Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107851/15/BI/KM

Linz, 15.11.2001

 

VwSen-107851/15/BI/KM Linz, am 15. November 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Mag. Alfred Kisch, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitz: Mag. Christian Stierschneider) über die Berufung des Herrn J S, vertreten durch RA Dr. J P, S 6, 5 M, vom 8. August 2001 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 1. August 2001, VerkR96-1737-2001, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, auf Grund des Ergebnisses der am 6. November 2001 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 2.Alt. und 66 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.2 iVm 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 16.000 S (14 Tage EFS) verhängt, weil er sich am 4. März 2001 um 9.06 Uhr in Ried/I, im Krankenhaus Ried, Zimmer Nr.351, trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt zu untersuchen, obwohl er verdächtigt gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 4. März 2001 um 2.55 Uhr den Kombi RI- auf der L 503 O Straße bei Km 5.520 gelenkt zu haben.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.600 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 6. November 2001 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines rechtsfreundlichen Vertreters, des Zeugen BI H und der vom Bw mitgebrachten Zeugin K S durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz hat sein Nichterscheinen entschuldigt.

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Umstände von 4.45 Uhr des 4. März 2001 könnten keine Argumente dafür liefern, warum die Aufforderung zum Alkotest um 9.06 Uhr desselben Tages noch ein brauchbares Ergebnis erwarten hätte lassen. Dazu werden zwei Berufungsbeilagen angeführt (die aber nicht abgeschlossen waren) und die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Der Bw macht weiters geltend, die Resorption des zuletzt getrunkenen Bieres sei zum Zeitpunkt des Lenkens noch nicht abgeschlossen gewesen. Daher liege die ihm vorgeworfene Alkotestverweigerung nicht vor, weshalb Verfahrenseinstellung nach Durchführung einer Berufungsverhandlung beantragt wird.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw bzw sein Rechtsanwalt gehört, die Ausführungen der Erstinstanz berücksichtigt und die genannten Zeugen einvernommen wurden.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am Vorfallstag um etwa 2.55 Uhr nach dem Besuch einer Abschiedsfeier und eines Lokales in R, in dem er nach eigenen Angaben zwei Halbe Bier getrunken hat, seinen Pkw auf der L503 Richtung M. Kurz zuvor hatte sich dort ca bei Km 5.520 ein Verkehrsunfall ereignet, dessen Unfallsaufnahme durch die Gendarmerie gerade im Gang war. Zwecks Absicherung der Unfallstelle wurde ein Gendarmeriefahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht, das nach Angaben des Meldungslegers aus ca 350 m sichtbar war, am rechten Fahrbahnrand abgestellt. Als erwiesen ist auch anzunehmen, dass die Fahrbahn der L503 (nur) im dortigen Waldabschnitt eisig war.

Der Bw nahm nach eigenen Aussagen das Gendarmeriefahrzeug wahr, konnte aber aus welchen Gründen immer nicht mehr rechtzeitig reagieren und kollidierte mit diesem, wobei zwar an beiden Fahrzeugen Sachschaden entstand, aber weder der Bw noch sonst jemand verletzt wurde. Der Bw schilderte den Vorfall so, dass er Angst um seinen Führerschein gehabt und sich deshalb entschlossen habe, sich einfach "umfallen" zu lassen und auf die Straße zu legen, um einer eventuellen weiteren Amtshandlung in Bezug auf Alkohol zu entgehen. Die anwesenden Gendarmeriebeamten verständigten aus Vorsichtsgründen die Rettung und die Gendarmeriestreife, deren Mitglied BI H (Ml) war. Dieser traf um etwa 3.30 Uhr an der Unfallstelle ein und fand den Bw in seinem Fahrzeug auf dem linken Rücksitz sitzend vor. Beim Gespräch mit diesem fielen ihm leichter Alkoholgeruch der Atemluft, eine veränderte Sprache und ein schläfriges Benehmen auf. Es erfolgte aber keine Aufforderung zum Alkotest, zumal die Rettung eintraf und den Bw ins Krankenhaus R brachte.

