angelastete Verhalten gesetzt hat.

Da dem Bw die ihm nach der konkreten Tatumschreibung zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

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