Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-108002/10/Fra/Ka

Linz, 13.02.2002

VwSen-108002/10/Fra/Ka Linz, am 13. Februar 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn SB, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. HK, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. vom 5.11.2001, VerkR96-1970-1-2001, betreffend Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4.2.2002, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/I. hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 2.500 S (EFS 50 Stunden) verhängt, weil er am 9.3.2001 um ca. 15.30 Uhr als Lenker des PKW, Mercedes, Probefahrtkennzeichen auf der B 141 im Bereich zwischen Strkm. 19,0 und 20,0 in Fahrtrichtung Ried i.I. zwei PKW und einen Kraftwagenzug trotz Gegenverkehr überholt hat, wobei sowohl die von ihm überholten Fahrzeuge als auch die Fahrzeuge im Gegenverkehr behindert wurden, weil diese ihre Fahrzeuge abbremsen mussten, damit er sich nach dem Überholvorgang vor den überholten Fahrzeugen einordnen konnte.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/I. - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 726,00 EUR (entspricht 9.989,98 ATS) nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

3. Der Bw machte als Berufungsgründe unrichtige Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Unter dem Aspekt der unrichtigen Beweiswürdigung bemängelt der Bw, dass sich die belangte Behörde allein auf die Aussagen der einvernommenen Zeugin stütze. Es falle auf, dass die Zeugin BD sich zwar grundsätzlich an den 9.3.2001 erinnern könne; was aber die konkreten Zeitangaben betreffe, so seien diese lediglich spekulativ bzw sehr ungenau. Die Zeugin habe ua. anlässlich ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben, dass sie in etwa zwischen 15.30 Uhr und 15.45 Uhr nach Hause gekommen, weiters, dass er um ca. 16.00 Uhr nach Waldzell gekommen sei. Da es in dieser Verwaltungsstrafrechtscausa um die Frage von konkreten Zeitpunkten gehe, wäre eine exaktere Befragung notwendig gewesen. Er habe deshalb beantragt, die Zeugin neuerlich unter Anwesenheit seines Vertreters Herrn Dr. HK einzuvernehmen. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wäre es unbedingt notwendig gewesen, diese Ungenauigkeiten durch eine detaillierte und exaktere Befragung zu beseitigen. Warum die belangte Behörde seinem Antrag keine Folge gegeben habe, sei nicht ersichtlich. Die belangte Behörde habe den von ihm gestellten Antrag auch nicht abgewiesen. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte somit die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass er am 9.3.2001 bereits um 15.07 Uhr in Waldzell bei der Zeugin D gewesen sei.

Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bringt der Bw vor, dass, wenn man von einem Verschulden seinerseits ausgehe, die Voraussetzung des § 21 VStG vorliegen würden. Sein Verschulden sei gering und die Folgen der Übertretung seien unbedeutend. Weil die belangte Behörde diesen Umstand gänzlich außer Acht gelassen habe, sei der festgestellte Sachverhalt unrichtig rechtlich beurteilt worden.

Der Bw stellt an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich den Antrag auf Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung sowie Stattgebung seiner Berufung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

4. Aufgrund des Berufungsvorbringens und der gestellten Anträge hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt. Diese wurde am 4.2.2002 durchgeführt. Beweis aufgenommen wurde durch Einvernahme der Zeugen Ing. GS sowie Frau BD.

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Strittig ist die Tatzeit. Die belangte Behörde stützt den von ihr im angefochtenen Schuldspruch angeführten Sachverhalt, insbesondere was auch die Tatzeit betrifft, auf die Aussage der oa Zeugen. Die Zeugin D gab bei ihrer Einvernahme am 20.7.2001 vor der belangten Behörde an, sich an den 9.3.2001 noch erinnern zu können. Am 7.3.2001 sei ihr im Zuge der Scheidung das Einfamilienhaus W, zugesprochen worden und sie hätte die Schulden für dieses Haus übernehmen müssen. Am 9.3.2001 habe sie Herr SB in ihrem Café N in Ried/I. angerufen und habe einen Termin wegen einer eventuellen Umschulung vereinbaren wollen. Herrn B habe sie vorher noch nie gesehen. Ihr Anwalt hätte ihr jedoch bei der Scheidung gesagt, dass er ihr diesbezüglich jemanden vorbeischicken wird. Herr B habe auf einen ehestmöglichen Termin gedrängt, weshalb sie mit ihm vereinbart habe, dass sie sich am späten Nachmittag bei ihr zu Hause treffen. Sie sei in etwa zwischen 15.30 Uhr und 15.45 Uhr nach Hause gekommen und etwas später um ca. 16.00 Uhr sei auch Herr B nach W gekommen. Er sei mit einem Mercedes mit blauem Kennzeichen gefahren.

