Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-107881/8/Fra/Ri

Linz, 11.03.2002

VwSen-107881/8/Fra/Ri Linz, am 11. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn Dr. WD, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31. Juli 2001, VerkR96-3503-2-2000/B, betreffend Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z3 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 18 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 2.000 S, das sind 145,35 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 18. Mai 2001 um 14.59 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der A W bei Km 191,3 im Gemeindegebiet von S in Fahrtrichtung W gelenkt hat, wobei er bei einer Fahrgeschwindigkeit von 121 km/h einen Abstand von 0,47 sek = 16 m vom nächsten vor ihm fahrenden Kraftfahrzeug eingehalten hat, wodurch es ihm nicht mehr möglich gewesen wäre, rechtzeitig anzuhalten, wenn das vordere Fahrzeug abgebremst wird.

Ferner wurde gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

I.2. Über die dagegen rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Wesentliche Voraussetzung der Erfüllung der hier zu beurteilenden Tatbildmäßigkeit ist somit die plötzliche Abbremsung des vorderen Fahrzeuges. Im angefochtenen Straferkenntnis wird jedoch dem Bw vorgeworfen, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs keinen solchen Abstand eingehalten, der es ihm ermöglicht hätte, rechtzeitig anzuhalten, wenn das vordere Fahrzeug (lediglich) abgebremst wird. In dieser Formulierung des angefochtenen Schuldspruches fehlt somit das wesentliche Tatbestandsmerkmal der plötzlichen Abbremsung des vorderen Fahrzeuges. Die Umschreibung dieser Tathandlung entspricht jedoch nicht den Kriterien des § 44a Z1 VStG. Zu dieser Bestimmung gibt es eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. So muss nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt (siehe VwGH verstärkter Senat 8.5.1987, Slg. 12466A uva). Die als erwiesen angenommene Tat muss alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes enthalten, sie ist nach allen Wesensmerkmalen zu kennzeichnen (vgl. ua. VwGH vom 13.5.1983, 81/02/0100).

Im angefochtenen Schuldspruch wird behauptet, dass es dem Bw als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges bei einer Fahrgeschwindigkeit von 121 km/h und einem Abstand von 0,47 sek. = 16 m nicht möglich gewesen wäre, sein Fahrzeug anzuhalten, wenn das vordere Fahrzeug abgebremst wird. § 18 Abs.1 StVO 1960 fordert jedoch die Einhaltung eines Abstandes, der es dem Fahrzeuglenker ermöglicht, rechtzeitig vor einem ihm fahrenden Fahrzeug anzuhalten, wenn dieses plötzlich abgebremst wird. Nun könnte man die Ansicht vertreten, dass die Einhaltung eines Abstandes, der es dem Fahrzeuglenker nicht ermöglicht, das von ihm gelenkte Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten, wenn das vordere Fahrzeug lediglich "normal" abgebremst wird, umso mehr den Tatbestand des § 18 Abs.1 StVO 1960 erfüllt. Bei der Annahme einer gefahrenen Geschwindigkeit von 121 km/h und der Einhaltung eines Abstandes von 0,47 sek = 16 m, kann jedoch dieser Rückschluss nicht gezogen werden, weil bei einer leichten bzw. "normalen" Bremsung des Vorderfahrzeuges ein rechtzeitiges Anhalten durchaus denkbar wäre. Mit der Formulierung des angefochtenen Schuldspruches hat die belangte Behörde in Wahrheit dem Bw ein Verhalten zur Last gelegt, welches nicht den Tatbestand des § 18 Abs.1 StVO 1960 erfüllt, weil darin nicht die Art (nämlich die plötzliche) Bremsung des Vorderfahrzeuges zum Ausdruck kommt. Da während der Verfolgungsverjährungsfrist eine taugliche Verfolgungshandlung nicht gesetzt wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Dies hatte der Oö. Verwaltungssenat von Amts wegen aufzugreifen. In diesem Zusammenhang muss ein weiterer Spruchmangel insofern erwähnt werden, als die Tatzeit mit 18. Mai 2001 angeführt ist. Tatsächlich ereignete sich der spruchgemäße Sachverhalt am 18. Mai 2000. Dieser Mangel wäre jedoch sanierbar gewesen, weil in der Strafverfügung der belangten Behörde desselben Datums die richtige Tatzeit angeführt ist.

Da während der Verfolgungsverjährungsfrist keine den Kriterien des § 44a Z1 VStG genügende Verfolgungshandlung gesetzt wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Dem Oö. Verwaltungssenat war es daher verwehrt, eine - unter der Prämisse des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes - entsprechende Korrektur vorzunehmen. Auf die vom Bw bestrittene Tauglichkeit der Messmethode war aus den genannten Gründen nicht einzugehen.

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r