Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108004/5/Sch/Ka

Linz, 03.01.2002

VwSen-108004/5/Sch/Ka Linz, am 3. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des H vom 10.12.2001, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 26.11.2001, VerkR-380/01, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat mit Straferkenntnis vom 26.11.2001, VerkR-380/01, über Herrn H, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 82 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.d StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er es verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten habe, dass er am 31.3.2001 um 15.30 Uhr in Steyr, zwischen den Häusern Nr. und Nr., Zeitungen und Flugzettel an Passanten verteilt und somit diese öffentliche Verkehrsfläche zu einem verkehrsfremden Zweck genutzt habe, ohne dass die erforderliche Bewilligung des Magistrates der Stadt Steyr erteilt worden wäre. Dies stelle eine Übertretung der Bestimmung einer Straßenverkehrsordnung dar.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 100 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Der Berufungswerber begründet sein Rechtsmittel damit, er habe unentgeltlich Zeitschriften mit politischem, nicht kommerziellem Inhalt verteilt. Er verweist auf einen Erlass des Bundesministeriums für Inneres und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine solche Tätigkeit nicht bewilligungspflichtig sei.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurden vom Oö. Verwaltungssenat die verteilten Zeitschriften bzw Broschüren beigeschafft. Deren Inhalt kann zweifelsfrei nicht als kommerzielle Werbung verstanden werden, sondern ist als politische Aussage zu qualifizieren. So werden etwa Äußerungen von Politikern oder sonstigen Persönlichkeiten wiedergegeben bzw kommentiert. Auch befindet sich beispielsweise eine Auflistung des angeblichen Ausländeranteils in Wiener Schulen bzw an Kriminaldelikten darunter.

Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich in seinem Erkenntnis vom 28.4.1993, 92/02/0204, folgende Rechtsauffassung vertreten:

"Das Verteilen politischer Propagandaschriften - der Beschwerdeführer hatte Flugblätter mit den Golfkrieg 1991 betreffendem Inhalt verteilt - hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Juni 1969, Zl. 1395/67, nicht als gemäß § 82 Abs.1 (erster Satz) StVO bewilligungspflichtig angesehen. Richtig ist zwar, daß gewerbliche Tätigkeiten und (Wirtschafts-) Werbung in dieser Gesetzesstelle lediglich als Beispiele verkehrsfremder Tätigkeiten angeführt sind, dennoch sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall zu einer Änderung seiner Rechtsprechung nicht veranlaßt: Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte jedenfalls zunächst um eine Bewilligung ansuchen müssen, die Behörde würde sodann untersuchen, ob die verkehrsfremde Tätigkeit eine Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs darstelle, sei keine wesentliche Beeinträchtigung zu erwarten, würde die Bewilligung erteilt, kann nämlich im Einzelfall Ergebnisse nach sich ziehen, die das bei verfassungskonformer Interpretation mitzuberücksichtigende Grundrecht der freien Meinungsäußerung ad absurdum führen. Wollte man nämlich Bewilligungspflicht bei jeder noch so geringfügigen abstrakten Gefährdung oder Beeinträchtigung annehmen, würde allein durch die Dauer des Bewilligungsverfahrens eine sofortige Reaktion auf aktuelle Ereignisse durch das Verteilen politischer Druckschriften verhindert. Bis zum Abschluß des Bewilligungsverfahrens könnte so viel Zeit vergehen, daß Tagesereignisse, zu denen eine Meinungsäußerung beabsichtigt wird, in der Öffentlichkeit längst in Vergessenheit geraten sind, womit die Meinungsäußerung ins Leere ginge."

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch zum Ausdruck gebracht, dass die lediglich abstrakte Eignung der politischen Flugblattwerbung zur Herbeiführung von Menschenansammlungen auf einem Gehsteig (bzw wohl auch in einer Fußgängerzone) nicht ausreichend ist für die Annahme einer Bewilligungspflicht. Wollte man nämlich die Bewilligungspflicht schon bei jeglicher Eignung, eine Menschenansammlung herbeizuführen, annehmen, wäre eine Meinungsäußerung in dieser Form nur an solchen Orten und zu solchen Zeiten bewilligungsfrei, bei denen es weitgehend an Adressaten fehlt.

Der Berufung hatte somit Erfolg beschieden zu sein und war das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

zu II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180,00 Euro (entspricht 2.476,85 Schilling) zu entrichten.

S c h ö n

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