Bei der Berufungsverhandlung wiederholte die Zeugin D im Wesentlichen ihre bereits vor der Erstinstanz getätigte Aussage und konnte somit den Bw hinsichtlich der Tatzeit nicht entlasten.

Herr Ing. S wohnhaft in L, der eigentliche Tatzeuge, schilderte bei der Berufungsverhandlung, dass er am 9.3.2001 auf der B 141 in Fahrtrichtung Ried/I. privat unterwegs gewesen sei. An den Überholvorgang könne er sich noch dunkel erinnern. Er habe im Rückspiegel gesehen, dass ein Auto hinter ihm sehr "presst". Ca. auf der Höhe einer Mercedesniederlassung bzw -werkstatt habe der Überholvorgang stattgefunden. Vor ihm seien drei oder vier Autos gefahren. Der Überholvorgang habe in einem beschilderten Überholverbotsbereich stattgefunden. Zur Uhrzeit könne er keine Angaben mehr machen. Beim überholenden Fahrzeug handelt es sich um ein neues Modell der Marke Mercedes C mit dem Probefahrtkennzeichen. Aufgrund einer Anzeige bzw Beschwerde sei ihm von der Mercedesniederlassung mitgeteilt worden, dass kein Fahrzeug das oa Kennzeichen zugelassen auf die genannte Firma, aufweise. Er habe auch vor der Gendarmerie angegeben, dass dort ein Überholverbot beginnt und dass einige Fahrzeuge überholt wurden, deren Lenker abbremsen mussten, damit sich das überholende Fahrzeuge wieder einordnen konnte. Der Zeuge schilderte auch, dass vor ihm kein LKW gefahren sei, sondern es sich beim zweiten oder dritten vor ihm fahrenden Fahrzeug um einen LKW handelte. Nach seiner Erinnerung handelt es sich um einen Klein-LKW oder um einen Kleinbus. Nach Vorhalt in der Anzeige, dass vor ihm ein LKW der Firma Spar mit Anhänger gefahren sei, gab der Zeuge an, dass das schon stimmen könne. Er habe deshalb erkennen können, dass vor diesem LKW noch weitere Fahrzeuge fuhren, weil er selbst versucht habe, zu überholen. Er sei erst nach einem Krankenhausbesuch in Ried/I. zum GP Ried/I. gefahren. Es sei durchaus möglich, dass er zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr im Krankenhaus war.

Aufgrund der Schilderung dieses Zeugen konnte der Oö. Verwaltungssenat nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon überzeugt werden, dass der spruchgemäße Sachverhalt mit allen seinen rechtserheblichen Merkmalen erwiesen ist.

Zutreffend ist zwar, dass ein Probefahrtkennzeichen existiert. Dass dem Zeugen S ein Ablesefehler unterlaufen ist, ist nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Widersprüchlich ist jedoch die Aussage des Zeugen Ing. S hinsichtlich der Farbe. Vor der Gendarmerie hat Herr S angegeben, dass es sich um ein blaues Fahrzeug gehandelt hat. Die Farbe des PKW´s mit dem Kz.: ist jedoch unwidersprochen amethyst-violett. Der Zeuge S hat bei der Berufungsverhandlung auch von einem Überholvorgang im Bereich eines beschilderten Überholverbotes gesprochen und über Vorhalt bzw Befragung auch angegeben, dass er dies auch vor der Gendarmerie erwähnt habe. In der Gendarmerieanzeige ist jedoch von einem Überholvorgang im beschilderten Überholverbotsbereich nicht die Rede. Dem Argument des Bw, es sei kaum vorstellbar, dass einem derartig relevanten Umstand bzw Tatbestandselement seitens der Exekutive kein Interesse zugedacht wird, muss beigepflichtet werden. Der Zeuge S hat weiters angegeben, dass er nach dem von ihm wahrgenommenen Vorfall im Krankenhaus in Ried/I. einer Patientin den Besuch abstattete und es durchaus möglich sei, dass er dort zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr war.

Ein schlüssiger Beweis für das dem Bw zur Last gelegte Verhalten kann somit aufgrund der vom Oö. Verwaltungssenat aufgenommenen Beweise nicht abgeleitet werden, wobei in diesem Zusammenhang auf § 51i VStG hinzuweisen ist, der den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens normiert. Nach dieser Bestimmung ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

Der Berufung war daher aufgrund der Zweifelsregel "in dubio pro reo" stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

6. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum