Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107924/2/BI/La

Linz, 29.11.2001

VwSen-107924/2/BI/La Linz, am 29. November 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn O S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J L, vom 18. Oktober 2001 (Datum des Poststempels) gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 1. Oktober 2001, VerkR96-3708-1-2000, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 2.Alt. und 66 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem oben angeführten Straf-erkenntnis über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 3.000 S (4 Tage EFS) verhängt, weil er am 5. August 2000 um ca. 4.00 Uhr den Kombi (deutsches Kennzeichen) im Gemeindegebiet von W auf der N Gemeindestraße in Richtung B 121 gelenkt habe, wobei sein Verhalten bei Strkm 0.120 zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in einem ursächlichen Zusammenhang gestanden sei, er es jedoch unterlassen habe, an der Sachverhaltsfeststellung konkret mitzuwirken, da er gegenüber einem einschreitenden Sicherheitswacheorgan als Fahrzeuglenker W G angegeben habe, obwohl er späteren Angaben zufolge Fahrzeuglenker dieses Fahrzeuges gewesen sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 300 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1VStG).

3. Der Bw macht im Rechtsmittel geltend, seine Aussage vor dem GP W sei darauf zurückzuführen, dass ihm DI G W unmittelbar nach dem Unfall diese Stellungnahme eingetrichtert habe und er überdies unter Schock gestanden sei. Dieser Schockzustand müsse schon auf Grund der Erfahrungen des täglichen Lebens aus der Art des Unfalls klar sein. Er habe auch die erlittenen Prellungen nicht gespürt und dem anwesenden Arzt mitgeteilt. W habe im Schock den Unfallort verlassen und sei von der Feuerwehr auf der Straße nach G gefunden worden. Dr. K habe bei ihm keine Verletzungen festgestellt, weil er keine äußeren Verletzungen aufgewiesen habe.

Die unterschwelligen Unterstellungen einer Alkoholisierung seinerseits stammten aus "vertraulichen Mitteilungen", die aber keine geeigneten Beweise seien. Die Erst-instanz tue nun seinen Schockzustand als Schutzbehauptung ab, obwohl bei Würdigung des Gesamtereignisses bei einem normalen Durchschnittsmenschen ein Schockzustand nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit Sicherheit anzunehmen sei.

Selbst wenn man von diesen fälschlichen Voraussetzungen ausgehe, sei § 4 Abs.1 lit.c StVO nicht erfüllt. Er habe als Lenker des auf W zugelassenen Kfz einen Verkehrsunfall verschuldet, bei dem dieser verletzt worden sei, sodass er als Beschuldigter in einem allfälligen Strafverfahren in Betracht gekommen sei. Als solcher stehe ihm aber das Recht zu, sich zu einem Geständnis zu entscheiden oder nicht. Dazu könne er durch § 4 Abs.1 lit.c StVO nicht gezwungen werden. Es stehe ihm auch das Recht zu, nicht der Wahrheit entsprechende Angaben zu machen. Er sei an der Unfallstelle durch die Gendarmerie gar nicht gefragt worden, wer Lenker des Kfz gewesen sei, und er habe den Unfall so beschrieben, wie er sich aus seiner Sicht zugetragen hatte. Sein freiwilliges Geständnis vor dem GP W vom 6.8.2000, dass er selbst der Lenker sei, habe nun dazu geführt, dass ihm mangelnde Mitwirkung an der Sachverhaltsdarstellung vorgeworfen werde, dh er hätte, um einem Verwaltungsstrafverfahren zu entgehen, bei seinen falschen Behauptungen vom 5.8.2000 bleiben müssen. Die Erstinstanz habe laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses sogar immer noch Zweifel, ob tatsächlich er der Lenker gewesen sei, dh der Tatbestand des § 4 Abs.1 lit.c StVO wäre nicht erfüllt, weil er ja ohnehin am 5.8.2000 die Wahrheit gesagt hätte. Das gegenständliche Verfahren hätte also gar nicht eingeleitet werden dürfen, weshalb er dessen Einstellung beantrage.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw zusammen mit dem Zulassungsbesitzer des Pkw, DI G W, am 5.8.2000 gegen 4.00 Uhr auf der N Gemeindestraße von N kommend Richtung B121 unterwegs war, wobei es bei Km 0.120 zu einem Verkehrsunfall kam, bei dem das Fahrzeug in einer Kurve geradeaus weiter- und über eine ca 15 m steil abfallende Böschung auf die Bahntrasse der K R-Bahn fuhr, wobei die Oberleitung abriss und zu Boden hing, sodass beim Verlassen des Fahrzeuges für beide Insassen die Gefahr eines Stromschlages bestand. Sie konnten sich aber letztlich ohne fremde Hilfe befreien. DI W hatte die Unfallstelle verlassen und wurde auf der B121 zu Fuß angetroffen. Der Bw schilderte laut Anzeige an der Unfallstelle RI G (Ml) (GP W), RI G (GP G) und mehreren Schaulustigen gegenüber, W sei der Lenker gewesen; er selbst habe nur leichte Prellungen erlitten, habe Kreuzschmerzen, werde aber keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.