Dort traf der Ml nach der Unfallaufnahme um 4.45 Uhr ein und sprach im Vorraum der Unfallambulanz mit der diensthabenden Ärztin Dr. A. Seine Frage, ob der Bw einen Alkotest machen könne, beantwortete die Ärztin so, dass dies möglich sei, zumal der Bw ja keine Verletzung aufweise, die einen Alkotest verhindern hätte können. Sie teilte dem im nächsten Raum liegenden Bw mit, dass die Gendarmerie da sei und mit ihm einen Alkotest machen wolle, worauf der Ml beobachtete, dass der Bw die Augen schloss und sich schlafend stellte. Der Bw hat dazu angegeben, er habe es für zweckmäßiger gehalten, sich schlafend zu stellen, zumal ihm nichts gefehlt und er einen Alkotest auf jeden Fall verhindern habe wollen. Nach Aussage des Ml verließ dieser daraufhin das Krankenhaus, zumal mit einem schlafenden Bw kein Alkotest zu machen sei, erkundigte sich aber mehrmals telefonisch, ob der Bw schon wach sei. Als ihm die Ärztin gegen 9.00 Uhr mitgeteilt habe, der Bw sei jetzt wach und habe Besuch, erschien der Ml erneut im Krankenhaus, nämlich im Zimmer 351, in dem der Bw mittlerweile lag, und stellte dort fest, dass dieser wach im Bett saß und sich mit seinem Besuch, einer Frau und einem Mann, unterhielt. Er forderte den Bw aus einer Entfernung von ca 3 m - Alkoholisierungssymptome habe er von dort aus nicht mehr wahrgenommen, allerdings sei der Besuch nahe am Bett gesessen, sodass er nicht nähertreten habe wollen - auf, sich einer Atemluftalkoholuntersuchung zu unterziehen, was dieser ohne Angabe von Gründen verweigert habe. Die Frage, ob er sich über die Konsequenzen einer Verweigerung im Klaren sei, bejahte der Bw, worauf der Ml das Zimmer verließ.

Der Ml hat auf ausdrückliche Befragung angegeben, die in der Anzeigenbeilage angeführten Alkoholisierungsmerkmale hätten sich auf 3.30 Uhr bezogen, nämlich auf das Gespräch mit dem Bw an der Unfallstelle. Weitere Symptome seien ihm nicht aufgefallen, zumal er nicht darauf geachtet habe, wie der Bw vom Rücksitz seines Pkw in das Rettungsfahrzeug gelangt sei und ob er im Liegen oder sitzend befördert worden sei. Der Bw habe ihm beim Gespräch zu verstehen gegeben, dass er Alkohol zu sich genommen hatte, aber ein sofortiger Alkotest sei nicht durchgeführt worden. Um 9.06 Uhr seien Symptome auf eine Entfernung von ca 3 m nicht feststellbar gewesen.

Die Zeugin S hat nach eingehender Belehrung über ihr Entschlagungsrecht und die Wahrheitspflicht bestätigt, sie wolle aussagen, und hat ausgeführt, sie sei von der Gendarmerie verständigt worden, dass der Bw, ihr Lebensgefährte, einen Unfall - ohne schwerere Verletzung - gehabt habe und im Krankenhaus Ried sei. Sie habe ihn zusammen mit seinem Schwager am nächsten Morgen besucht, um ihm Sachen zu bringen. Er habe ihr den Vorfall - sinngemäß so wie in der Verhandlung geschildert - erzählt und gleich nach Hause gewollt, jedoch zur Entlassung auf den Arzt warten müssen.

Um 10.30 Uhr hat der Bw gegen Revers das Krankenhaus verlassen. Auf der Verletzungsanzeige steht die Diagnose "commotio cerebri", offensichtlich aus Gründen der Absicherung seitens des Krankenhauses, zumal der Bw selbst zugegeben hat, lediglich aus Opportunitätsgründen simuliert zu haben.

