Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-108025/2/Ga/La

Linz, 11.01.2002

VwSen-108025/2/Ga/La Linz, am 11. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des U M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 17. Dezember 2001, Zl. VerkR96-15214-2001 Bru, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Bescheid vom 17. Dezember 2001 wurde der Antrag des Berufungswerbers vom 29. November 2001 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

Die belangte Behörde hat die Abweisung auf § 71 Abs.1 Z1 AVG gestützt und begründend im Wesentlichen ausgeführt:

"Gemäß § 71 Abs.1 Ziffer 1 AVG 1991 ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Sie begründen Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dahingehend, dass Ihrer Anwaltskanzlei von der Allianz Rechtsschutz Service GmbH. in L mit Telefax ein Schreiben mit dem Auftrag übermittelt wurde, die rechtlichen Interessen der Versicherungsnehmerin G M wahrzunehmen. Zugleich wurde dem Schreiben die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft betreffend ein Verwaltungsstrafverfahren gegen U M beigelegt.

Kanzleiintern erteilte RA. Dr. L seiner Angestellten Frau S H den Auftrag, einen Akt anzulegen und zugleich gegen die Strafverfügung einen Einspruch abzufassen. Nachdem als Versicherungsnehmer im Auftragsschreiben der Allianz Rechtsschutz Service GmbH. Frau G M angeführt ist, wurde von Frau H der Handakt lautend auf den Namen G M angelegt und auch in der EDV erfasst und in weiterer Folge ein Einspruch gegen die Strafverfügung unter dem Namen Gudrun Müller ausgedruckt. Hiebei wurde von der Kanzleikraft übersehen, dass das Verwaltungsstrafverfahren nicht gegen G M sondern gegen U M geführt wird.

Frau H hat dann vor Dienstschluss den von ihr ausgedruckten Einspruch sowie die übrige von ihr erstellte Korrespondenz Herrn Dr. L zur Unterschrift vorgelegt, wobei dieser Einspruch von Dr. L unterfertigt wurde, ohne zu erkennen, dass dieser auf den Namen U M hätte lauten müssen.

Laut eidesstattiger Erklärung von Frau H war für Dr. L nicht erkennbar, dass im Einspruch gegen die Strafverfügung ein unrichtiger Name aufscheint, da zur Unterfertigung der Schriftstücke aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht der gesamte Akt vorgelegt wird.

Nach Ansicht der hs. Behörde begründet diese Darstellung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Es ist Sache des Antragstellers, das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes nach Abs.1 Ziff.1 nicht nur zu behaupten, sondern auch glaubhaft zu machen.

Unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 AVG ist dem Grundsatz nach auch für diesen Berufungsfall festzuhalten, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken - ohne nähere Beaufsichtigung - einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen darf. Hingegen ist im ggst. Fall nach ho. Ansicht sehr wohl der Anwalt selbst dafür verantwortlich zu prüfen, gegen welche Person Einspruch eingebracht wird, zumal die ggst. Strafverfügung dem Auftrag der Allianz Rechtsschutz Service GmbH. beigefügt war. Der Antragsteller hätte daher bei Aufwendung von einem gewissen Maß an Sorgfalt das Ereignis vorhersehen und somit abwenden können."

Der Berufungswerber beantragte Aufhebung und die Durchführung einer Verhandlung. Zur Begründung seines Rechtsmittels brachte er vor:

"Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass es sich bei der Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung gerade um einen solchen von der Erstbehörde angeführten 'technischen Vorgang' handelt, welcher mit Unterstützung der in Rechtsanwaltskanzleien üblicherweise zur Anwendung gelangenden Computerprogramme von einer verlässlichen Kanzleikraft selbsttätig abgewickelt wird. In der gefertigten Rechtsanwaltskanzlei werden jährlich durchschnittlich ca. 200 Einsprüche in Verwaltungsstrafverfahren, sowie in straf- und zivilgerichtlichen Verfahren erhoben, weshalb davon auszugehen ist, dass es sich dabei um reine Routinearbeiten handelt, welche berechtigterweise an dazu geschulte und verlässliche Kanzleimitarbeiter delegiert werden dürfen. Es liegt auf der Hand und wird auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt, dass nicht sämtliche in einer Rechtsanwaltskanzlei anfallenden Routinearbeiten bis ins kleinste Detail vom Rechtsanwalt überwacht werden können, sondern dieser bei der Erledigung derselben eben auf seine verlässlichen Mitarbeiter angewiesen ist und dies gilt umso mehr, wenn ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin Jahre hindurch verlässlich und fehlerfrei gearbeitet hat. Dies trifft im gegenständlichen Fall auf Frau S H zu, die hunderte Einsprüche fristgerecht und inhaltlich richtig abgefasst und zur Unterschrift vorgelegt hat.

Im gegenständlichen Fall ist es lediglich zur Verwechslung des Vornamens gekommen, hingegen wurden alle übrigen Identifizierungsmerkmale wie Familienname, Adresse, Aktenzahl der Behörde, richtig angeführt, weshalb für jedermann ersichtlich gewesen ist, dass sich der Einspruch in Wahrheit auf meine Person bezieht und nicht auf Frau G M, sohin hinsichtlich des Vornamens ein reiner Schreibfehler vorliegt.