DI W wurde beim Unfall verletzt und ins Krankenhaus W/Y eingeliefert, jedoch am 6.8.2000 entlassen. Bei ihm wurden um 5.35 Uhr des 5.8.2000 im KH W von RI H Alkoholisierungssymptome (leichter Alkoholgeruch der Atemluft, veränderte Sprache und eine deutliche Rötung der Augenbindehäute) festgestellt, er verweigerte jedoch den Alkotest, zu dem er über Ersuchen des Ml aufgefordert worden war insofern, als kein verwertbares Messergebnis erzielt wurde. Die Blutprobe ergab laut Gutachten der BBSU L einen Blutalkoholwert rückgerechnet auf die Unfallzeit von 0,92 %o.

Laut Anzeige des Ml stellte dieser an der Unfallstelle beim Bw starken Alkoholgeruch aus dem Mund fest. Durch nachfolgende Erhebungen (die laut Anzeige auf Grund vertraulicher Mitteilungen durchgeführt wurden) ergab sich, dass sich sowohl der Bw als auch DI W zuvor im Hotel Post in W aufgehalten hatten.

Festgestellt wurde auch, dass für den Pkw, an dem Totalschaden entstanden war, eine personenbezogene Kaskoversicherung bestand.

Der Bw wurde am 5.8.2000 um 10.00 Uhr beim GP W, RI S, einvernommen. Er bestätigte den Aufenthalt im Hotel Post in W und gab an, dort zwischen 23.00 Uhr des 4.8.2000 und 3.30 Uhr des 5.8.2000 einige Seidel Leichtbier getrunken zu haben. DI W habe ihm von seinem BMW erzählt und sie seien gemeinsam losgefahren, wobei W den Pkw gelenkt habe. Dabei sei der Unfall passiert.

Am 6.8.2000, 11.00 Uhr, erschien der Bw nochmals beim GP W und gab an, er wolle seine Aussage vom Vortag korrigieren. Er gab nunmehr an, DI W habe ihm angeboten, er möge ihn nach Hause bringen und könne dabei gleich den Pkw testen, was er auch getan habe, dh beim Unfall habe nicht W, sondern er selbst den Pkw gelenkt. Dieser habe wiederholt auf ihn eingeredet, dass der Pkw nur dann vollkaskoversichert sei, wenn er als Lenker aufscheine. Aus diesem Grund habe er falsche Angaben bei seiner Einvernahme gemacht. Er könne das nur mit seinem Zustand nach dem Verkehrsunfall und dem Wunsch W erklären.

Am 6.8.2000 um 12.05 Uhr wurde DI W beim GP W durch den Ml einvernommen und gab an, er habe im Hotel Post dem Bw erzählt, er habe vor, seinen BMW zu verkaufen. Da er einige Radlerseidel getrunken hatte, habe er dem interessierten Bw angeboten, das Fahrzeug zu lenken, um es auch gleich zu testen. Beim Unfall habe der Bw den Pkw gelenkt. Danach habe er ihn dahingehend beeinflusst, ihn als Lenker anzugeben, weil der Pkw nur vollkaskoversichert sei, wenn er selbst gefahren sei.

Im Rahmen seiner Einvernahme vor der Erstinstanz am 11. September 2000 hat DI W seine Aussage vom 6.8.2000 inhaltlich wiederholt und angegeben, ihm sei bewusst gewesen, dass die Vollkaskoversicherung für das 500.000 S teure Auto nur dann zahlen werde, wenn er selbst als Lenker aufscheine. Deshalb und auf Grund seines Schockzustandes nach dem Unfall habe er den Bw ersucht, einvernehmlich ihn als Lenker anzugeben, obwohl tatsächlich der Bw den Pkw gelenkt habe. Dass er Beifahrer gewesen sei, lasse sich auch aus seinen Verletzungen, nämlich Abschürfungen und "Verbrennungen", im oberen Brustbereich und auf der rechten Schulter erschließen.

Seitens der Staatsanwaltschaft Steyr wurde dem Bw mit Schreiben vom 29. September 2000 mitgeteilt, dass ihm ein Strafverfahren wegen § 88 Abs.1 StGB wegen des oben angeführten Vorfalls drohe (wobei ausdrücklich vom Bw als Lenker des Pkw ausgegangen wurde). Das Strafverfahren unterbleibe bei Zahlung eines Betrages von 8.500 S im Wege der Diversion.