Der Bw hat seine Weigerung, sich einem Alkotest zu unterziehen, damit begründet, ihm sei im Krankenhaus um ca 5.00 Uhr von der diensthabenden Ärztin auf Verlangen und in Anwesenheit des Ml ohne seine Zustimmung Blut abgenommen worden, sodass er keinen Grund mehr für einen Alkotest gesehen habe; bei der Amtshandlung um 9.06 Uhr sei aber keine Zeit gewesen, seine Verweigerung zu begründen, weil der Ml so schnell das Zimmer verlassen gehabt habe. Dass er nach seiner Rückkehr nach Hause sogar noch die Nadel im Unterarm gehabt habe, hat die Zeugin S bestätigt.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheint diese Schilderung des Bw u.a. deshalb unglaubwürdig, weil sie trotz mehrmaliger Gelegenheit mehr als sieben Monate nach dem Vorfall erstmals auftaucht - ein Abwarten des Eintritts der Verjährung ist deshalb kein Argument, weil die Voraussetzungen des § 5 StVO für eine Blutabnahme nicht vorlagen, dh nie die Gefahr einer Tatanlastung gemäß § 5 Abs.1 StVO bestanden hätte - und außerdem in der mündlichen Verhandlung mit der sofortigen Zusicherung (auch dem Ml bei der Zeugenbefragung gegenüber), diesbezüglich nie etwas geltend machen zu wollen, erfolgte. Die Nadel im Arm des Bw ist letztlich als Beweis für den Wahrheitsgehalt seiner Schilderung ungeeignet, weil nicht ausgeschlossen ist, dass diese aus medizinischen Gründen vorsorglich (zB um bei einem "nochmaligen" Kollaps entsprechend rasch Hilfe leisten zu können) gesetzt wurde. Außerdem ist einem Patienten ein gewisses Maß an Mitarbeit dahingehend zuzumuten, einen Arzt vor der Entlassung zu ersuchen, eine (von ihm nicht gesetzte) Nadel zu entfernen - die in der Verhandlung seitens des Bw ansatzweise zum Ausdruck gebrachte Anschuldigung der Nachlässigkeit seitens des Krankenhauses R ist keinesfalls gerechtfertigt.

Dem Beweisantrag des Bw auf Zeugeneinvernahme der damals in der Unfallambulanz diensthabenden Ärztin war mangels Verfahrensgegenständlichkeit ebenso wenig Folge zu geben, wie dem Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens unter Miteinbeziehung der (nachgereichten) Berufungsbeilagen im Hinblick auf das Verfahrensergebnis (siehe unten).

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.2 2.Satz Z1 StVO 1960 sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht (außerdem) berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 14. Juni 1996, 96/02/0020, mit Hinweis auf Vorjudikatur) kann nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft nach Verstreichen eines Zeitraumes von sechs Stunden noch ein verwertbares Ergebnis mittels Alkomatmessung erwartet werden. Die belangte Behörde muss jedoch ausführen, welche Alkoholisierungssymptome zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest vorlagen, die vermuten lassen, der Lenker habe sich im Zeitpunkt des Lenkens eines Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden.

Im gegenständlichen Fall ist als Unfallzeit=Lenkzeit 2.55 Uhr des 4. März 2001 angeführt, wobei die in der Anzeigenbeilage genannten Alkoholisierungssymptome durch den Ml um 3.30 Uhr wahrgenommen wurden, nämlich "leichter Alkoholgeruch aus der Atemluft", "veränderte Sprache" (nach Aussagen des Ml ist diese Wahrnehmung relativ, weil er den Bw erstmals gesehen und daher dessen sonstige Sprechweise nicht gekannt habe) und "schläfriges Benehmen".

Anzeichen für eine stärkere Alkoholisierung bzw auffälligere Symptome bestanden offenbar nicht; dem Ml ist nichts dahingehend aufgefallen.

Um 9.06 Uhr, also etwa sechs Stunden nach dem Unfall, ist dem Ml nach eigenen Schilderungen kein Alkoholisierungsmerkmal am Bw aufgefallen; dies allerdings aus 3 m Entfernung ohne Anlass für eine nähere Prüfung.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind auf dieser Grundlage - an der Glaubwürdigkeit des Ml dahingehend besteht kein Zweifel - keine Gründe gegeben, die bezogen auf 9.06 Uhr des 4. März 2001 die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung beim Bw um 2.55 Uhr desselben Tages rechtfertigen und damit ein verwertbares Ergebnis einer Atemalkoholprüfung um 9.06 Uhr erwarten lassen.

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Kisch

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