Es wäre der Erstbehörde nicht schlecht angestanden, durch einen Telefonanruf in der gefertigten Rechtsanwaltskanzlei auf diesen Irrtum hinzuweisen und mir dadurch die Möglichkeit zu eröffnen, diesen Fehler zu beheben und noch fristgerecht bis zum 08.11.2001 einen korrekten Einspruch zu erheben. In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, dass die Behörde gemäß § 13 AVG nicht nur berechtigt sondern sogar verpflichtet ist, bei Formgebrechen dem Einschreiter deren Behebung zu ermöglichen. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass den Verwaltungsverfahrensgesetzen jeglicher Formalismus fremd ist, weshalb der Begriff des Formgebrechens überdies weit auszulegen ist. Nachdem - wie bereits oben ausgeführt wurde - in meinem Einspruch vom 29.10.2001 der Familienname, die Adresse und die Aktenzahl der Behörde richtig angeführt waren und lediglich ein unrichtiger Vorname verwendet wurde, wäre für die Erstbehörde wohl leicht erkennbar gewesen, dass es sich beim unrichtigen Vornamen um einen offensichtlichen Irrtum bzw. um ein offensichtliches Versehen handelt, dessen Behebung hätte ermöglicht werden müssen.

Die Erstbehörde hat es aber vorgezogen, die Einspruchsfrist verstreichen zu lassen und hat erst mit Schreiben vom 12.11.2001 meinen Rechtsvertreter auf den Irrtum aufmerksam gemacht.

Dadurch, dass die Erstbehörde mir keine Möglichkeit gegeben hat, meine Eingabe im Sinne des § 13 (3) AVG zu verbessern, wurde ich in meinem verfassungsmäßigen Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Rechter verletzt (VfGH 09. 10.1965, Slg 5082).

Die Erstbehörde verkennt in der Begründung des angefochtenen Bescheides aber auch die bestehende Rechtslage insoferne, als gemäß § 71 (1) Zif. 1 AVG ein minderer Grad des Versehens einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen steht.

Das bloße Verwechseln des Vornamens bei gleichzeitigem richtigen anführen des Familiennamens, der Adresse und der Aktenzahl der Behörde durch die Kanzleimitarbeiterin, Frau S H einerseits und das Nichterkennen dieses Fehlers durch meinen Rechtsvertreter andererseits ist jedenfalls als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte bewilligt werden müssen.

Die Erstbehörde hat jedoch im angefochtenen Bescheid die Wertung des Grades des Verschuldens gar nicht vorgenommen, sondern lediglich ausgeführt, dass bei Aufwendung von einem gewissen Maß an Sorgfalt das Ereignis vorhersehbar und abwendbar gewesen wäre. Letzteres ist naturgemäß zutreffend, das jedes Versehen einen gewissen Mangel an Sorgfalt indiziert. Das Gesetz toleriert jedoch einen solchen Mangel an Sorgfalt mit der Maßgabe, dass dieser eben als minderer Grad des Versehens zu werten ist. Eine solche Wertung hat jedoch die Erstbehörde gar nicht vorgenommen, weshalb der angefochtene Bescheid auch insoferne mit Rechtwidrigkeit behaftet ist."

Über diese Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat - ohne dass eine öffentliche Verhandlung durchzuführen war (§ 51e Abs.2 Z1 VStG) - nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde erwogen:

Der Verantwortung des Berufungswerbers vermag der Oö. Verwaltungssenat nicht entgegen zu treten. Das Vorbringen, es hätte die Strafbehörde die Anführung des Vornamens "G" (statt richtig: U) im Einspruch vom 29. Oktober 2001 unschwer als offenbar versehentlich erkennen müssen, weil alle anderen Parameter, nämlich der Familienname, die Adresse und vor allem auch die bezughabende Geschäftszahl im Einspruchs-Schriftsatz (gegen die Strafverfügung vom 15.10.2001 als erste und einzige Verfolgungshandlung in diesem, den Vorwurf einer bestimmten Geschwindigkeitsüberschreitung betreffenden Strafverfahren) richtig angegeben waren, stimmt mit der Aktenlage ebenso überein wie der Einwand, es hätte die Strafbehörde noch genügend Zeit gehabt, den Berufungswerber zu Handen seines Rechtsfreundes auf geeignete Weise auf den Fehler aufmerksam zu machen.

Das Tribunal stimmt dem Berufungswerber auch darin zu, wonach ein Anwendungsfall des § 13 Abs.3 AVG vorgelegen sei (Verbesserungsauftrag zur Berufung), weil die verfehlte Schreibweise des Vornamens nach den Umständen dieses Falles als prinzipiell verbesserungsfähiger Mangel iS dieser Vorschrift amtswegig aufzugreifen gewesen wäre.

Abgesehen davon aber spricht nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates auch nichts dagegen, die in Rede stehende Vornamensverwechslung als ein in plausibler und jedenfalls nicht lebensferner Weise vom Wiedereinsetzungswerber vorgetragenes unvorhergesehenes Ereignis iSd § 71 Abs.1 Z1 AVG einzuordnen, und daraus in subjektiver Hinsicht dem Berufungswerber keinen anderen Vorwurf als den eines Versehens nur minderen Grades zu machen.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu erkennen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180,00 EUR (entspricht  2.476,85 ATS) zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

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