Die Anzeige gegen den Bw wegen § 88 Abs.1 wurde laut Mitteilung vom 13. Oktober 2000, 18 BAZ 239/00a, von der Staatsanwaltschaft Steyr gemäß § 90c Abs.5 StPO zurückgelegt.

Mit Ladungsbescheid vom 2. Oktober 2000 wurde seitens der Erstinstanz gegen den Bw ein Verwaltungsstrafverfahren wegen §§ 5 Abs.1, 20 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.c, 4 Abs.1 lit.c und 4 Abs.2 StVO eingeleitet, dieses allerdings laut Aktenvermerk vom 11. Jänner 2001 hinsichtlich §§ 5 Abs.1 und 20 Abs.1 iVm 99 Abs.2 lit.c StVO gemäß § 99 Abs.6 lit.c StVO, hinsichtlich § 4 Abs.2 StVO laut Aktenvermerk vom 1. Oktober 2001 wegen Nichterweisbarkeit eingestellt.

Daraufhin wurde das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf der Grundlage des laut Akteninhalt festgestellten Sachverhalts, der hinreichend geklärt scheint, sodass eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, zu der Auffassung, dass die nunmehrige Verantwortung des Bw in Verbindung mit der Aussage von DI W, der eine nachvollziehbare Erklärung für seine mit dem Bw getroffene "Vereinbarung" angesichts der Situation, in der sich beide Pkw-Insassen nach dem Unfall befunden haben, geboten hat, glaubwürdig ist, dh es besteht kein Anhaltspunkt für Zweifel dahingehend, dass der Bw tatsächlich den Pkw gelenkt hat.

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl Erk v 25.2.1983, 81/02/0162) erfüllt zwar Entfernen von der Unfallstelle vor Abschluss der Erhebungen den Tatbestand des § 4 Abs.1 lit.c StVO, diese Bestimmung dient aber nicht dazu, ein Geständnis zu erzwingen. - Durch § 4 Abs.1 lit.c StVO ist eine allgemeine Aussagepflicht, wie sie etwa für Zeugen besteht, nicht umfasst. Die Behauptung, am Zustandekommen eines Unfalles nicht beteiligt und nur Zeuge desselben zu sein, stellt ebenso wenig eine Verletzung des § 4 Abs.1 lit.c StVO dar wie das Bestreiten eines Verschuldens an einem Verkehrsunfall (vgl Erk v 28.1.1985, 85/18/0008).

Auch im Erkenntnis vom 26.5.1993, 92/03/0008, hat der VwGH ausgesprochen, dass § 4 Abs.1 lit.c StVO nicht dazu dient, unter Strafdrohung ein Geständnis zu erzwingen. Der Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach dieser Bestimmung wird auch nicht von jener Person verwirklicht, die zunächst ein Verschulden am Verkehrsunfall bestritten hat. Im zugrundeliegenden Fall wurde dem Beschwerde-führer zur Last gelegt, er habe es - zum Personenkreis des § 4 Abs.1 StVO gehörend - unterlassen, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, "zumal er an der Unfallstelle bei der Unfallsaufnahme vorerst bestritten habe, der Lenker des Kombi gewesen zu sein". Damit hat die Behörde zum Ausdruck gebracht, dass er verpflichtet gewesen wäre, seine "Beteiligung" am Unfall zuzugeben, dh ein Geständnis abzulegen. Diese Verpflichtung ergibt sich jedoch aus dieser Gesetzes-stelle nicht. Der angefochtene Bescheid wurde hinsichtlich § 4 Abs.1 lit.c StVO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts behoben.

Nach der Rechtsansicht des Unabhängige Verwaltungssenates ist die zitierte Judikatur auf den gegenständlichen Fall deshalb anzuwenden, weil auch hier dem Bw letztlich zum Vorwurf gemacht wird, kein (bzw zu spät ein) Geständnis dahingehend abgelegt zu haben, dass er selbst der Lenker war.

Auf dieser Grundlage war gemäß § 45 Abs.1 Z1 2.Alt. VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen, weil die dem Bw zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet. Es erübrigt sich daher, auf die weiteren Berufungsargumente einzugehen. Naturgemäß fallen auch keine Verfahrenskosten-beiträge an.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: § 4 Abs.1 lit.c StVO sieht keinen Zwang zur Selbstbeschuldigung vor und dient nicht dazu, unter Strafdrohung ein Geständnis zu erzwingen - Einstellung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum